Hamburg, Elbphilharmonie, Chicago Symphony Orchestra und Riccardo Muti, IOCO Kritik, 16.01.2017
Chicago Symphony Orchestra und Riccardo Muti
Catalani, Strauss, Tschaikowski, Verdi
Von Patrik Klein
Nach den Einführungskonzerten durch das NDR Elbphilharmonieorchester und dem ersten Konzert des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg, darf Chicago, Hamburgs Partnerstadt am Michigansee, mit den Chicago Symphony Orchestra, einem der besten Orchester des Globus, als erstes stadtfremdes Ensemble, den herrlichen Konzertsaal der Elbphilharmonie musikalisch befeuern. Die beiden Konzerte waren trotz stattlicher Eintrittspreise von weit über 200€ pro Ticket genauso, wie die komplette Elbphilharmoniesaison innerhalb kürzester Zeit restlos ausverkauft.
Und kein geringerer als der mittlerweile 75jährige Italiener Riccardo Muti steht am Pult dieses Klasseorchesters und dirigiert an zwei Tagen ein sorgsam ausgewähltes Programm mit Klassikern der ernsten Musik. Hörte man am Vortage noch Werke von Mussorgsky, Hindemith und Elgar, kommen nun Catalani, Strauss, Tschaikowski und Verdi in Hamburgs neues Wahrzeichen. Ohne "Um-Ta-Ta" beginnt das Konzert mit Alfredo Catalanis Contemplazione, frei übersetzt "Beschaulichkeit". 1878 komponierte der Italiener dieses lyrische Stück, welches über einem weichen Streicherklang wunderschöne Bläserphrasen entwickelt. Mit Richard Strauss´ Don Juan folgt ein Klassiker des Repertoires, in dem der Held des Stückes mit größter Dynamik, wundervoll auffahrenden Fortissimo-Tuttis, strahlenden Streichern, formschön pulsierenden Holzbläsern, Blechfanfaren und Paukenschlägen charakterisiert wird. Riesenjubel bereits vor der Pause.
In den sieben Foyers der Elbphilharmonie drängen sich die Zuhörer. Man vernimmt Gesprächsfetzen zu dem Gehörten: Eine umfangreiche Sammlung von Superlativen zum Gehörten formen die begeisterten Inhalte.
Gegen das Schicksal rebelliert Piotr Tschaikowskis Sinfonie Nr. 4 in f-Moll op.36 im zweiten Teil des Konzertes. In den vier Sätzen zeigt das Chicago Symphony Orchestra alles was ein Weltspitzenorchester drauf hat und drauf haben sollte: Feinste Nuancen sind noch immer glasklar und lupenrein hörbar, Instrumentengruppen wirken unglaublich sicher und vor allem einstimmig, keine Tausendstel Sekunde früher oder später setzt man ein. Alles klingt wie von "EINEM" Instrument. Die lauten Passagen sind von einer Wucht, gemischt mit einer Spielfreude vorgetragen, dass es einem ganz warm wird ums Herz. Absoluter Höhepunkt des Abends der dritte Satz "Scherzo: Pizzicato ostinato. Allegro": Sämtliche Streicher haben hier ihre Bögen beiseitegelegt und zupfen ihr Instrument. Beim Hörer kommt das an wie aus einem Guss; keine nicht allerkleinste Unsicherheit ist hörbar. So etwas Furioses, Großartiges hat man in der Hansestadt gewiss noch nie gehört. Das Publikum ist höchst konzentriert, von allen Hustern völlig befreit.
Nach dem Orkan des Jubels löst sich die Angespanntheit bei Stardirigent Riccardo Muti, der Verdis Nabucco-Ouvertüre mit viel Humor als Zugabe ankündigte und mit dem Chicago Symphony Orchestra den Abend wahrlich ergreifend beschloss.
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