Hagen, Theater Hagen, Premiere Vanessa, IOCO Kritik, 07.03.2015
Premiere Samuel Barber “Vanessa“
Die Pflege des amerikanischen Musiktheaters hat in Hagen schon Tradition. Wie zum Beispiel Bolcoms “The View from the Bridge“ 2003, oder wie zuletzt Carlisle Floyds “Susannah“ 2012.
Nun brachte das Theater Hagen mit Samuel Barbers Oper “Vanessa“ ein Werk heraus, das nicht all zu oft auf den Spielplänen zu finden ist. Zuletzt war es 2012 an der Frankfurter Oper zu erleben.
Barbers Oper, zu der sein Lebenspartner Gian - Carlo Menotti (selber ein erfolgreicher und interessanter Komponist) das Buch schrieb, wurde 1958 an der New Yorker Metropolitan Opera mit prominenter Besetzung uraufgeführt. Der leider zu früh verstorbene Thomas Schippers stand am Pult. Seine europäische Erstaufführung erlebte das Werk im gleichen Jahr bei den Salzburger Festspielen.
Kurz zusammengefasst sei die Handlung: Die alte Baronin lebt mit ihrer Tochter Vanessa und ihrer Enkelin Erika (Vanessas Nichte) zurückgezogen auf dem Lande. Vanessa wartet seit zwanzig Jahren auf ihren Geliebten Anatol, der sie verließ. Für ihn hält sie sich in Form und ignoriert ihr Alter.
Irgendwann meldet Anatol seinen Besuch an. Alles ist in Aufregung. Doch es ist nicht der Anatol, den Vanessa erwartet hat, sondern dessen Sohn. Vanessa ist verschreckt und zieht sich zurück. Erika schafft es nicht, diesen Anatol zurück in den wütenden Schneesturm zu schicken. In der gleichen Nacht verführt Anatol Erika. Er macht ihr einen Heiratsantrag. Sie misstraut seinen Gefühlen. Als ihr bewusst wird, dass Vanessa in diesen jungen Anatol verliebt ist, verzichtet sie ganz auf ihn und lehnt auch seinen zweiten Antrag ab. Vanessa heiratet Anatol und zieht mit ihm nach Paris. Die Baronin und Erika bleiben im Haus zurück. Nun wartet Erika.
Es ist eine spannende Geschichte, ein intimes Kammerspiel, das auch so inszeniert sein soll. Dem Regisseur Roman Hovenbitzer gelingt das recht gut. Er weiß, die Geschichte gut und bildstark zu erzählen und aufzuschlüsseln. Das Bühnenbild von Jan Bammes war sehr raffiniert in den Aufbauten und verströmte Kälte. Um einen Filmtitel abzuwandeln, er zeigte “Gespür für Schnee“, der Schneesturm an den Fenstern war immer sichtbar. Geradezu luxuriös waren die prächtigen Kostüme. Nicht unerwähnt bleiben sollen die exzellenten Video-Installationen von Volker Köster.
Musikalisch ist fast ausschließlich nur Gutes zu berichten. Am Pult wusste Hagens GMD Florian Ludwig der üppigen, untermalenden, spätromantischen Musik, die das Genre Filmmusik aufs beste zeigt, viel abzugewinnen. Das bestens disponierte Philharmonische Orchester schwelgte geradezu von allen Pulten. Mustergültig sang der Chor des Theaters Hagen, einstudiert von Wolfgang Müller-Salow.
Hervorragend waren die Gesangssolisten, vokal und darstellerisch absolut glaubhaft in der Typisierung. An erster Stelle muss hier Kristine Larissa Funkhauser als Erika genannt werden. Ihr samtener Mezzosopran, der schon als Carmen begeisterte, hatte die richtige Konsistenz für diese tragische Partie. Sie konnte deren Seelenregungen mit vielen Farben deutlich machen.
Für die erkrankte Marilyn Bennett (Baronin) hatte man in Gudrun Pelker vom Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen hochkarätigen Ersatz gefunden. Ihre fulminante Amme dort ist noch frisch in Erinnerung. Hier als alte, blinde Baronin konnte sie mit ihrer dramatischen Intensität auch dieser kleinen, aber wichtigen Rolle Profil geben.
Der finnische Bass Ilka Vihavainen in der Rolle des Doktors, bestach durch stimmliche Wärme und Ausdruck ebenso wie durch eminente Artikulation. Anatol wurde durch Richard Furman ideal verkörpert. Sein schlanker Tenor hatte Biss und Durchschlagskraft. Zudem zeigte er sich als wendiger Darsteller und machte eine gute Figur. Würdevoll in der fast stummen Rolle des Haushofmeisters erlebte man Hagens Urgestein, KS. Horst Fiehl.
Eine ideale Vertreterin der Titelpartie Vanessa vom Habitus her, wie auch figürlich, war die australische Sängerin Katrina Sheppeard, die mit dieser Partie hier in Hagen ihr Deutschland-Debüt gab. Sie spielte sehr überzeugend ihre diffizile Rolle. Vokal erfreute die gut klingende Mittellage ihres modulationsreichen Soprans. Leider wurde im oberen Register die Stimme grell und vielfach schrill. Schade!
Die Premiere wurde vom Hagener Publikum begeistert gefeiert.
IOCO / UGK / 07.3.2015
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