Essen, Philharmonie Essen, Berliner Philharmoniker - Riccardo Chailly - Martha Argerich, IOCO Kritik, 30.11.2014
Berliner Philharmoniker unter Riccardo Chailly Martha Argerich am Klavier
“La grande Martha“ ohne “her friends“ zu erleben, ist sehr selten geworden in den letzten Jahren. Zuletzt war sie hier im Juli im Rahmen des Klavier-Festival Ruhr zu erleben, zusammen mit Lylia Zilberstein. So bleibt es nicht aus, wenn ein Abend mit ihr und einem Orchester annonciert wird, dass er im Nu ausverkauft ist. So geschehen jetzt in der Philharmonie. Der Saal mit seinen 1900 Plätzen und den zusätzlichen Stehplätzen war “sold out“.
Martha Argerich, die vielgeliebte, ist immer noch eine Löwin am Flügel, technisch perfekt, mit zupackender Pranke, souverän und immer “con anima“. Das ist es, was ihren Stellenwert ausmacht. Sie spielte an diesem Spätnachmittag mit virtuoser Grandezza Schumanns A-Moll-Konzert. Kongenial begleitet von den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Riccardo Chailly.
Der geniale Wurf Schumanns bietet außer Emotion, Überschwang und Melancholie, ein breites Spektrum an farbigem Melodienreichtum, setzt aber auch in hohem Maße technische Perfektion für den Solisten voraus. Diese ist bei Martha Argerich schon zu einem Markenzeichen geworden. Mit diesem Fundament und ihrer hohen Musikalität, gelang ihr eine wundervolle Interpretation, die vom Orchester und Riccardo Chailly, in einem vorbildlichen Dialog mit getragen wurde. Das Publikum war beigeistert und feierte die große charismatische Pianistin frenetisch.
Vorausgegangen war eine straff und fast fetzig dargebotene Ouvertüre zu “Ruy Blas“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy, die er auf ein Schauspiel von Victor Hugo schrieb. Chailly und die Berliner musizierten hinreißend das effektvolle Stück, sozusagen zum warm werden. Da wurde schon spürbar, dass die Chemie zwischen dem italienischen Maestro und dem Orchester stimmig ist.
Das wurde insbesondere nach der Pause hörbar, mit der “Symphonie Nr. 3 in A-moll, op. 44“ von Sergej Rachmaninow. Es ist ein dicker, manchmal sperriger und vielfach spröder Brocken Musik, aber hoch interessant und mit zum Teil beeindruckenden Motiven. Diese 1936 abgeschlossene Sinfonie, wurde im gleichen Jahr in Philadelphia unter Leopold Stokowski uraufgeführt, 20 Jahre nach Rachmaninows 2. Sinfonie.
Es machte Freude, dieses nicht sehr häufig zu hörende Werk mit den fabelhaften, souveränen Berlinern unter Chailly zu erleben. Interessant zu beobachten, wie Chailly mit suggestiver Mimik und schlüssiger Zeichengebung das Orchester zu hoch befriedigenden Leistung anspornt. Die harten Kontraste in dem dreisätzigen Stück wurden präzise heraus gearbeitet, wie auch die abrupten Tempowechsel. Aber nichts brach auseinander, es war wie aus einem Guss. Alles blieb auch durchsichtig, selbst in den spröden Klangballungen waren alle Orchesterstimmen auszumachen.
Das Publikum feierte Chailly und das grandiose Orchester, wie zuvor auch Martha Argerich mit frenetischem Beifall. Das war ein großes Konzerterlebnis an diesem 1. Adventssonntag.
IOCO / UGK / 30.11.2014
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