Hagen, Theater Hagen, Der Rosenkavalier - Richard Strauss, IOCO Kritik, 08.06.2016

Hagen, Theater Hagen, Der Rosenkavalier - Richard Strauss, IOCO Kritik, 08.06.2016
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Theater Hagen

Theater Hagen bei Nacht © Stefan Kuehle
Theater Hagen bei Nacht © Stefan Kuehle

Der Rosenkavalier: Große Produktion im Theater Hagen

Glitzernde Polyphonie mit Posse, Schwank mit starken Stimmen

Hagen / Theater Hagen - Bühnenprospekt zum Rosenkavalier © IOCO
Hagen / Theater Hagen - Bühnenprospekt zum Rosenkavalier © IOCO

1911 fand im Dresdner Königlichen Opernhaus die Uraufführung von Richard Strauss´ Oper Der Rosenkavalier, einer „Komödie für Musik“ statt. Nach vergangener Wagner-Verklärtheit, Salome 1905 - Elektra 1908, zog es den Klangzauberer Strauss, eine lyrisch komödiantische Mozart-nahe Oper zu schaffen. Gemeinsam mit Textdichter Hugo von Hofmannsthal und dem heute fast vergessenen Max Reinhardt schuf Strauss den Rosenkavalier, dessen Kraftfeld  von  männlich derber Oberflächlichkeit und melancholisch weiser Weiblichkeit beherrscht wird; reaktionäre Momente folgen avantgardistischen; alles umrankt von Wiener Flair  Maria Theresias und irrwitzigen wie deftigen Komödienschablonen.

Hagen / Theater Hagen - Rosenkavalier - Rainer Zaum als Ochs © Klaus Lefebvre
Hagen / Theater Hagen - Rosenkavalier - Rainer Zaum als Ochs © Klaus Lefebvre

Die Uraufführung des Rosenkavalier war ein glänzender Erfolg. Die Oper  entwickelte sich schnell zu den populärsten Opern der Welt. Doch dieser Erfolg stand auf Messers Schneide. Denn der sächsische Hausregisseur Georg Tosser verweigerte der Oper damals seinen Wiener Geist. Heimlich holte der verzweifelte Richard Strauss den  jungen Max Reinhardt  vom Theater an der Wien nach Dresden. Reinhardt präzisierte Klang und Sprache des Stückes, verlieh ihm Modernität und seinen speziellen Wiener Geist. Geprobt wurde nachts in Hotelzimmern, da der erboste Dresdner Intendant Nikolaus Graf von Seebach hatte Max Reinhardt Hausverbot erteilt hatte. Doch Strauss setzte  sein Aufführungskonzept durch, mit Wiener Walzer, Sprachfinessen, Buffonerie der Festszenen, silberner Rose. Max Reinhardt geht in modernen Rosenkavalier-Reflexionen oft unter.

Hagen / Theater Hagen - Rosenkavalier - Marschallin - Octavian - Sophie © Klaus Lefebvre
Hagen / Theater Hagen - Rosenkavalier - Marschallin - Octavian - Sophie © Klaus Lefebvre

Das Theater Hagen  und Regisseur Gregor Horres bringen die Pracht der ornamentalen Komposition mit eigenen Ensemble und wenigen Bühnenrequisiten glänzend auf die Bühne. Ein kräftig pralles Bühnenprospekt, Amor und Psyche abbildend, fasziniert schon vor Vorstellungsbeginn. Zum Vorspiel scheinen durch den durchsichtig werdenden Prospekt Amor und Psyche tanzend. Das Bühnenbild folgt nicht gewohnt klassischen Inszenierungsmustern; so verliert sich die tragende Partie der Marschallin nicht in einem schwülstigen Schlafgemach. Im Theater Hagen ist die Marschallin eine modern gekleidete, steuernde Frau. Hohe, breite Doppelwände, meist in schwere Lichtfarben getaucht; wenig zusätzliche Requisiten dominieren die Bühne (Jan Bammes). Der glitzernden Komposition angepasst  bilden auch Alfonso Palencia, Choreographie, Dorothee Hannappel, Dramaturgie, und Yvonne Forster, Kostüme, das leibhaftige Panoptikum des Lebens auf der Bühne farbenfroh überzeichnend, plakativ wie komödiantisch ab. Hofmannsthal´s komplexes Komödienlibretto mit Strauss´ musikalisch virtuoser Konversation erfahren im Theater Hagen so eine in ihrer Gesamtheit überzeugende wie mitreißende Inszenierung.

Hagen / Theater Hagen - Rosenkavalier - Veronika Haller als Marschallin © Klaus Lefebvre
Hagen / Theater Hagen - Rosenkavalier - Veronika Haller als Marschallin © Klaus Lefebvre

Die zentralen Antipoden der Oper, die Marschallin Fürstin Werdenberg (Veronika Haller) und Baron Ochs auf Lerchenau (Rainer Zaun)  leben ihre riesigen wie anspruchsvollen Partien mit darstellerischer wie stimmlicher Sicherheit, welche verblüfft. Veronika Haller gibt der Marschallin das Antlitz einer beherrschten, leicht wehmütigen aber nie schlüpfrigen Frau; welche mit herrlich lyrischem Sopran und differenzierter Phrasierung über vier Stunden und wohltimbrierten Ausdruck den Besucher bannt. Rainer Zaun dagegen, grober wie stets widersprüchlicher Ochs auf Lerchenau in grünen Jacket, wütet im Dreiertakt mit solch stimmlich perfekter Bass-Gewalt, wienert in derbstem Wiener Schmäh, dass es den Atem verschlägt. Seine Begleiter, die in Lederhosen und Wams gekleideten Lerchenau´schen, stützen das vom Ochs geschaffene Panoptikum durch blendende Choreographie. Doch auch die anderen Partien der Inszenierung sind blendend besetzt: Kristine Larissa Funkhauser mit Lockenkopf als Octavian mit wohllautendem Mezzo, Kenneth Matice als Herr von Faninal, Maria Klier als schüchterne Sophie. Keno Brandt fällt als abstruser Nazi-Verschnitt in schwarzen Ledermantel und Stöckelschuhen auf. Ebenso Kejia Xiong, welcher mehrere Partien bedient, doch mit einer überzeichnenden Belcanto-Arie als Sänger in Mantel, Schal und strahlend hohem Tenor italienisch fröhliches Flair herbei zaubert.

Hagen / Theater Hagen - Ensemble zum Rosenkavalier © IOCO
Hagen / Theater Hagen - Ensemble zum Rosenkavalier © IOCO

Zu Richard Strauss Opern herrscht im Orchestergraben immer großes Gedränge. Nicht nur Geigen, Celli, Schlagwerk und Ensemble muss der Dirigent dann lenken: In der Sprengkraft der bis in chaotische drängenden Partitur führen auch seltenere Instrumente Triangel, Tratsche, Schellen, Rührtrommel, Basstuba starke Eigenleben. Der Hagener Generalmusikdirektor Florian Ludwig und sein philharmonisches orchesterhagen ließen im Graben das schräge, gleißende wie  harmonisches der Straussschen Partitur aufblühen, zuspitzen, verdämmern. Der Besucher hielt den Atem an, zwickte sich: Wir sind nicht in Wien, Berlin oder Hamburg: Dies ist das Theater Hagen!

Die komplexe wie aufwendige Rosenkavalier Produktion im Theater Hagen ist eine künstlerische Großtat.  Ein Hagener, welcher dort über Jahrzehnte fünf Rosenkavalier Produktion erlebt hatte, konstatierte emphatisch, dieser Rosenkavalier sei ein Höhepunkt im Theaterleben Hagens. Entsprechend begeistert fiel der Beifall des Publikums aus. IOCO / Viktor Jarosch / 08.06.2016

Der Rosenkavalier im Theater Hagen; weitere Vorstellungen: 12.06.2016; 19.06.2016; 01.07.2016; 08.07.2016

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