Halfing, Immling-Festival, LA TRAVIATA - Giuseppe Verdi, IOCO Kritik, 09.08.2022
LA TRAVIATA - Giuseppe Verdi
Marie Duplessis oder Violetta : „die vom Weg abgekommenen“
von Daniela Zimmermann
La Traviata von Giuseppe Verdi wurde am 6. März 1853 in Venedig uraufgeführt. Die Oper basiert auf Alexandre Dumas` d.J. Roman Die Kameliendame und enthält autobiographische Züge von Dumas´ Beziehungen zu der Kurtisane Marie Duplessis, eigentlich Alphonsine Plessis (1824-1847), welche - sehr real - nicht unweit von ihm auf dem Pariser Friedhof Montmartre begraben ist, siehe Foto unten.
Die Uraufführung von La Traviata wurde zu einem Desaster. Doch dies änderte sich eine Saison später 1854, nach einer Überarbeitung durch Verdi und einer erstklassigen Besetzung. Verdi war von Beginn an vom Erfolg seiner Oper überzeugt. Der Erfolg der Oper ist seit 1854 triumphal. In Europa, in der ganzen Welt gehört seither La Traviata oder auch Violetta auf die Spielpläne aller Musiktheater.
Bis heute hat La Traviata von ihrer Anziehungskraft nichts verloren. In Immling kommen gerade drei Opern mit starken Frauencharakteren zur Aufführung: La Traviata, Norma und Butterfly. Drei Frauen, die durch ihr Schicksal solche Stärke entwickeln, dass selbst ihr Tod noch ein Ausdruck der Stärke vermittelt.
Für Violetta gibt es ein historisches Vorbild, die damals berühmte Pariser Kurtisane Marie Duplessis, die 1847 mit 23 Jahren an Tuberkulose starb. Ludwig Baumanns Inszenierung La Traviata, spielt in Paris, versetzt in die Gegenwart. Und so brausen gleich zu Beginn, noch vor der Ouvertüre, die schicken Autos über die Bühne, und wohin, natürlich zum großen Fest der Violetta. Und da wird im Stile der High Society mit Champagner exklusiv, ganz groß gefeiert. Diana Alexe singt die Violetta. In schickem Leoparden-Hosenanzug, (Gewandmeisterin Anja Becker-Geipel) und mit ihrer filigranen Figur, ihrer Jugend und auffälliger Präsens ist sie die ideale Violetta. Sie spielt wunderbar verführerisch ihre Rolle und singt mit sauber klarem Timbre. Am Anfang geht ihre Stimme im etwas triumphal aufspielenden Orchesters etwas unter, gewinnt aber im Laufe der Oper an Kraft und Ausstrahlung. Die exklusiven Gäste der großen Party verkörpert der große Immlinger Festivalchor unter der Leitung von Cornelia von Kerssenbrock. Der Chor ist großartig arrangiert: stimmlich präzise, schön klingend trudeln die Party-Gäste nach und nach ein. Unter den Gästen ein Neuling Alfredo Germont (Yenish Ysman), dessen Stimme, strahlend und volumenreich, begeistert. Violettas Galan, Barone Dauphole (Gezim Berisha), seine Rolle elegant, perfekt beherrschtend, wird misstrauisch.
Alfredos Scheu versteht sie mit ihrem schönen Trinklied wegzuwischen. Und er nützt einen Schwächeanfall ihrerseits, wo er sie allein findet, ihr seine aufrichtige Liebe zu gestehen. Nur in ihrem jetzigen Leben, gibt es für die wahre Liebe keinen Platz.
Umbau der Bühne im Halbdunkel: Cornelia von Kerssenbrock, überbrückt die Zeit mit französischen Chansons, auf der Ziehharmonika spielend. Der Umbau dauert etwas länger. Landleben, ein neuer Lebensabschnitt mit Alfredo. Violetta ist glücklich, diesen Schritt gewagt zu haben. Dafür hat sie ihr ganzes Hab und Gut geopfert. Da schlägt das Schicksal zu, in der Person von Giorgio Germont, Vater Aldredos, überzeugend mit schönem Bariton von Stefano Meo dargestellt. Gebrechlich im Rollstuhl bittet er Violetta auf Alfredo zu verzichten, seiner Familie wegen. Sie ist nicht standesgemäß und eine Verbindung mit ihr und mit dieser Vergangenheit eine Schande. Von Krankheit bereits gezeichnet, willigt sie aus Liebe zu Alfredo ein, der sich gerade in Paris aufhält und nichts davon mitbekommt. Mitwissende allein ist Annina, ihre Dienerin, (Xenia Steiner), die ihr in allem beisteht.
Violetta kehrt unglücklich nach Paris in Ihr gewohntes Leben zurück. Alfredo reist ihr nach und erlebt sie in gewohnter gespielter Zweisamkeit mit dem Baron. Alfredo blind vor Eifersucht, demütigt Violetta vor allen Gästen, worauf ihn der Baron zum Duell fordert.
Violettas Zustand verschlechtert sich, Dottore Grenvil, mit sonorem kräftigen Bass - Tuncay Kurtoglu, kann hier nicht mehr helfen. Kraft gibt ihr noch Alfredo, wissend, dass er inzwischen informiert, zu ihr eilt. Wir erleben eine traurige, aber wunderschön gespielte und gesungene Sterbeszene. Auch Vater Giorgio Germont voller Reue und muss ihr Sterben miterleben.
Am Pult Cornelia von Kerssenbrock, die wie immer ihr eigenes Orchester, dynamisch und auf hohem Niveau aufspielen lässt, etwas zu dynamisch im 1. Akt, aber dann sehr differenziert und einfühlsam das Orchester leitet. Für das immer moderner werdende Videodesign sorgte Maximilian Ulrich, und für das Lichtdesign war Arndt Sellentin verantwortlich.
Für diese prachtvolle La Traviata lohnt es sich immer nach zum Immling-Festival in das ohnehin landschaftliche Paradies im Chiemgau zu fahren. Immling hat seine ganz eigenen Atmosphäre; wer diese einmal erlebt hat, kehrt immer wieder gern zurück.
Nach so viel emotionaler Anregung feierten die Besucher mit dem Ensemble im großen Sternenzelt bei einem exzellenten Buffet. Und traditionsgemäß gab es dazu noch eine musikalische Zugabe der jungen Sänger. Das ist Immling!
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