Essen, Philharmonie Essen, Eröffnungskonzert - London Symphony Orchestra, Sir John Eliot Gardiner, IOCO Kritik, 13.09.2014
Eröffnungskonzert der Spielzeit 2014/15 London Symphony Orchestra, Sir John Eliot Gardiner
Romantik pur war angesagt beim Eröffnungskonzert der neuen Spielzeit in der Essener Philharmonie. Das allerorten gerühmte und in aller Welt gastierende London Symphony Orchestra, kurz LSO genannt, spielte unter seinem ständigen Gastdirigenten, Sir John Eliot Gardiner, Werke von Schumann und Mendelssohn. Derzeitiger Chefdirigent des Orchesters ist Valery Gergiev.
Der Konzertabend begann mit einer Einführung durch den Dirigenten und den ehemaligen 1. Hornisten des Orchesters Radovan Vlatkovic (ausgebildet u.a. in Detmold). Vlatkovic und Gardiner, beide mit sehr guten Deutschkenntnissen, erzählten viel Wissenswertes über Robert Schumanns “Konzertstück in F-Dur für 4 Hörner und Orchester, op.86“. Demonstriert wurden z.B. die Unterschiede zwischen Waldhorn und Ventilhorn.
Schließlich gab Sir John eine Erklärung zur Orchesteraufstellung. Mendelssohn hatte während seiner Zeit am Leipziger Gewandhaus die hohen Streicher im Stehen musizieren lassen. Diese Eigenart, die sich glücklicherweise nicht eingebürgert hat, soll den Klang räumlicher werden lassen. Das sei dahin gestellt. Nachteil ist auf jeden Fall, dass, wenn Publikum und Orchester auf gleichem Höhenniveau sind, die anderen Orchestergruppen kaum gesehen werden können. Wie es zu erleben war, denn Gardiner ließ diese Orchesteraufstellung wieder aufleben. 1. und 2. Geigen, sowie die Bratschen spielten alle drei Stücken im Stehen.
Das Programm begann mit Mendelssohns Ouvertüre “Meeresstille und glückliche Fahrt“. Dies ist ein stimmungsgeladenes Stück, das man durchaus als Vorläufer des Begriffs “Sinfonische Dichtung“ bezeichnen kann - ein feines Musikstück, das viel zu selten aufgeführt wird - . Gardiner ließ es mit großer Durchsichtigkeit bei straffem Grundtempo spielen und wusste die Stimmung in den drei Sätzen sehr lebendig zu schildern.
Den Mittelpunkt bildete ein Musikstück, das einerseits eine absolute Preziose ist, doch anderseits wenig aufgeführt wird. Robert Schumanns “Konzertstück für vier Hörner und Orchester“ stellt hohe Ansprüche an das Hornquartett.
Interessant ist, dass Schumann bei allen seinen Arbeiten für das Horn Ventilhörner und Naturhörner nebeneinander vorsieht. Die Hornsolisten des LSO waren großartig. Angela Barnes, Timothy Jones, Jonathan Lipton und Radovan Vlatkovic sind Virtuosen auf ihren Instrumenten und erreichten eine außerordentliche Homogenität.
Gardiner ist penibel auf Transparenz bedacht. Seine langjährige Erfahrung beim Monteverdi-Chor, den Englischen Barocksolisten, sowie des Orchestre Révolutionaire et Romantique sind sicherlich prägend. Das Orchester wusste jeden Wink sofort souverän umzusetzen.
Es ist ein fröhliches, positiv stimmendes Werk, besinnlich und melodisch. Genial hat Schumann die Aufgaben auf Orchester und Solisten verteilt. Ganz wunderbar gerät im letzten Satz der Wechsel von der melancholisch-märchenhaften Stimmung zu fröhlich ausgelassenem Wechselspiel zwischen Orchester und den Solo-Hörnern. Sehr schön ausgeprägt ist die heitere, tänzerische Atmosphäre mit dem das Stück ausklingt. Ob des starken Beifalls gab das Horn-Quartett als Zugabe eine kleine Komposition von Bruckner.
Drittes und letztes Stück an diesem Abend war Felix Mendelssohns “Sinfonie Nr. 5 in D-Moll, op. 107“, die sogenannte Reformations-Sinfonie. Mendelssohn komponierte seine 5. Sinfonie 1829/30 zur 300-Jahrfeier der Augsburger Konfession, Die Sinfonie wurde dann im November 1832 unter seiner Leitung in Berlin uraufgeführt. Dominierend sind die Variationen über den Choral “Ein feste Burg ist unser Gott“ im letzten Satz. Interessant im 1. Satz, das “Dresdner Amen“, eine Formel der Sächsischen Liturgie, ein Motiv, das Wagner in seinem “Parsifal“ wiederholte.
Dem Dirigenten gelang es, mit seiner anfeuernden Emphase, das Orchester auf Hochspannung zu bringen. Soviel Stringenz in den Streichern, Präzision beim Blech und klangliche Opulenz hört man selten Mal. Höhepunkt war der finale Choralsatz “Ein feste Burg“, mit dem der zum protestantischen Glauben konvertierte Mendelssohn, sein Bekenntnis zur Reformation manifestierte. An diesem Abend wurde dies durch das wunderbare Orchester und seinen charismatischen Dirigenten berührend wiederholt.
Natürlich gab es auch eine Zugabe. Das Orchester sagte “Danke“ für den nicht enden wollenden Beifall und spielte ein kurzes Stück “Elfenmusik“ aus dem Oeuvre Mendelssohns.
IOCO / UGK / 13.09.2014
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