Gießen, Stadttheater Gießen, DIE PERLENFISCHER - Georges Bizet, IOCO

Giessen- Die Perlenfischer: Georges Bizet (1838 - 1875 ein herausragender französischer Komponist der Ära der Romantik. Sein Lebensweg war steinig und voller Hindernisse - um seinen Lebensunterhalt als Musikkomponist zu verdienen, schonte er sich nicht.....

Gießen, Stadttheater Gießen, DIE PERLENFISCHER - Georges Bizet, IOCO
Stadttheater Giessen © Rolf K. Wegst

von Alla Perchikova 

Georges Bizet (1838 - 1875), ein herausragender französischer Komponist der Ära der Romantik. Sein Leben war nicht mit Rosen übersät, sein Lebensweg war steinig und voller Hindernisse - um seinen Lebensunterhalt als Musikkomponist zu verdienen schonte er sich nicht, arbeitete 15-17 Stunden am Tag.

Goerges Bizet Grabstätte in Paris @ IOCO

 Dennoch, trotz aller Schwierigkeiten und dank seines außergewöhnlichen Talents, schuf Bizet so großartige Werke, die heute Hunderte von Millionen Menschen auf der ganzen Welt begeistern. Es vergingen viele Jahre, bevor der Name Bizet den Platz einnahm, der ihm verdientermaßen unter den anderen größten Komponisten der Welt gebührt. Sein zeitiger Tod im Höhepunkt seines Schaffens, mit nur 36 Jahren, war ein unersetzlicher und äußerst trauriger Verlust für die gesamte Musikszene weltweit.

Nach dem Tod des Komponisten gingen viele seiner Manuskripte verloren, was Anlass zu verschiedenen Korrekturen auch in der Partitur der Oper Die Perlenfischer gab, von denen einige weit vom Original entfernt waren. Erst im 20. Jahrhundert gelang es, das Werk wieder mehr ihrem ursprünglichen Zustand anzunähern.

Die Perlenfischer war seine erste abgeschlossene Oper, die leider das Schicksal hatte, im Schatten ihrer erfolgreichen jüngeren Schwester Carmen zu stehen. Dies mindert jedoch keineswegs ihre melodische Schönheit, die feinen Nuancen der Instrumentierung und das prächtige Zusammenspiel unvergesslicher Arien und Duette.

Dem 24-jährigen Komponisten Georges Bizet ging es lange Zeit nicht besonders gut - er träumte davon, eine große Oper zu schreiben, aber jedes Mal lief etwas schief. Seine erste Oper, „La maison du docteur“, die er im Alter von 16 Jahren geschrieben hatte, wurde nie aufgeführt. Sein zweites Werk, die Operette Le docteur Miracle, nahm an einem Wettbewerb teil, der vom Musikmeister Jacques Offenbach organisiert wurde, und diesen gewann, wodurch sie das Recht erhielt, im Théâtre des Bouffes-Parisiens aufgeführt zu werden. Im Stil von Donizettis Don Pasquale wurde die nächste Oper, Don Procopio, geschrieben, die erstmals nach Bizets Tod aufgeführt wurde. Im Jahr 1862 begann der Komponist mit der Arbeit an Ivan IV, einer Oper über den russischen Zaren Ivan dem Schrecklichen, verschob sie jedoch für mehrere Jahre, da er schließlich einen Auftrag für die Aufführung in der Opéra-Comique zu einem Libretto der bekannten Autoren Jules Barbier und Michel Carré mit dem Namen La guzla de l’émir (Die Zither des Emirs) erhielt.

Die Perlenfischer - Stadttheater Giessen - Copyright: Daniel Regel

Die Proben begannen, während derer Bizet ein Angebot vom konkurrierenden Théâtre Lyrique bekam, eine vollständige dreiteilige Oper zu komponieren. Das Theater wählte das Libretto aus - es stammte von Eugène Cormon und demselben Michel Carré zu einem damals modischen Thema exotischer Länder. Ursprünglich spielte die Handlung in Mexiko, wurde dann aber nach Ceylon (das heutige Sri Lanka) verlegt. Der Komponist begriff sofort, dass dies die Chance war, auf die er sein ganzes Leben gewartet hatte. Doch das großzügige Angebot hatte auch harte Bedingungen - die Oper sollte das Bühnendebüt eines aufstrebenden Autors werden, daher sagte Bizet ohne zu zögern die schwache Inszenierung von Die Zither des Emirs ab und stürzte sich mit Begeisterung in die Schaffung von Die Perlenfischer. Die Oper wurde in weniger als 5 Monaten geschrieben.

Die Premiere fand am 30. September 1863 im Théâtre Lyrique statt. Die Kritik an der Neuheit war gnadenlos: Der junge Komponist wurde als Nachahmer von Verdi und Wagner bezeichnet. Den Pariser Musikwissenschaftlern gefiel der sanfte Klang im Stil von Weber und Offenbach, während die Orchestrierung von Bizet als schwer, laut und überladen empfunden wurde, sie nannten sie "Fortissimo in drei Akten".

Aber das Publikum war von den eingängigen Melodien und der exotischen Inszenierung begeistert. Auch berühmte Zuschauer stellten sich auf die Seite der Oper: zum Beispiel Hector Berlioz äußerte sich wohlwollend. Alle 18 Aufführungen von Die Perlenfischer waren ohne Zweifel erfolgreich. Trotzdem wurde die Oper zu Lebzeiten Bizets nie wieder aufgeführt.

Erst im Jahr 1886 wurde sie ins Italienische übersetzt und in der Mailänder Scala aufgeführt, woraufhin andere Theater plötzlich Interesse am Werk von Bizet fanden. Da die Wiedergeburt der Oper in italienischer Sprache stattfand, wurde Die Perlenfischer sogar 1889 zurück ins Französische übersetzt und erneut in Paris aufgeführt. 1893 erklang die Oper dann wieder auf Französisch auf der Bühne der Opéra-Comique. 1889 wurde Die Perlenfischer auch dem russischen Publikum in Sankt Petersburg vorgestellt.

Das Interesse an der Oper führte zu zahlreichen Interpretationen ihres Finales. Die Autoren ließen es offen - Zurga blieb allein auf der Bühne. Aber viele Theater entschieden sich, das weitere Schicksal des Anführers klar zu definieren, und so entstanden verschiedene Enden. Das häufigste Ende war folgendes: Der Zeuge der Befreiung der Liebenden wurde zu einem geheimen Ankläger, der Zurga vor ein Volksgericht stellte, woraufhin dieser im Feuer starb. Der neue musikalische Abschluss wurde vom Komponisten Benjamin Godard gestaltet.

Die Perlenfischer - Stadttheater Giessen - Solisten und Orchester @ Daniel Regel

In einer deutschen Inszenierung der 1930er Jahre wurde ein alternativer Schluss erfunden, in dem Leila Selbstmord begeht. Im Jahr 1987 führte das Duett von Nadir und Zurga in England die Hitparade der besten Melodien an.

Im Januar 2008 wurde Die Perlenfischer erstmals in Sri Lanka aufgeführt - dem Handlungsort der Oper. Unter den Orchestermitgliedern und Sängern waren viele aus Sri Lanka. In den 1990er Jahren wurde die Dirigentenpartitur von Bizet entdeckt, die für die Uraufführung der Oper erstellt wurde.

Im Jahr 1916 sang Enrico Caruso, der berühmteste seiner Darsteller, die Rolle des Nadirs in der Metropolitan Opera. Es gab drei Aufführungen in italienischer Sprache, nach denen das Theater das Werk 100 Jahre lang vergaß - die nächste Aufführung fand erst im Jahr 2015 statt.

Die Perlenfischer beeindrucken am meisten mit der außergewöhnlichen kreativen Reife des Autors und seinem frischen und lebhaften Talent. Hier sind bereits all die Vorzüge vorhanden, die später seiner Carmen Ruhm und Erfolg einbringen werden: eine erstaunliche melodische Großzügigkeit, farbenfrohe Chorszenen und flexible, vielfältige Rezitative. Auch Die Perlenfischer wird sehr durch die dynamische Handlung verschönert. Alles wird nur von einem beeinträchtigt: das Libretto, das kaum einen dramatischen Wert darstellt.

Aber Bizet hatte kaum eine Wahl: In Paris gab es eine Nachfrage nach fernöstlicher Exotik, und ihm wurde Die Perlenfischer in Auftrag gegeben. Übrigens äußerten die Librettisten Eugène Cormon und Michel Carré nach der Premiere der Oper ihr Bedauern, denn beide hätten sich nicht besonders viel Mühe gegeben, da der Name Bizet bis zu diesem Zeitpunkt niemandem etwas sagte.

Die Perlenfischer hierAnnika Gerhards als LeilaCopyright: Daniel Regel

Es gibt eine Liebesintrige im Plot, aber sie ist sehr klischeehaft. Es gibt keine starken Leidenschaften, keine Konfrontation und keine fesselnden Konflikte, die die Oper so spannend machen. Alle Protagonisten sind im Allgemeinen gute Menschen: liebevoll, selbstlos, edel und aufrichtig. Die Perlenfischer ist eine Geschichte darüber, wie edle Menschen mit dem Konflikt zwischen Liebe und Freundschaft, zwischen Gefühl und Pflicht, zwischen Treue zu sich selbst und Treue zu ihren Lieben umgehen. Dies nuanciert darzustellen, ist äußerst schwierig. Im Allgemeinen ist es viel schwieriger, gute Menschen auf der Bühne zu spielen, als ausgemachte Bösewichte darzustellen. Aber anderseits, stellt das offene Finale der Oper eine wunderbare Möglichkeit für den Regisseuren dar, sich zu entfalten. Und dramaturgisch gesehen erhält das Geschehen in der Oper mit einem entsprechend konzipierten Schluss erst seinen wahren Sinn.

Das Geschehen der Oper spielt formal auf der Insel Ceylon, aber in Wirklichkeit einfach in einer allgemeinen und daher auch falschen fernöstlichen Umgebung. Der Jäger Nadir behauptet, dass er auf Ceylon Tiger, Jaguare und Leoparden jagt. Alles auf Ceylon! (Anm.: lediglich Leoparden sind dort heimisch) Auch der Titel dieser Oper trägt keine bedeutungsvolle Last, sondern kündigt einfach an: Achtung, jetzt wird es exotisch! Bizet hat sich nicht der Versuchung hingegeben, sich kopfüber ins Exotische zu stürzen - er schrieb eine französische lyrische Oper mit einem sehr leichten und streng dosierten östlichen Farbton.

Er komponierte seine Die Perlenfischer praktisch am Libretto vorbei - und genau deshalb gelang es ihm, eine wundervolle, aufrichtige Musik zu komponieren und sich mit Ehre aus einer schwierigen Situation zu befreien. Es ist ihm gelungen, den Hauptfiguren und der Musik Individualität zu verleihen, den exotischen rituellen und häuslichen Szenen emotionale Kraft und lebhafte Farben zu geben und die träumerische Poesie der Natur des Ostens einzufangen. Die Melodien der Die Perlenfischer beeindrucken durch ihre Schönheit und Anmut. Die besten unter ihnen sind eine Bereicherung für jedes Konzertprogramm.

Aber zurück zur Premiere im Stadttheater Gießen: der Abend der halb-konzertanten Aufführung war eine Offenbarung für alle Anwesenden. Diese Musik ließ niemandem gleichgültig. Orchester und Chor des Theaters haben auch bei dieser Produktion eine Spitzenleistung gebracht. Die Orchestermusiker unter der Leitung des Generalmusikdirektors Andreas Schüller, beeindrucken zutiefst mit breiter Farbpalette, vielfältigen Nuancen und großer Intensität des Klangs. Der Chor, geleitet von Moritz Laurer, ist musikalisch bestens vorbereitet. Der Chorgesang hat in dieser Oper eine sehr wichtige Rolle.

Die Rolle des Nadirs ist eine richtig große Herausforderung für jeden Tenor. Michael Ha zeigt Stimmwucht, beherrscht jedoch auch Falsett und Piano. Seine Stimme passt hervorragend zu dieser Rolle. Bernhard Hansky als Zurga ist der einzige Gast der Besetzung. Er ist ein sehr emotionaler Sänger, mit einer schönen lyrischen Baritonstimme. Er fügte sich perfekt ins Ensemble ein.

Die Rolle des Nourabat wurde von Clarke Ruth gesungen. Und auch hier wurde wieder ins Schwarze getroffen. Eine starke und saftige Stimme kam durch das Orchester und passte charakteristisch zu der Figur des Priesters. Annika Gerhards als Leila hat durch ihre Musikalität, wunderbare Höhen und Erscheinungskraft einen charismatischen Eindruck hinterlassen. Das reduzierte Bühnengeschehen hat Mathilde Lehmann gestaltet.

Durch die akustischen Effekte, wie die Platzierung des Chores und der Hauptdarsteller sowie deren Interaktion, wurde der Premierenabend sehr dynamisch, atmosphärenvoll und zu einem Erlebnis gemacht.

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