Essen, Aalto-Theater, TRISTAN UND ISOLDE - R. Wagner, IOCO
TRISTAN UND ISOLDE: Zur Feier des 125jährige Jubiläums der Essener Philharmoniker hat das Aalto-Theater zum zweiten Mal Richard Wagners Tristan und Isolde wieder aufgenommen. Es hätte sich kaum ein besseres Musikstück aussuchen können, um die Qualität dieses ausgezeichneten Klangkörpers ......
Essen feiert seine Philharmoniker mit Wagner - Jubel für „Tristan und Isolde“ zum 125sten Philharmoniker-Jubiläum
von Hanns Butterhof
Zur Feier des 125jährige Jubiläums der Essener Philharmoniker hat das Aalto-Theater zum zweiten Mal Richard Wagners Tristan und Isolde wieder aufgenommen. Es hätte sich kaum ein besseres Musikstück aussuchen können, um die Qualität dieses ausgezeichneten Klangkörpers vor vollem Haus erfolgreich zu demonstrieren.
Für diese Wiederaufnahme nach der Erstaufführung 2006 in der Regie von Barrie Kosky konnten als die beiden Protagonisten die prominenten Wagner-Interpreten Catherine Foster als Isolde und Brian Register als Tristan gewonnen werden.
Ein mitbestimmender Faktor des Koskyschen Tristan ist das Bühnenbild von Klaus Grünberg. Er lässt auf der völlig ins Schwarze gehüllten Bühne einen Kasten schweben, einen magischen Guckkasten von hermetischer Enge, von dem man nicht die Augen lassen kann und der die handelnden Figuren erst am Ende freilässt.
Dieser Kasten ist im ersten Akt eine wohleingerichtete 1.-Klasse Schiffskabine für Isolde und ihre Vertraute und Dienerin Brangäne (Bettina Ranch). Mit fließendem Übergang dient sie als Schiffscasino für Tristan, seinen frechen und übergriffigen Waffenmeister Kurwenal (Heiko Trinsinger) und seine zechenden Leute. Als Brangäne den Todestrank, den Isolde für sich und Tristan vorgesehen hat, mit einem Liebestrank vertauscht, kommt es zur ergreifendsten und erhellendsten Szene des Aktes: Im Glauben beider, dem Tod geweiht zu sein, fallen – nach einer gefühlt unendlich langen Generalpause der Musik– alle Hemmungen von ihnen ab und sie stürzen sich in die Arme.
Für den zweiten Akt ist der Kasten edel silberhell tapeziert. Isolde, die wie Tristan überlebt hat und jetzt als Gattin von König Marke (Sebastian Pilgrim) an dessen Hof in Cornwall lebt, verzehrt sich ungeachtet der Warnungen Brangänes nach Tristan. Als der nach dem verabredeten Signal eintritt, stellt das buchstäblich die enge Sitte auf den Kopf. Der Kasten beginnt sich nicht ohne Folgen zu drehen: Catherine Foster und Brian Register sind so sehr um ihre Balance bemüht, dass es sich auf die Szene und die Stimmen auswirkt. Das stimmliche Gleichgewicht beider verschiebt sich, unter der Kraft des Orchesters und Fosters dramatischem Sopran verliert sich Bryan Registers Tenor fast – die beiden kommen weder szenisch noch stimmlich zusammen, die Liebesnacht wird nicht glaubhaft.
Als der Kasten schließlich ganz auf dem Kopf steht, bereitet König Marke mit dem tückischen Melot (Aljoscha Lennert), der das heimliche Paar verraten hat, dem misslungenen Liebesabend ein trauriges Ende. Zutiefst ergreift jetzt Markes Klage über den erlittenen Verlust des Vertrauens, ein Höhepunkt des zweiten Aktes neben Tristans Frage an Isolde, ob sie ihm in den Tod folgen wolle.
Im dritten Akt ist die Bühne das erste Mal weit geöffnet, Schafe weiden, und als Todessymbole wandeln düster Schäfer um den nun aufgebockten, bis auf eine Zimmerpflanze im Fenster steril weißen Kasten. Man ist in Tristans Heimat in der Bretagne, wo Kurwenal Tristans nicht heilen wollende Wunde behandelt, die ihm Melot zugefügt hatte. Der treue Kurnewal wartet auf Isolde als der einzigen, die Tristan heilen könnte. Der wacht, von Sehnsucht getrieben, aus seinem Koma auf und rechnet erschütternd mit seiner Schuld ab. Als Isolde schließlich eintrifft, stirbt Tristan, für den gemeinsamen Liebestod kommt sie zu spät. Ebenso zu spät kommt Marke, der ihr gefolgt war, um großherzig seinen Verzicht auf Isolde anzubieten. Die legt sich nach einer berührenden Wahnsinnsvision von Tristan als strahlendem Held neben dessen Leiche. Im Leben, in der Enge des Kastens, hatten sie nicht zueinander kommen können.
Die Regie von Barrie Kosky überzeugt noch immer weitgehend, die allgemeine Erschütterung des Publikums, die längere Pause zwischen dem letzten Ton und dem aufbrausenden Beifall spricht für sich. Irritierend sind einige realistische Kleinigkeiten wie der abgetrennte Kopf ihres von Tristan getöteten Bräutigams Morold, den Isolde mit sich führt, oder die blutige Unterwäsche, in der sich Tristan im 3. Akt zeigt.
Catherine Foster gestaltet Isolde mit großer stimmlicher Kraft ihres Soprans und überzeugt in den dramatischen Höhen, in der Phrasierung und darstellerischen Präsenz wäre mehr Differenzierung möglich. Brian Register gibt einen weniger heldischen als nachdenklich lyrischen Tristan. Dass er nach seinem Liebestrunk als Liebhaber nicht überzeugen konnte, mag dem Drehkasten im zweiten Akt geschuldet sein. Sebastian Pilgrim war gesangsdarstellerisch mit profundem Bass ein edler Marke, Bettina Ranch mit warmem Mezzo eine einnehmend verantwortungsvolle Brangäne. Heiko Trinsinger gefiel spielfreudig mit seinem klangschönen Bariton als Kurwenal wie auch Aljoscha Lennert als Melot sowie Karel Martin Kludszuweit als ein Steuermann.
G.M.D. Andrea Sanguinetti dirigierte die Essener Philharmoniker einfühlsam, so dass sich die schwer romantische Musik in melodischem Fluss entwickeln konnte und die dramatischen Sannungs-Spitzen sich leichthin, ohne pompöses Dröhnen daraus erhoben – ein meisterliches Geschenk der Essener Philharmoniker an sich selber und ein begeistert jubelndes Publikum, das nach insgesamt fünf packenden Stunden allen an dieser großartigen Aufführung Beteiligten im Stehen Beifall zollten.