Essen, Philharmonie Essen, Das Paradies und die Peri, IOCO Kritik, 18.10.2015
Das Paradies und die Peri von Robert Schumann
Collegium Vocale Gent und Orchestre des Champs-Elysées, Philippe Herreweghe
In dieser Spielzeit ist der große Dirigent und Chorleiter Philippe Herreweghe in “Residence“ in der Essener Philharmonie. An sieben Abenden ist er mit verschiedenen Orchestern und Werken von Bach, Beethoven, Bruckner und Schumann zu erleben. Den Auftakt machte am letzten Sonntag Schumanns Oratorium Das Paradies und die Peri. Das 1843 unter Schumanns Leitung im Leipziger Gewandhaus uraufgeführte Werk wird selten gespielt, anders als seine “Genoveva“, seine “Faustszenen“ und “Der Rose Pilgerfahrt“.
Grund dafür ist der altmodisch verquaste Text der literarischen Vorlage und die nicht immer mühelos nachzuvollziehende Handlung. Es handelt sich um ein Vers-Epos des irischen Dichters Thomas Moore, erfundene Orient-Romantik, die damals hoch im Kurs stand. Hier in diesem Stück wird von einem in Ungnade gefallenen Zwitterwesen von Engel und Fee (Peri) persischer Herkunft erzählt, das nach der Gabe einer Träne eines reuigen Sünders, wieder Eingang ins Paradies findet.
Doch die Musik ist prachtvoll, reich an Melodik und gibt auch Hinweise auf Zeitgenossen Schumanns und auf Bach. Herreweghe erläuterte das mit seiner humorvollen, kauzigen Art in der dem Konzert voraus-gegangenen Einführung.
Als der junge Philippe Herreweghe 1970 sein Collegium Vocale im belgischen Gent ins Leben rief, steckte die Alte Musik-Bewegung noch in den Kinderschuhen. Aber es blieb nicht bei Bach und Co. Barock, Wiener Klassik und die Romantiker folgten im Repertoire des Chores und seines Gründers.
Heute sind das Collegium Vocale und sein charismatischer Leiter eine feste Größe im internationalen Musikgeschäft und dies mit Fug und Recht. Die größtenteils jungen, frischen Stimmen des Chores, seine Homogenität und Präzision, konnte man an diesem Abend in Essen in den umfangreichen Chorsätzen dieses Werkes wieder bewundernd erleben.
Herreweghe am Pult zu beobachten ist immer faszinierend. Seine beschwörenden Blicke und seine persönliche Dirigiertechnik lassen keine Schwachstellen zu. Der gebürtige Flame hatte auch an diesem Abend den ganzen Apparat fest im Griff.
Prachtvoll klang das Orchestre des Champs-Elysées. Es wurde 1991 gegründet und ist spezialisiert auf die Interpretationen des romantischen und vorromantischen Repertoires auf Originalinstrumenten. Herreweghe und das Orchester arbeiten sehr eng miteinander.
Sehr gut zusammengestellt waren die Gesangssolisten. Die Partie der Peri war mit der englischen Sopranistin Carolyn Sampson besetzt. Sie hat einen lyrischen Sopran mit Biss und Durchschlagskraft. Gelegentlich, meist in der hohen Lage, wurde die Stimme scharf. Im großen Jubelfinale kam sie an ihre Grenzen. Wunderbar klang ihre Stimme in den Piani der Mittellage. Bemerkenswert gut war ihre Textverständlichkeit. Diese Textverständlichkeit war auch bei allen weiteren Solisten vorhanden.
Die Sopranistin Christina Landshamer (Arien der Jungfrau) konnte ebenso gefallen wie die sonore Stimme der Mezzosopranistin Wiebke Lehmkuhl (Der Engel).
Maximilian Schmitt (Jüngling, Erzähler) ist noch bestens in Erinnerung mit seinem Abend mit romantischen Arien im Januar dieses Jahres. Auch an diesem Abend konnte er seinen lyrischen Tenor effektvoll einsetzen.
Eine balsamische Bariton-Stimme, ausdrucksstark und von farblicher Vielfalt, ließ der junge Südtiroler André Schuen (Gazna, Ein Mann) hören. Hier wächst ein neuer Don Giovanni heran. Die Stimme und das Aussehen sind vorhanden.
Das Publikum zeigte sich begeistert und zollte allen Mitwirkenden frenetischen Beifall.
Schade, dass dieses selten zu hörende Werk, dabei auch vollendet dargeboten, so wenige Zuhörer fand.
IOCO / UGK / 18.10.2015
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