Figueres, SALVADOR DALÍ - ein Hausbesuch, IOCO Aktuell

FIGUERES. In der nordspanischen Region Katalonien ist Figueres (spanisch: Figueras) hauptsächlich als Geburtsort von Salvador Dalí bekannt. Das Geburtshaus des surrealistischen Künstlers, die Casa Natal Salvador Dalí, präsentiert seit kurzem fesselnd Leben und Wirken des katalanischen Genies.

Figueres, SALVADOR DALÍ - ein Hausbesuch, IOCO Aktuell
SALVADOR DALÍ - Geburtshaus in Figueres @ Hanns Butterhof

Das Geburtshaus von Salvador Dalí in Figueres präsentiert fesselnd Leben und Wirken des katalanischen Genies

von Hanns Butterhof

In der autonomen nordspanischen Region Katalonien, wo die dreisprachigen Speisekarten oft nur auf Català, Englisch und Französisch gedruckt sind, ist der Hauptort der Alt Empordà, die 46.000 Einwohner-Stadt Figueres (spanisch: Figueras), hauptsächlich als Geburtsort von Salvador Dalí bekannt. Salvador Felipe Jacinto Dalí i Domènech, 1982 zum Marqués de Dalí de Púbol erhoben, wurde hier am 11.5.1904 geboren, wo er auch am 23.1.1989 starb. Der Maler, Grafiker und Bildhauer gilt als einer der Hauptvertreter des Surrealismus, war aber aus ästhetischen und politischen Gründen auch stets umstritten.

Sein Geburtshaus, ein imposantes, vierstöckiges Stadthaus des modernistischen Architekten Josep Azemar (1862 – 1914) in der Carrer Monturiol 6, wurde von der Stadt ab 1917 Stockwerk für Stockwerk aufgekauft und am 20.10.2023 nach fünf Jahren Planungs- und Bauzeit als Casa Natal Salvador Dalí der Öffentlichkeit übergeben. Jetzt präsentiert es in drei Stockwerken eindringlich das Leben und Wirken des vielseitigen Künstlers und leuchtet als jüngster Stern neben dem Dreigestirn von Teatre-Museu Dalí in Figueres, dem Salvador Dalí-Haus in Port Lligat und dem Gala Dalí Haus-Museum in Púbol als lebendigster, am wenigsten musealer Ort der Dalí-Verehrung.

Die Casa Natal Salvador Dalí erzählt sein Leben ohne aufgeblasenen Kuratoren-Sprech mit avanciertester, die Betrachter fesselnder Laser-Technik als Heldengeschichte. Ein Audioguide leitet die Besucher auf dem knapp eineinhalbstündigen Rundgang. Eine Tür öffnet sich, und man betritt einen kleinen Raum, der sich, nachdem sich die Türe wieder geschlossen hat, mittels Laser-Technik weitet und den Eindruck vermittelt, dass man mitten in einer erfüllten, vom Audioguide erläuterten Welt steht. Dann erlischt das Licht wieder, ein Vorhang öffnet sich, und wie an der Hand genommen wird man weiter in den nächsten Raum geleitet. Bei der Passage werden viele der mit altmeisterlicher Präzision gemalten Bilder Dalís lebendig, Tiger springen aus ihrem Platz im Gemälde, spinnenbeinige Kamele balancieren an deren Horizont, und es würde nicht überraschen, wenn sich Dalís aus dem Fenster schauende Schwester umwenden und den Betrachtern zuwinken würde.

Als ersten betritt man einen kleinen Raum, den die Laser-Installation jäh in das große Notariatsbüro verzaubert, das der von Dalí als autoritär erlebte Vater Salvador Dalí Cusi (1872 – 1950) dort betrieb; anspruchsvoll inszeniert erscheint er als geschäftiger Avatar hinter seinem wuchtigen Schreibtisch. Dann geht es eine Treppe höher in die Privaträume der Familie, in denen Dalí Kindheit und Jugend verbrachte. Diese Räume sind weitgehend original wieder hergestellt, das schlichte Badezimmer, das erfreulich unanimierte, nach Dalís eigenen Beschreibungen rekonstruierte Geburtszimmer wie auch die Küche und das Esszimmer, von wo aus man durch ein Fenster sehen kann, wie der dreijährige Salvador zu seiner früh verstorbenen Mutter Felipa (1874 – 1921) läuft. An der Wand finden sich Bilder Dalís von seiner Familie, vor allem der Schwester Anna Marie (1908 - 1989), seinem ersten und lange Zeit wichtigsten Modell. Ein Raum ist als Klassenzimmer mit Schulbänken gestaltet und informiert über Lehrer und Schulfreunde.

ANNA MARIE - die Schwester @ Hanns Butterhof

Über einige Stufen gelangt man dann in einen mit Bildern aus dem Privatleben gepflasterten Raum, mit den Freunden Federico Garcia Lorca (1898 – 1936), der von spanischen Faschisten ermordet wurde, und dem Regisseur Luis Buñuel (1900 – 1983), mit dem Dalí 1929 den Film „Ein andalusischer Hund“ drehte, sowie der Schwester Anna Marie; zu allen dreien wünschte man sich eingehendere Informationen, wie überhaupt die von Verehrung geprägte Perspektive auf Dalí wenig Raum für vertiefte Informationen über die Art seiner Beziehungen lässt. Das trifft letztlich selbst auf seine Ehefrau und Muse Gala Élouard Dalí (1894 – 1982) zu, auf die zwar näher eingegangen und deren Verhältnis in einer schönen Animation als ineinander verfließende Portraits dargestellt, aber nicht viel näher erläutert wird als damit, dass sie die Schwester als bevorzugtes Modell ablöste.

Dalís vielgestaltige Persönlichkeit wird im weiteren noch in vielen Bildern und Filmen gezeigt. Sein Flirt mit der Pop-Kultur ließ ihn selber zu einem Pop-Star werden, der mit Stars aller Sparten verkehrte wie dem Box-Weltmeister Muhammad Ali (1942 – 2016),  dem Künstler Andy Warhol (1928 -1987), der Schauspielerin Gina Lollobrigida (1927 - 2023) oder dem spanischen Diktator Francisco Franco (1892 -1975). Alles, auch seine wahnsinnigen Performances, bei deren Anblick man heitere Distanz zu der eigenen Seriosität gewinnen kann, alles zeigt Dalí als tausendfach einzigartig. Ein aus vielen kleinsten Einzelbildern zusammengepuzzeltes Dalí-Portrait, das auf eine von ihm selbst verwendete Methode verweist, bringt das gelebte Paradox treffend zum Ausdruck.

GALA in Haus von Dalí @ Hanns Butterhof

Wenn dann die Lebensgeschichte durch die Ideengeschichte Dalís abgelöst wird, hat die Laser-Technik ihren wirklich großen Auftritt. Ein rot gerasterter, scheinbar in alle Richtungen unendlicher Raum führt wie in das Gehirn des Künstlers, der sich für alles aufregend Neue in den Wissenschaften interessiert, von Sigmund Freuds (1856 -1939) Traumdeutung über die Relativitätstheorie von Albert Einstein (1879 – 1955), die er sich extrem eigenwillig für die Gestaltung seiner Werke zunutze machte, bis zur Hologramm-Technik, die beeindruckend wirklichkeitsnah an einem wie im Nichts kreiselnden Felsblock der katalanischen Küstenlandschaft demonstriert wird -  einfach umwerfend!

Im obersten Stockwerk dann ein letzter Höhepunkt. Ein Raum versetzt die Besucher an die weite katalanische Landschaft der Empordà und die Küste mit ihren surrealistischen Felsformationen beim nahen Cadaqués. Der Tramontana-Wind bläst hörbar, das Meer rauscht, und Photos der Landschaft werden bruchlos mit Motiven Dalís überblendet. Während man mit den Füßen im Meerwasser zu stehen scheint, sprudeln die regionalen Inspirationsquellen Dalís mächtig um den eigenen Kopf und machen eindrucksvoll deutlich, aus welcher unverloren heimatlichen Welt Dalí in unserer weiten Welt schöpferische Kraft gewann.

Dalí Puzzle @ Hanns Butterhof

Der Durchgang durch die Casa Natal Salvador Dalí kann die eingehende Begegnung mit Dalís in alle Welt verstreuten Kunstwerken nicht ersetzen, aber den genialen Künstler in Beziehung zu diesen zu zeigen und für sie zu interessieren ist hier eindrucksvoll gelungen. Es ist unmöglich, von diesem Hausbesuch bei Salvador Dalí nicht gefesselt zu sein.

Casa Natal Dalí, Figueras: Öffnungszeiten: Von 1.6. bis 30.9. von Montag bis Sonntag 10 bis 19 Uhr, von 1.10. bis 31.5. von Dienstag bis Sonntag 10 bis 19 Uhr. Preise: Das Einzelticket kostet 15,00 €, ermäßigt 9,00 €, Kontakt: casanataldali.cat

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