Gelsenkirchen, Musiktheater im Revier, On the Town - Schräger Humor, Tanz, Jazz, IOCO Kritik, 04.02.2014

Gelsenkirchen, Musiktheater im Revier, On the Town - Schräger Humor, Tanz, Jazz, IOCO Kritik, 04.02.2014
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Musiktheater im Revier Gelsenkirchen

Musiktheater im Revier Gelsenkirchen © MiR Musiktheater im Revier
Musiktheater im Revier Gelsenkirchen © MiR Musiktheater im Revier

On the town -  Getanzte Lebensfreude

Leonard Bernstein, 1918 – 1990, war ein großer Komponist, Dirigent. Orchesterwerke, Messen oder Kammermusik machten ihn früh berühmt. Doch erst  Musicals machten ihn zum zeitlosen Weltgeist. On the Town (1944), Bernsteins erstes Bühnenwerk, war

inmitten des 2. Weltkriegs auf Anhieb ein großer

Erfolg. 436 Broadway-Vorstellungen und spätere Verfilmungen mit Gene Kelly und Frank Sinatra machten Bernstein zum Star. Nicht sein breit angelegter musikalischer Genius bringt ihm bleibenden Ruhm, sondern Musicals rund um West Side Story (1957).

70 Jahre nach der Uraufführung inszenierte das Gelsenkirchener Musiktheater im Revier das nur selten gespielte On the Town. Die Handlung des Stückes ist unterhaltungsreich und gefühlsbetont: Drei einfache Seeleute, Gabey, Chip und Ozzie, haben 24 Stunden Landgang, um im prallen New Yorker Leben der 40er Jahre ihr großes Glück zu suchen. Gabey verliebt sich in das Konterfei der in New York monatlich auf großen Plakaten ausgelobten „Miss U-Bahn“. Die Freunde Ozzie und Chip versprechen, Gabey bei der Suche nach „Miss U-Bahn“ alias Ivy Smith zu helfen. Verabredet für den nächsten Tag 11 Uhr auf dem Times Square erleben die drei getrennt volles New Yorker Leben dabei begleitet von Swing, Jazz, Gesang, skurrilen Dialogen und viel Tanz.

MiR / On the Town / Drei Seeleute auf Landgang © Thilo Beu
MiR / On the Town / Drei Seeleute auf Landgang © Thilo Beu

Mit verschieden großen Kisten und Kästen als zentralem Bühnenbild (Jürgen Kirner)   bringen Regisseur Carsten Kirchmeier und  Choreographin Bridget Breiner den Facettenreichtum von On the Town unaufgeregt fließend auf die Drehbühne des MiR. Geschlossen bildeten die Kästen eine Art New Yorker Skyline, geöffnet verwandeln sie sich, broadwayhaft perfekt, in viele Spielorte: U-Bahn, Time Square, Taxi, Eddies Nachtbar,  ein  Naturkundemuseum mit riesigem Dinosaurier bis hin zum trauten Heim der gesuchten Miss U-Bahn. Über dreißig Darsteller bilden die zahlreichen Szenen ab.

Die eher klassisch ausgerichtete Neue Philharmonie Westfalen unter Rasmus Baumann kann auch Bernsteins Jazz und Swing. Die dominante Jazzartikulation des Stückes wird in synkopierten Rhythmen wie melancholischen Klangfarben authentisch gespielt. Fetzig wie sentimental zeigt die Neue Philharmonie Westfalen in On the Town die geschliffene Präzision einer bestens harmonierenden, modernen Big Band, die vielen Protagonisten dieses Musicals sensibel markierend.

MiR / On the Town © Thilo Beu
MiR / On the Town © Thilo Beu

Das Musical beginnt mit einer musikalischen Introduktion und einem müden aber, wie sich erst später herausstellen wird, höchst vielseitigem Vorarbeiter (Nikolai Miassojedov), welcher sich auf einer Kiste ausruht. Bridget Breiner illustriert in vielen Bildern filigrane wie kraftvolle Handlungen mit subtil humorvollen Untertönen. Rüttelnde U-Bahn Fahrten sind ebenso skurril choreographiert, wie Strassenszenen, Nachtclubaktivitäten oder der Times Square. Der kleine Ozzie (E. Mark Murphy) trifft in einem Naturkundemuseum seine kräftige Herzensdame, die Antropologin Claire (Dorin Rahardja) alias Brunhilde Esterhazy und ein riesiges Dinosaurier-Skelett. Dieses Skelett bricht am Ende zusammen und haucht in einem Nebel verbreitendem letzten Atemzug sein „Museumsleben“ aus. Ähnlich schräg humoresk entwickeln sich die Beziehungen von Gabey (Piotr Prochera) zur Miss U-Bahn Ivy Smith (Julia Schukowski) und der Taxifahrerin Hildy (Judith Jakob), welche Chip (Michael Dahmen) in ihre Wohnung "abschleppt". Einen eleganten Pas de deux in modernem Outfit konterkarieren parallel drei im klassischen Tutu zickende Balletttänzerinnen. Doch auch stimmlich überzeugt das MiR Ensemble in großen wie kleinen Partien. Piotr Procheras´ lyrisch sanftes Gabey´sComing ist nur eine von vielen Ohrenweiden. Das lebendig homogene MiR-Ensemble ist wahrer Star der Inszenierung.

MiR / On the Town / Nachtclub mit Ballett im Revier © Thilo Beu
MiR / On the Town / Nachtclub mit Ballett im Revier © Thilo Beu

Leise humoreske Gegensätze und Bewegung sind die mitreißenden Grundelemente dieser Inszenierung. Bridget Breiner, auch Ballettchefin im MiR, choreographiert Bernsteins „sprechende“ Musik konsequent und gibt On the Town so den packenden wie liebenswert verschmitzten Charakter. Der herrlich kultivierte Revuetanz  im Nachtclub (2. Akt, Bild) des Ballett im Revier ist nur einer der vielen choreographischen Höhepunkten eines Frohsinn-Stückes, welches mit dem Abschied der Seeleute von ihren Kurzzeitfreundinnen an der Mole von New York endet. Mit viel Herz und  wenig Schmerz. 

Mir / Premierenfeier / On the Town © IOCO
Mir / Premierenfeier / On the Town © IOCO

On the Town geriet im Musiktheater im Revier zu einem modernen, fröhlichen Musical. Das Publikum im ausverkauften Haus bedankte sich für Inszenierung, Darstellung und Gesang mit lang anhaltendem Beifall. Stolz, eine so starke Produktion mit weitgehend eigenem Ensemble und Orchester in Gelsenkirchen auf die Bretter zu bringen, wurde in der Premierenfeier lebhaft gefeiert.

Weitere Vorstellungen von On the Town:   8.2.2014; 9.2.2014; 14.2.2014; 20.2.2014; 23.2.2014; 1.3.2014; 2.3.2014; 7.3.2014; 9.3.2014; 16.3.2014; 27.4.2013; 7.5.2014;          1. Juni 2014

IOCO / Viktor Jarosch / 04.02.2014

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