Gelsenkirchen, MiR - Musiktheater im Revier - Frau ohne Schatten, IOCO Kritik, 05.10.2014
Musiktheater im Revier Gelsenkirchen
Die Frau ohne Schatten von Richard Strauss Premiere 28. 09. 2014 / besuchte Vorstellung 05.10.2014
Die Welt lag in Trümmern nach dem 1. Weltkrieg und Hugo von Hofmannsthal schrieb an einem wunderbaren Zaubermärchen, das die Basis wurde für eine der schönsten, aber auch gewaltigsten Opern des bayerischen Komponisten Richard Strauss. Das Stück wurde am 10. Oktober 1919 an der Wiener Staatsoper unter der Leitung von Franz Schalk uraufgeführt.
Die Kurzfassung der Vorgeschichte ist: Die Tochter des Geisterfürsten Kaikobad, die von ihm in eine Gazelle verwandelt war, wird vom Kaiser auf einer Jagd, mit Hilfe seines Falken erlegt. Sie verwandelt sich in menschliche Gestalt und der Kaiser macht sie zu seiner Kaiserin, die ihm aber leider keine Kinder gebären kann. Nun setzt die Handlung ein, dazu hier eine Kurzfassung.
Die Amme, ein Wesen aus der Geisterwelt, wacht über die Kaiserin. Der Geisterbote befragt sie, ob die Kaiserin schwanger ist (einen Schatten wirft). Falls nicht, würde der Kaiser zu Stein. Durch den Falken, erfährt davon die Kaiserin und befragt verzweifelt die Amme, wie sie zum “einem Schatten“ kommen kann. Es gibt nur einen Weg, bei den Menschen.
“Im Hause des gutmütigen Färbers Barak und seiner unzufriedenen Frau finden sie einen ungewollten Schatten und die Amme versucht, ihn der Färberin abzukaufen. Als die Beziehung der Färberleute durch die Intervention der Amme endgültig zu zerbrechen droht und der Schatten für die Kaiserin greifbar nahe ist, trennt eine überirdische Macht das Paar. Die Kaiserin wird einer Prüfung ihres Gewissens und ihrer Menschlichkeit ausgesetzt. Trinkt sie vom Wasser des Lebens, erhält sie den Schatten der Färberin und rettet ihren Mann. Trinkt sie nicht, können Barak und seine Frau doch noch glücklich werden. Doch der Kaiser wird auf ewig zu Stein.“ ( „“ Programmheft MiR)
Gelsenkirchens Hausherr Michael Schulz ist eine subtile, bildstarke und an aussagekräftigen Details reiche Inszenierung zu danken. Er lässt seine Inszenierung kurz vor Beginn des zweiten Weltkrieges spielen, was Sinn macht.
In dieser Zeit entstand ja das Werk, das nach dem Weltkrieg, 1919 uraufgeführt wurde. So ist der Beitrag zum Strauss-Jahr auch gleich Gedenken an den Beginn des 1. Weltkrieges vor 100 Jahren. Schulz versteht es die Massen zu bewegen, bei der Menge von Menschen auf der Bühne keine Kleinigkeit. Was die Chöre und die Statisterie leisten, ist schon enorm.
Aber es ist auch eine Inszenierung der zahllosen kleinen Gesten. Zum Beispiel wenn die Kaiserin staunend die Utensilien in der Färberbehausung wahrnimmt, oder an einem Stück Seife riecht. Anrührend ist es wenn die meist geifernde Färberin ihrem Mann fast zärtlich durchs Haar streicht.
Das Bühnenbild von Dirk Becker gleicht einer Fabrikhalle. Die drei Mauern sind Stahlgerüste, und dahinter gibt es Spiegelwände, was ungeheuer effektvoll ist. Dem Färber stehen große Zinkwannen, Eimer und andere Behältnisse zur Verfügung. Hier werden keine Stoffbahnen gefärbt, sondern Uniformen gewaschen und wieder hergerichtet. Aus diesem Lager wird später ein Lazarett. Die Kostüme entwarf Renée Listerdal.
Aber auch die musikalische Komponente war großartig. Das Orchester, die Neue Philharmonie Westfalen spielte festspielreif. GMD Rasmus Baumann verstand es mit spürbarer Musikalität und Klangsinn, dem Riesenorchester sinfonischen Atem einzugeben. Er hatte ein ideales Zeitmass. Alles blieb im Fluss, zu keiner Zeit lies die Spannung nach. Nie ging die thematische Deklamation verloren, weder in subtilen Passagen der Kaiserin, noch im Klangrausch der Verwandlungsmusik des 1. Aktes. Einer der orchestralen Höhepunkte, war das hymnische Quartett im Finale des 3. Aktes.
Ganz prächtig besetzt waren die vielen kleinen Rollen. Die Sänger der fünf Hauptpartien könnten auch an größeren Häusern Furore machen.
Yamina Maamar war die Kaiserin. Sie verfügt über einen klangvollen jugendlich-dramatischen Sopran, der aber nur gelegentlich in der hohen Lage grell wird. Ihr Spiel war sehr intensiv und glaubwürdig. Martin Homrich, groß und stattlich, was die Uniform noch unterstrich, war der stramme militaristische Kaiser. Er sang untadelig die heikle Tenorpartie.
Die zwischen zwei Welten stehende Amme wurde von Gudrun Pelker gestaltungsintensiv gespielt. Gleichermaßen überzeugend in der kriecherischen Ergebenheit, wie in der dämonischen Wildheit. Ihr großer dramatischer Mezzosopran schaffte die Partie mühelos und verlor selbst in extremen Höhen nicht an Volumen.
Sabine Hogrefe war die Färberin. Wie sie die von Launen und Unrast getriebene, ihr wahres Ich suchende Frau gestaltete und mit stimmlicher Prachtentfaltung bewältigte, verdient höchste Bewunderung.
Ihr zur Seite Urban Malmberg als Barak, mit noblem, schlanken Bariton, jede Nuance seiner kantablen Partie auskostend, der aber in den Klanggipfelungen gelegentlich Mühe hatte durchzukommen. Er spielte sehr anrührend und wusste den schlichten Charakter der darzustellenden Figur heraus zu modellieren.
Diese Sonntagnachmittagvorstellung fand ein begeistertes Publikum, dass die Großtat des Musiktheaters im Revier zu würdigen wusste.
IOCO / UGK / 05.10.2014
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