Essen, Philharmonie Essen - Klavierfestival 2014 - Preziosen und Beethoven-Häppchen, IOCO Kritik, 07.07.2014

Essen, Philharmonie Essen - Klavierfestival 2014 - Preziosen und Beethoven-Häppchen, IOCO Kritik, 07.07.2014
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KLAVIER-FESTIVAL RUHR 2012PHILHARMONIE ESSEN

Markus Becker -  Piano, Bochumer Symphoniker, Steven Sloane 07.07.2014

Preziosen und Beethoven-Häppchen

Klavierfestival Ruhr 2014 / Becker Markus © Roland Schmidt
Klavierfestival Ruhr 2014 / Becker Markus © Roland Schmidt

Das an Höhepunkten reiche Klavier-Festival Ruhr 2014 setzte in diesem Jahr noch einen weiteren Höhepunkt drauf. Einer der Schwerpunkte war die Präsentation von Klavierliteratur für die “linke Hand“.

Die Werke, die man zu hören bekam, waren Auftragswerke des einarmigen Pianisten Paul Wittgenstein. Der aus einer sehr begüterten Familie stammende Wittgenstein konnte es sich leisten, renommierten Komponisten Aufträge zu erteilen. Er hatte im ersten Weltkrieg seinen rechten Arm verloren und wollte natürlich seine glanzvolle Pianistenkarriere fortsetzen.

So entstanden eine Vielzahl von Kompositionen speziell für die linke Hand. Ravel, Strauss, Prokofjew, Britten, Hindemith und andere “belieferten“ Wittgenstein. Viele dieser Kompositionen wurden beim diesjährigen Festival aufgeführt. Da gab es bekanntes, wie die Konzerte von Ravel und Prokofjew, aber auch unbekanntes, wie die beiden Werke von Alexander Tansman und Franz Schmidt, die am vergangenem Montag zu hören waren.

Die Bochumer Symphoniker unter der Leitung ihres Chefs, Steven Sloane, nahmen sich beider Werke an. Der Solist war der international gefragte deutsche Pianist Markus Becker.

Alexander Tansman kam im polnischen Lodz zur Welt. Er studierte in seiner Heimatstadt, wie auch in Warschau. 1919 ging er nach Paris, geriet dort unter die Fittiche von Maurice Ravel und befreundete sich mit Alexander Tscherepnin. 1940 musste er vor den Nazis flüchten. Im amerikanischen Los Angeles erreichte ihn der Auftrag für Paul Wittgenstein ein Konzert für die linke Hand des Klaviers und Orchester zu komponieren.

1943 schuf Tansman die “Piéce Concertante pour piano main gauche et Orchestre“. Das Werk wurde von ihm nicht vollendet. Erst 2008 erstellte der polnische Komponist Piotr Moss eine dreisätzige Fassung für Klavier und Orchester, die 2009 in Frankfurt uraufgeführt wurde. Nun konnte man das Stück hier in Essen im Rahmen des Klavierfestivals kennenlernen.

Die zweite Rarität an diesem Abend waren die “Konzertanten Variationen über ein Thema von Beethoven für Klavier (linke Hand) und Orchester des österreichischen Komponisten Franz Schmidt. Schmidt studierte in Wien. Achtzehn Jahre lang, bis 1914 war er Cellist bei den Wiener Philharmonikern. Der zu Lebzeiten erfolgreiche Komponist ist heute nur durch sein Oratorium. “Das Buch mit sieben Siegeln“ sowie durch seine Oper “Notre Dame“ bekannt.

Seine “Konzertanten Variationen“ wurden im Februar 1924 in Wien mit den Wiener Symphonikern und dem Auftraggeber Paul Wittgenstein als Solist uraufgeführt. Die beiden wirklich schönen und interessanten Stücke wurden hier durch Markus Becker sehr engagiert gespielt. Die Bochumer Symphoniker unter Steven Sloane begleiteten hoch motiviert.

Diese erfreuliche Begegnung mit den beiden Raritäten spezieller Klavier-Literatur war natürlich nicht abendfüllend. Man “ummantelte“ sie sozusagen mit Beethovens “Sinfonie Nr. 3, op.55“, der sogenannten “Eroica“.

In den 10 Jahren, in denen Steven Sloane den Bochumern als Chef vorsteht, ist das Orchester zu einem Perfektionsinstrument gereift. Seine Tugenden sind ein exzellentes Zusammenspiel und lupenreine Intonation in allen Gruppen. Auch an diesem Abend mit der “Eroica“ waren diese Attribute wieder auszumachen. Sloane gab ein schnelles Tempo vor. Es war ein ständiges Vorwärtsdrängen hörbar. Die Gewichtsverteilung von Streicher- und Bläserstimmen war ausgewogen. Man hörte eine Glanzleistung an zupackender Energie. Doch es fehlte die große Linie. Die Spannung wurde unterbrochen durch eine seltsame, befremdliche Entscheidung.

Dieser Beethoven wurde in Häppchen präsentiert. Die Sätze 1+2 vor den Klavier-Konzerten und die Sätze 3+4 danach. Das hatte wahrscheinlich mit dem Auf- und Abbau des Flügels zu tun. Eine andere Reihenfolge der Werke wäre sicher machbar gewesen.

Trotz dieser Befremdlichkeit, das Publikum zeigte sich sehr angetan von diesem wirklich außergewöhnlichen Konzertabend und feierte Orchester, Dirigent und den Solisten mit starkem Beifall.

IOCO / UGK / 07.07.2014

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