Graz, Oper Graz, Der Ring an einem Abend - Richard Wagner / Loriot, IOCO Kritik, 08.06.2022
Der Ring an einem Abend - Richard Wagner / Loriot
von Marcus Haimerl
Den 209. Geburtstag Richard Wagners feierte die Oper Graz mit der zweiten und leider auch letzten Vorstellung von Der Ring an einem Abend mit den Texten von Loriot. Bernhard-Viktor Christoph-Carl von Bülow, wie Loriot bürgerlich hieß, war seit seiner Jugend ein leidenschaftlicher Opernfreund. Bereits Anfang der 1980er Jahre äußerte er im Gespräch mit dem Dramaturgen und Intendanten Klaus Schultz die Idee für einen Ring an einem Abend. 1992 übernahm Schultz die Intendanz am Nationaltheater Mannheim, welches die Inszenierung des gesamten Ring-Zyklus plante. Da das Theater saniert wurde, hielt er das für eine gute Gelegenheit, Loriots Idee zu verwirklichen. Nachdem festgelegt wurde, welche Ausschnitte zur Aufführung kommen sollten, schrieb Loriot die verbindenden Texte in nur sechs Monaten.
Die Uraufführung fand am 28. Oktober 1992 mit dem Ensemble des Nationaltheaters im Musensaal des Rosengartens in Mannheim statt. Es dirigierte Jun Märkl, den Text las Loriot selbst. Seitdem wurde Der Ring an einem Abend immer wieder im deutschsprachigen Raum aufgeführt. So auch beispielsweise 1995 bei der Operngala in der Deutschen Oper Berlin zugunsten der Deutschen AIDS-Stiftung oder im Wagner-Jahr 2013 an der Wiener Volksoper. Mit Witz und geistreichem Humor vermittelt Loriot in seinem Text Richard Wagners Tetralogie auf verständliche Weise nicht nur Wagner-Neulingen, auch der Kenner kommt auf seine Kosten.
Im Jahr 1848 traf Richard Wagner die Entscheidung, eine Figur wie Siegfried auf die Opernbühne zu bringen. Als literarische Vorlagen dienen ihm neben dem Nibelungenlied auch die Ältere Edda, die Völsunga-Saga und die Prosa-Edda. Wagner begann seine Textdichtung mit dem Endstück Siegfrieds Tod aus dem am Ende schließlich die Götterdämmerung wurde. 1852 ist Dichtung der Tetralogie vollendet, 1853 wird sie gedruckt. Im selben Jahr beginnt Wagner mit der Komposition des Rheingolds die am 1. November 1853 begonnen und am 14. Jänner 1854 abgeschlossen wurde. Zwischen 28. Juni 1854 und 23. März 1856 vollendete Wagner /Die Walküre, im September 1856 beginnt er mit der Komposition von Siegfried. Da der Verlag Breitkopf & Härtel an der Tetralogie kein Interesse zeigt, bricht Wagner 1857 die Arbeit ab, um sich einem anderen Werk widmen zu können, welches seiner Ansicht nach leichter zu realisieren wäre. Es handelt sich um Tristan und Isolde. Erst 1864 nimmt Wagner die Arbeit an „Siegfried“ wieder auf und widmet sich der Reinschrift der Partitur des Ersten und Zweiten Aktes. Erneut unterbricht Wagner, um sich der Komposition der Meistersinger von Nürnberg widmen zu können. Nach der Uraufführung dieses Werkes 1868 in München sieht sich Wagner wieder in der Lage, sich dem noch nicht konzipierten Dritten Akt von Siegfried zu widmen. Am 5. Februar 1871 war Siegfried abgeschlossen. Am 9. Jänner 1870, begann Wagner bereits mit der Arbeit an der Götterdämmerung, deren Komposition er am 21. November 1874 schließlich vollendete. Obwohl von Wagner ausschließlich für eine zyklische Aufführung erdacht, wird das Rheingold (am 22. September 1869) und die Walküre (am 26. Juni 1870) auf Anordnung von Ludwig II. in München uraufgeführt. Im Sommer 1876 eröffnet die Tetralogie in ihrer Gesamtheit das Bayreuther Festspielhaus.
Für die erkrankte Maria Happel übernahm in Graz die zweite Vorstellung vom Ring an einem Abend Robert Meyer, der den Text bereits in den Aufführungen der Wiener Volksoper 2013 gelesen hat. Mit brillantem, trockenem Humor bringt Robert Meyer die komplexe Handlung des Ring des Nibelungen um Liebe, Macht und Schwächen den Zuhörern der bis auf den letzten Platz gefüllten Oper Graz näher.
Roland Kluttig dirigierte die Grazer Philharmoniker, die mit Farbenreichtum und unglaublicher Intensität Wagners Partitur zum Erklingen brachten. Der Amerikaner Kyle Albertson, der am Vorabend noch als Holländer auf der Bühne stand, ist ein eindrucksvoller, wortdeutlicher Wotan und Wanderer und macht mit seinem dunklen Bassbariton besonders die Zerrissenheit des Göttervaters deutlich. Zu einem berührenden Höhepunkt des Abends wurde der Abschied von seiner Tochter Brünnhilde (Leb wohl, du kühnes, herrliches Kind).
Alexandra Petersamer, vom dramatischen Mezzo- ins dramatische Sopranfach gewechselt, verfügt als Brünnhilde mit schöner, kräftiger Mittellage und sicherer Höhe über alles, was diese Partie fordert. Daniel Kirch, zu dessen Kernrepertoire die großen Tenorpartien Wagners und Strauss gehören, kann in den beiden Partien als Siegmund und Siegfried überzeugen. Betsy Horne begeistert in der Partie der Sieglinde mit klarem, kräftigem und höhensicherem Sopran. Wilfried Zelinka, ebenfalls am Vorabend bereits als Daland in Wagners Der fliegende Holländer zu hören, ist ein intensiver Hagen. In der leider nur sehr kurzen Partie des Loge brilliert Mario Lerchenberger mit seinem schönen, hellen und kraftvollen Tenor und trifft genau den Charakter dieses trügerischen, fast spitzbübischen Gottes. Auch er war bereits am Vorabend im „Holländer“ als Steuermann zu erleben. Markus Butter ist ein großartiger Alberich und als die ihn neckenden Rheintöchter begeistern Tetiana Miyus (Woglinde), Corina Koller (Wellgunde) und Anna Brull (Floßhilde). Der österreichische Tenor Martin Fournier beeindruckt als Mime ebenso wie Bariton Neven Crnic als Gunther. Großen Eindruck hinterlassen auch die Walküren: Corina Koller (Gerhilde), Sieglinde Feldhofer (Ortlinde), Mareike Jankowski (Waltraute), Marijana Nikolic (Schwertleite), Tetiana Miyus (Helmwige), Tatiana Stanishich (Siegrune), Stefanie Hierlmeier (Grimgerde) und Anna Brull (Rossweiße). Hervorzuheben aus dem Heer der Walküren ist hier noch die steirische Sopransitin Sieglinde Feldhofer, die neben der Partie der Ortlinde auch noch als Gutrune eine herausragende Leistung abliefert. Auch Corina Koller, Mitglied des Opernstudios, lässt mit kraftvollem Sopran und strahlenden Höhen aufhorchen. Es scheint als wäre der Wagner-Nachwuchs gesichert.
Das Publikum der ausverkauften Oper Graz bedankte sich bei den Solisten mit entsprechend langanhaltendem Jubel für die großartige Leistung. Schade, dass es von dieser Produktion nur insgesamt zwei Vorstellungen gab.
Der Ring an einem Abend an der Oper Graz; zur Zeit sind keine Vorstellungen geplant, link Hier!
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