Frankfurt, Oper Frankfurt, MACBETH - Giuseppe Verdi, IOCO
MACBETH an der Oper Frankfurt: Es war seine Lieblingsoper: Macbeth. Giuseppe Verdi beauftrage 1846 Fancesco Maria Piave mit dem Libretto, die Uraufführung fand 1847 in Florenz statt .....
von Ljerka Oreskovic Herrmann
Es war seine Lieblingsoper: Macbeth. Giuseppe Verdi beauftrage 1846 Fancesco Maria Piave mit dem Libretto, die Uraufführung fand 1847 in Florenz statt, doch sie blieb ohne größeren Zuspruch, bei den Kritikern fiel die Oper durch. Erst die Aufführung von 1865 in Paris in einer französischen Fassung und ihre von Verdi veranlasste Rückübersetzung ins Italienische sicherten der Oper (vor allem im 20. Jahrhundert) eine dauerhafte Verankerung im Spielplan.
Verdi hatte sich immer für das Werk von William Shakespeare begeistert und Macbeth ist seine erste Auseinandersetzung mit den komplexen Schauplätzen und Figuren des englischen Dramatikers. An seinen Librettisten schrieb er: „Die Tragödie ist eine der größten menschlichen Schöpfungen.“ Wie man das Böse musikalisch darstellt, ohne es zu verharmlosen, bedeutete, die musikalische Schönheit zugunsten des Strebens nach Wahrheit zu vernachlässigen; dabei verrät Verdi seine Figuren nie, ihre Abgründe sollen ja geradezu erkenn- und hörbar werden. Mit dieser konsequenten Ausrichtung beschreitet der Komponist neue Wege, die die Konventionen der italienischen Oper verlassen, statt Liebreiz herrscht brutale Expression.
Macbeth der Oper Frankfurt, die besprochene Vorstellung spielt in keiner Burg (in Joel Coens Verfilmung The Tragedy of Macbeth von 2021 war noch ein abstraktes Gemäuer zu erahnen, das Assoziationen daran weckte und die Kälte und Leere ihrer Protagonisten repräsentierte); es gibt kein Schottland, kein Frühmittelalter, dafür Halloween, in denen natürlich Hexen aber nicht die Shakespeareschen vorkommen, und ein buntes Weihnachtsfest, bei dem allerdings keine echte Lebensfreude, stattdessen Vergnügungssucht, aufkeimt. Vielmehr spiegelt das Bühnenbild von Etienne Pluss einen „clean chic“ der Innenarchitektur wider – gedämpfte Farben dominieren die großzügige Raumgestaltung, es ist ein Loft oder Penthouse ohne genauere Verortung, aber mit einem mächtigen Ausblick auf einen Wald oder Park im Hintergrund. Der Raum ist dreigeteilt in einen weitläufigen Wohnraum, eine moderne Küche und einen weiteren Nebenschauplatz, in dem eine Treppe nach unten führt und wo der Mord an König Duncan begangen wird. Der räumlichen Dreiteilung entsprechen drei immer kleiner werdende Monitore, die einen Trickfilm-Totentanz aufführen, zum Schluss echte, aber nicht zuzuordnende Kriegsbilder zeigen und vom österreichischen Filmemacher Roland Horvath (rocafilm) umgesetzt wurden.
Macbeth und Lady Macbeth tragen Luxury Loungewear – klingt gefälliger als Schlabberlook, überdeckt aber nur mühsam die darin zum Ausdruck kommende Respektlosigkeit –, derweil das Personal von Kostümbildnerin Doey Lüthi in schwarz-weiße Uniformen gesteckt wurde. Dies versinnbildlicht die Sicht des amerikanischen Regisseur R.B. Schlather, er zeigt ein zeitgenössisches Gesellschaftsbild, die Herrschaft erlaubt sich Lässigkeit, während die Dienerschar in ihrer Ausstattung zur ununterscheidbaren Masse wird, ohne irgendeinen Anflug von Individualität. Ganz besonders sticht es ins Auge, als sich König Duncan mit seinem Gefolge ankündigt und der heldenhafte Macbeth ihn im weißen, herunterhängenden Bademantel, der den Blick auf die Unterwäsche freigibt, empfängt. Auch Lady Macbeth – im Seidenpyjama mit passendem Bademantel und Pantoffeln – kleidet sich nicht um, sie ist zu sehr von ihrem Handy gebannt, als dass sie sich tatsächlich Duncans Hofstaat widmen könnte oder wollte.
Die Beiläufigkeit der Erzählung um Macht wird besonders auffällig, etwa wenn Lady Macbeth nach den Gewalttaten, die vermeintlichen an ihren Händen klebenden Blutflecken in der Küche abzuwaschen versucht. Es ist eine zentrale Szene und Arie „Una macchia è qui tuttora“, aber sie wirkt banal. Hannah Arendts gern zitierter Satz erhält hier tatsächlich seine plastische Ausgestaltung: Dieses Paar will Macht, doch wofür eigentlich?! Ihr Drang wirkt letztlich ziellos. Für den Regisseur haben die beiden „keine moralische Mitte, nichts, was sie davon abhielte zu Mitteln der Gewalt zu greifen. In der Gewalt liegt Verzweiflung.“ Und so drangsaliert das kinderlose Ehepaar die anwesenden Kinder beim Weihnachtsfest, etwas anderes als die Gewaltexzesse wird von ihnen nicht in Erinnerung bleiben. Denn natürlich wird auch dieser Macbeth von Gewissensbissen aufgefressen und Weissagungen erfüllen sich. Macbeth und seine Lady gehen jämmerlich unter. Die Ehe ist auf Grenzenlosigkeit gegründet, die erste Überschreitung zieht immer neue nach sich.
Während Schlather seinen Fokus auf das Paar legt, ist bei Verdi Lady Macbeth die zentrale Figur. Und diese erscheint, vom Regisseur nicht geplant, in doppelter Gestalt: Tamara Wilson hatte, wie Intendant Bernd Loebe ankündigte, zur Premiere keine Stimme mehr, spielt aber, während Signe Heiberg, an den rechten Orchesterrand platziert, singt. Dass es gut funktioniert verdankt sich dem Einsatz beider Sängerinnen und veranschaulicht was Oper ausmacht: echte Menschen, die im Hier und Jetzt auftreten. Tamara Wilson (verkörpert auch die 2. Erscheinung) verleiht dieser Lady eine gewisse Lakonie und Trostlosigkeit, von der sie umgeben ist, darüber täuscht ihr skurriles Nikolauskleid am Weihnachtsabend nicht hinweg – im Gegenteil. Heiberg singt einfach nur grandios, in ihrer Stimmführung und klanglichen Präsenz, souverän vom Orchester begleitet, bringt sie die Dämonie ihrer Figur intensiv zum Ausdruck und zu hoffen ist, dass sie eine weitere Verpflichtung in Frankfurt bekommt – der Applaus für die Leistung beider war jedenfalls eindeutig. Dies gilt uneingeschränkt für alle Mitwirkenden, die übrigens ihr Rollendebut geben, zuvorderst für den hervorragenden Nicholas Brownlee; der Bassbariton zeigt diesen Macbeth als verzweifelnde und verzweifelte Gestalt, der zwar Halt sucht, ihn aber nirgendwo finden kann, optisch eindrucksvoll in einer Szene am Anfang umgesetzt. Macbeth lehnt an einer Säule, sein sich krümmender Schatten verdoppelt die innere – klanglich ausgereizte und schmerzhafte – Kompasslosigkeit und Zerrüttung dieses Mannes. Nicht nur für dieses Schattenspiel sorgt die gewohnt ansprechende Lichtgestaltung von Olaf Winter.
Kihwan Sim ist als Banquo der Gegenspieler, der der Zügellosigkeit Macbeths das Wissen um seinen Untergang entgegenstemmt und mit seinem klangvoll-sonoren Ausdruck Paroli aufbieten kann. Matteo Lippi als Macduff hat zwar einen kurzen, aber gesanglich wie darstellerisch beeindruckenden Auftritt. Weitere Sänger und Sängerinnen sind Kudaibergen Bildin als Malcolm, Pilgoo Kang als Diener, Mörder und Herold, Aslan Diasamidze als König Duncan und 1. Erscheinung.
Juval Langheim-Halaf, der als Fleance und 3. Erscheinung zu sehen ist, ist Solist des Kinderchores (Einstudierung Kinderschorsoli Anna Ryberg). Für die Choreographie war Gal Fefferman zuständig, die Tänzerinnen sind Emma Ibáñez, Federica Faini und Madeline Ferricks-Rosevear. Karolina Bengtsson als Kammerfrau der Lady Macbeth und Erik van Heyningen als Arzt müssen erkennen, dass ihre Herrin zunehmend dem Wahn verfällt, aber zu ihrem größeren Entsetzen erfahren, dass diese erhebliche Schuld auf sich geladen hat.
Für den hervorragend einstudierten Chor, der am Ende die treibende Kraft bei dem Untergang der Macbeths ist, ist Manuel Pujol verantwortlich und für die musikalische Leitung GMD Thomas Guggeis. Unter seiner Leitung spielt ein exzellent aufgelegtes Frankfurter Opern- und Museumsorchester. Guggeis, der sich besonders für die Struktur eines Werkes interessiert, wie er es bei einem Gespräch im Kuratorium Kulturelles Frankfurt (Tochterinstitut der Polytechnischen Gesellschaft) betonte, vermag es das große Ganze, das Grauen und die Banalität musikalisch zu evozieren. Die Balance haltend, den einzelnen Stimmen, dem Machtgeraune des mörderischen Ehepaars, ihrer Seelenqualen, und der sich daraus ergebenden Spannung atemraubende Klangrede verleihend, erzählt die Musik alles, was sich in der Tragödie, die den Untergang der Macbeths am Ende besiegelt, abspielt. Und ja, auch dieser Verdi besitzt Schönheit, von Guggeis und dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester berückend wiedergeben, aber es ist eine sehr dunkle Schönheit, in der Bosheit, Gier und Leiden wie auch Schuld und Sühne zu finden und zu hören sind.
Ein überwältigender musikalischer Abend, der dem GMD und seinem Orchester fast den größten Applaus bescherte