Hagen, Theater Hagen, Das schlaue Füchslein - Leos Janacek, IOCO Kritik, 31.3.2018
Das schlaue Füchslein von Leos Janacek
Hochhausdschungel - Ein Wald aus zahllosen Leitern
Von Viktor Jarosch
Leos Janacek, 1854 – 1928, lebte zumeist im tschechischen Brünn, abgeschieden von den großen Orten europäischer Musikkultur; er war scheu, vielleicht eigenbrötlerisch. Seine Werke wurden erst in den späten Jahren seines Lebens bekannt, wurde Janacek populär. Das schlaue Füchslein ist auch ein Spätwerk, 1824 in Brünn uraufgeführt; Janacek war bereits 70 Jahre. Die Entstehung: Der Zeichner Stanilav Lolek hatte Comic – Bilder, „aus dem Leben eines Fuchses“ gemalt; der Redakteur, Rudolf Tesnohlidek (1882 – 1928) formte aus diesen Zeichnungen einen ersten Cartoon, eine Art „slawischem Sommernachtstraum“, welcher Tier- und Menschenwelten liebevoll verknüpft, Parallelen beschreibt und kunstvoll die Nähe des Menschen zum Tier zeichnet. Der erfolgreiche Cartoon verleitete Leos Janacek zu seiner Komposition in welcher Moderne und Folklorismus, romantische Oper und Filmmusik eine Mischung eingehen.
Das schlaue Füchslein, es klingt nach einer familientauglichen Kinderoper; doch tatsächlich ist es alles andere als das. Es ist eine tiefsinnige Parabel, in welcher sich Menschen, meist ein Förster, in Natur und Tieren spiegeln. Realer Alltag, Ängste, Träume, Unterbewusstes und Handeln in lyrische Klangfarben zaubert. Menschen zeigen ihr unfertiges Wesen in dem das Unterbewußte eigentlich herrscht; die Tiere dieser Oper handeln tierisch real, vernünftig, nicht märchenhaft schwärmend.
Das Theater Hagen stimmt seine Besucher mit einem sinnigen Bühnenprospekt ein, dessen Mitte die originelle Karikatur eines Fuchsgesichtes zeigt. Das dann sichtbar werdende erste Bühnenbild ergreift: Regisseurin Mascha Pörzgen gestaltet im Schlauen Füchslein das Wesen von Menschen und Tiere als Ausdruck unserer Fantasien, aber mit fließenden Grenzen. Wenngleich der Förster, ein Mensch, scheinbares Zentrum der Handlung zu sein scheint, ist er schwach, scheitert er; wirkt er wie alle menschlichen Wesen unfertig. Die Regie von Pörzgen macht im Theater Hagen die Füchsin Schlaukopf, das natürlich wirkende Tier, die Natur zu den kreativ gestaltenden, zu wahren höheren Wesen. Wirken menschlich vernünfitg; "scharren nicht im Dreck". Mascha Pörzgen nutzt für ihre Inszenierung auch die Möglichkeiten der Drehbühne des Theater Hagen. Der Wechsel zwischen einzelnen Bühnenbildern, von Mensch zu Tier zu Mensch, ist bruchlos, fließend, natürlich.
Der Förster, verheiratet, ruht in einem expressionistisch aktuell wirkenden „Leiterwald“. Einem Hochhausdschungel gleich ragen mit zahllose Leitern hoch hinauf, tragen symbolisierte grüne Baumkronen (Bühne und Kostüme Christof Cremer). Der Förster träumt sehnsuchtsvoll von der schönen – nie auftretenden - Terynka, welche neu in sein Leben getreten ist. Tiere des Waldes umspielen ihn, eine Libelle als Fensterputzer macht vermeintliche Scheiben sauber. Ein Frosch weckt den Förster, springt ihm auf die Nase. Der Förster fängt fängt eine Füchsin, die Füchsin Schlaukopf, nimmt sie auf seinen Hof, wo sie alles „Elend der menschlich tierischen Welt“ erlebt: Die Försterin schlägt sie, die Kinder ärgern sie, ein lüsterner Dackel, den Förster metaphorisch darstellend, jagt sie, ein Hahn fordert, dem Lehrer gleich, beständig Disziplin. In der Wirtsstube des Dorfes trinken Schulmeister, Pfarrer und Förster Bier und sind im Bann von der rätselhaften Terynka. Aus diesem menschlich tierischen Elend gelingt Füchsin Schlaukopf die Flucht aus dem Försterhaus.
Der Kreislauf des Lebens bleibt unerklärlich
Für das Tier - Für den Mensch
Zurück im Wald vertreibt sie in bösem Streit – und unter Teilnahme aller Tiere des Waldes - einen Dachs (= Pfarrer) aus dessen Höhle. Einen „wohl erzogenen“ Fuchs heiratet sie, von einem Specht getraut, während eine Eule über Unmoral zetert. Die Hochzeit wird zu einem breiten folkloristischen Klangbild positiven Lebens. Alle Tiere des Waldes, Grille, Heuschrecke, Frosch und mehr feiern die Hochzeit ausgelassen mit. Mitsamt dem folgenden Familienleben der Füchsin Schlaukopf zu einem „hellen“ parodistischen Höhepunkt der Oper. Doch dann greift Lebenskreislauf greift zu: Die Füchsin Schlaukopf wird von dem Landstreicher Haraschta, der inzwischen Terynka ehelichte, erschossen. Ihr Tod, eher beiläufig dargestellt, wird zur banalen Realität, zum „dunklen“ Höhepunkt, wie auch zum Wendepunkt der Musik, welche nun Leere und Verlust wiedergibt. Das Fell der Füchsin Schlaukopf wird zu einem Muff für Terynka …. Der Förster, wieder allein im Wald, blickt auf alles Geschehene zurück. Er sieht eine junge Füchsin, einen Frosch und mit ihnen das den für ihn unerklärlich bleibenden Kreislauf des Lebens, in welchem alles artgerecht ist: Vermeintlich intelligenzgesteuerte Menschen, werden überwiegend von ihrem Unter-bewusstsein dominiert; Tiere bleiben Tiere, welche die Hühner reißen oder einen Dachs vertreiben.
Das Theater Hagen - IOCO bewundert dies seit Jahren - besitzt ein starkes Ensemble, stimmlich wie darstellerisch. Die modern lebendige Regie von Mascha Pörzgen in Verbindung mit einer wunderbar choreographierten Ensembleleistung macht das Schlaue Füchslein zu einem mitreißenden Erlebnis. Die großen Partien der Oper waren gut besetzt: Kenneth Mattice, mit lyrischer und gut verständlichen Bariton, überzeugt als träumender wie getriebener Förster; Dorothea Brandt ist Füchsin Schlaukopf dominiert mit bezaubernd timbrierten Sopran und filigraner Darstellungskraft; Rainer Zaun ist innerlich gescheiterten Pfarrer, der um seine Versetzung bittet; Boris Leisenheimer als gutartig liebenswerter Schulmeister; Olaf Haye ist von Konventionen unbefrachteter Landstreicher Háraschta. Die Inszenierung am Theater Hagen aber leuchtet hell, weil neben den großen viele kleine Akteure auf der Bühne, Gastwirtin – Seppl – Grille – Frosch - Schopfhenne und mehr die bunten Episoden der Oper mit individuellen darstellerischen Facetten komisch wie originell bereichern: Der Kinderchor, die jungen Füchse darstellend, Larissa Funkhauser als Eule, die über Unmoral schimpft, Marilyn Bennett als vertriebener Dackel und als Specht.....
Das schlaue Füchslein ist eine komplexe Oper; in Inhalt, Interpretation und Komposition; für ein Orchester anspruchsvoll und schwer zu spielen, erst recht wenn es illustrative Stellen wie für Grille und Heuschrecke betrifft. Generalmusikdirektor Joseph Trafton und den Hagener Philharmonikern meisterten Leos Janaceks Komposition in sanfter Geschmeidigkeit, lyrisch fein und vereint mit dem starken Ensemble auf der Bühne.
Das Publikum im Theater Hagen feierte lange die moderne wie liebevoll verspielte Inszenierung und seine Darsteller, welche abermals in einer fordernden Oper große künstlerische Kraft unter Beweis stellten.
Das schlaue Füchslein am Theater Hagen, weitere Vorstellungen am 8.4.; 13.4.; 12.5.2018
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