Gießen, Stadttheater Gießen, EUGEN ONEGIN - P. I. Tschaikowsky, IOCO

EUGEN ONEGIN, Gießen: Im März 1877 erhält Tschaikowsky die Idee zur Erschaffung des Eugen Onegin von einer Sängerin namens Elisaveta Lavrovskaya. Zuerst scheint ihm dieser Gedanke jedoch absurd. Er behauptet, dass Eugen Onegin die "heilige Schrift" sei,.......

Gießen, Stadttheater Gießen, EUGEN ONEGIN - P. I. Tschaikowsky, IOCO
Stadttheater Giessen © Rolf K. Wegst

 von Alla Perchikova

Im März 1877 erhält Tschaikowsky die Idee zur Erschaffung des Eugen Onegin von einer Sängerin namens Elisaveta Lavrovskaya. Zuerst scheint ihm dieser Gedanke jedoch absurd. Er behauptet, dass Eugen Onegin die "heilige Schrift" sei, die er sich nicht einmal im Traum wagen würde, zu berühren. Aber bald fesselt ihn diese Idee.

In Eugen Onegin schreibt Tatjana einen Brief an Eugen, in dem sie ihm ihre Liebe gesteht. Eugen antwortet ihr, dass er ihre Liebe nicht erwidern kann, dass er sie nicht heiraten kann. Das Ergebnis ist eine persönliche Tragödie.

Im selben Frühling des Jahres 1877 erhält Tschaikowsky leidenschaftliche Liebesbriefe von einer gewissen Antonina Milyukova, einer vierundzwanzig-jährigen Studentin des Konservatoriums, an die er sich kaum erinnern konnte und nicht wusste, ob er sie jemals getroffen hatte. Zu seiner realen Korrespondentin empfindet Tschaikowsky überhaupt keine Liebe, und er handelt genauso wie Onegin: Er schreibt eine höfliche, kalte Antwort, dass er nicht mit gegenseitiger Liebe antworten kann. Aber von ihr kommt noch ein Brief, voller leidenschaftlicher Gefühle, und Tschaikowsky geht zu Antonina Milyukova, um sie kennenzulernen. Er heiratet sie am 6. Juli 1877, aber drei Wochen später ergreift er die Flucht vor der Ehe.

In weniger als einem Jahr - am 20. Januar 1878 - wurde Eugen Oneginabgeschlossen (in Italien, in Sanremo). Tschaikowsky schickte den Klavierauszug der Oper nicht an Antonina Milyukova, die er in der Figur Tatjana verkörperte, und die immer davon geträumt hatte, bei ihm zu sein, sondern an Nadeschda von Meck, die Tschaikowsky bewunderte und ihm wohlgesinnt war, aber aus unerklärlichen Gründen immer persönliche Treffen mit ihm vermied.

EUGEN ONEGIN hier Julia Araújo, Michael Ha, Grga Peroš @ Lena Bils

Wenn ich die Dramaturgie des Stückes in moderner Sprache beschreibe, sehen wir als Publikum deutlich zwei verschiedene Arten von Menschen: Auf der einen Seite gibt es diejenigen, die unbeschwert von Tag zu Tag leben, ohne sich allzu viele Gedanken zu machen oder zu philosophieren. Sie lachen, tanzen und genießen das Leben, geleitet von Poesie und Verliebtheit. Sie scheinen etwas entfernt von der Realität zu sein, und leider endet ihre Geschichte in einer Tragödie, in der Lenski sterben muss.

Auf der anderen Seite haben wir die Nachdenklichen, die sehr belesen und intelligent sind. Sie suchen nach ihren eigenen Wegen und Zielen und schauen mit ihrem Weltblick über die Grenzen des Dorflebens und der Kleinbürgermentalität hinaus.

Die Tatsache allein, dass eine Frau den ersten Schritt macht und einem Mann ihre Liebe gesteht, war damals kaum vorstellbar, und wäre ganz sicher von der Gesellschaft nicht positiv aufgenommen worden. Aber Tatjana tut genau das, findet jedoch bei Eugen kein Verständnis und erhält von ihm eine höfliche und kalte Absage. Eugen befindet sich in einem Stadium seines Lebens, in dem er sich selbst noch nicht ganz gefunden hat.

Am Ende der Oper ist er reif für die Liebe und bereit, eine Entscheidung zu treffen, aber es ist zu spät- Tatjana ist bereits verheiratet und will ihre Prinzipien nicht verraten.

Die Oper Eugen Onegin wurde ursprünglich als „Lyrische Szenen“ untertitelt, Tschaikowsky selbst hat immer darauf bestanden, sie nicht als Oper zu bezeichnen. Das Werk war für das Konservatorium gedacht, damit die Studenten es aufführen können.

Es gibt keine spektakulären Szenen und für die Oper typischen Konflikte; die Grundlage sind vielmehr tiefe Gefühle und innere Erfahrungen der Charaktere. Die Zuschauer werden durch die Ausdruckskraft der künstlerischen Mittel und den Sinn für ergreifende Emotionen erobert.

Jede Szene zeigt eine andere Emotion und einen anderen geistigen Zustand der Figuren. Die Gefühlswelt, die ausdrucksstarke Musik und der brillanten Text machen Eugen Onegin zu einer starken, erhabenen und poetischen Oper. Ich würde sagen, es ist Poesie in Musik, Gefühle in lyrischer Verkörperung. All dies zusammen lässt das Publikum nicht nur die Schönheit der klassischen musikalischen und literarischen Kunst spüren, sondern auch die Schönheit der einfachen menschlichen Gefühle.

 Die Produktion des Theater Gießen offenbart den Akademismus der Inszenierung. Die Regisseurin Ute M.Engelhardt legte den Hauptstil der Interpretation fest-näher am Original, das von Forschern als „zentripetaler Trend“ bezeichnet wird.

EUGEN ONEGIN hier Grga Peroš, Jana Marković, Opernchor & Extrachor @ Lena Bils

Die traditionelle Inszenierung hat sich beim Publikum als gelungen und erfolgreich präsentiert. Dies gelang, weil der Fokus auf die drei Hauptdarsteller gerichtet wurde, sodass das Publikum mitgerissen und zum Mitfühlen bewegt wurde. Die psychologischen Portraits der Hauptfiguren sind überzeugend und wurden professionell ausgearbeitet. Auch die Soli- und Ensemble-Szenen sind interessant, da sich die Charaktere in ihnen entwickelten und miteinander interagierten.

Leider hat sich die Regisseurin an Stereotypen orientiert, wie etwa dem Klischee, dass Russen viel trinken. In der ersten Szene sollten die Bauern den Wein für Ihre Gesänge erst erhalten und nicht bereits vorher. Generell stand die damalige Gesellschaft stark unter dem Einfluss der europäischen Kultur, und der Überfluss an hochprozentigem Alkohol war nicht üblich. Das Gleiche gilt für Lenski und Onegin, die eigentlich, der Handlung nach, zur oberen sozialen Schicht gehörten.

Die Kostüme von Christian Andre Tabakoff sind zeitlos und passen sehr gut ins Konzept.

Die Bühne, gestaltet von Lukas Noll, ist eine rundum gelungene Arbeit, abgesehen von der Auswahl des Bühnenbilds für den letzten Akt. Die Verbindung der Handlung zum Grabmal des unbekannten Soldaten bleibt für das Publikum unklar, und offensichtlich ist die Bedeutung dieses Denkmales in der Geschichte dem Bühnenbildner leider unbekannt.

EUGEN ONEGIN hier Szenefoto @ Lena Bils

 Insgesamt wirkt die Aufführung sehr organisch. Hervorzuheben ist, dass alle Hauptrollen von Ensemblemitgliedern besetzt wurden, die mit großer Spielfreude, guten stimmlichen Fähigkeiten und einem tiefen Verständnis für ihre jeweilige Rolle äußerst überzeugend wirkten.

 Jana Marković schuf ein schönes und authentisches Bild von Olga. Clarke Ruth als Fürst Gremin hat eine gute Kantilene und tiefe Töne gezeigt.

Judith Christ-Küchenmeister und Monica Mascus verkörperten jeweils Larina und Filipjewna. Die beiden Darstellerinnen waren szenisch präzise und einfühlsam.

Lenski, gespielt und gesungen von Michael Ha, eroberte bereits mit seinen ersten Momenten auf der Bühne die Herzen der Zuschauer. Es war unmöglich, diesem Lenski nicht zu glauben und kein Mitgefühl für ihn zu empfinden. Seine Stimme fühlt sich in der Rolle sehr wohl, sein Gesang ist emotional und zeigt eine umfangreiche Palette von Farben.

Julia Araújo verkörperte Tatjana. Das Wichtigste für diese Rolle ist, dass die Sängerin in der Lage ist, die besondere innere Schönheit und die „Schönheit des Leidens“ zu vermitteln. Ihre Darbietung war lebendig, echt, poetisch, gleichzeitig expressiv und absolut glaubwürdig. Sie füllte den Notentext mit der Wärme ihres Timbres, und war besonders gut in lyrischen Momenten. Allerdings ist ihre Stimme noch viel zu leicht, es fehlen die Fülle und Kraft, um die dramatischen Szenen mit intensivem Orchester zu bedienen.

Die Hauptrolle von Onegin wurde vom Bariton Grga Peroš auf einem würdigen Niveau gesungen. Seiner leicht höflicher und äußerst kalter Onegin am Anfang überzeugte stimmlich voll und ganz -ebenso wie seine leidenschaftlichere Darstellung zum Schluss. Seine Stimme füllt den Zuschauerraum, hat eine sehr passende Farbe für die Rolle, die Aussprache ist makellos und sein Piano beim hohen Ton am Ende seiner Arie war wunderbar.

Besonderes Lob verdient die ausgezeichnete akribische tägliche Arbeit der musikalischen Einstudierung, die Evgenij Ganev mit Schwerpunkt auf Aussprache und Stil geleistet hat.

Der Chor und Extrachor, geleitet von Moritz Laurer waren nicht nur bestens vorbereitet, sondern hatten auch einen schönen, saftigen Klang.

Die Besonderheit der musikalischen Sprache der Oper besteht darin, dass das Orchester die gesamte Tiefe der Gefühle und Erlebnisse der Charaktere ausdrücken soll. Besonders gilt das für die Welt der poetischen Träume und Sehnsüchte von Tatjana. Und diese Herausforderung wurde bestens erfüllt.

Das Orchester unter der Leitung von Maestro Vladimir Yaskorski klang volltönend sowie fein und ausdrucksstark, da wo es angebracht war. Der Dirigent zeigte sich nicht nur als sehr musikalisch, er atmete buchstäblich gemeinsam mit jedem Sänger.

Die Reaktion des Publikums am Ende der Aufführung waren sehr eindeutig- die zahlreichen „Bravo“-Rufe und der sehr lange Applaus deuten darauf hin, dass die Produktion erfolgreich war und dem positiven Ruf des Theaters zusätzliche Pluspunkte verleihen wird.

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Hamburg, Staatsoper, DER FREISCHÜTZ - C. M. von Weber, IOCO

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