Essen, Aalto Theater, Premiere - Manon Lescaut, IOCO Kritik, 04.10.2014
Premiere Manon Lescaut von Giacomo Puccini
Premiere 04.10.2014
Giacomo Puccinis Manon Lescaut ist kein Renner in der Gunst des Publikums, wie viele andere seiner Werke, warum auch immer. Die bittersüße Geschichte des Abbé Prévost über die tragische Liebe der Manon und ihres Geliebten Des Grieux, war Puccinis erster großer Erfolg. Aber sie ist heute nicht sehr häufig auf den Spielplänen zu finden.
Umso erfreulicher ist es dann, wenn sich eine Bühne mal wieder dieses Werkes annimmt; wie jetzt das Essener Aalto-Theater, das damit die Spielzeit 2014/15 eröffnete.
Leider bekam die Vorfreude einen massiven Dämpfer. Was der handwerklich hochbegabte und inzwischen hoch gehandelte norwegische Regisseur Stefan Herheim daraus machte, war ebenso diffus wie abstrus, so dass das Publikum schon nach den ersten zwei Akten ziemlich ratlos in die Pause ging.
Herheim legt seine Inszenierung in die Zeit der Entstehung des Werkes, 1893. Zur gleichen Zeit entstand auch die New Yorker Freiheitsstatue. Deren Kopf ist die Vorlage für das Bühnenbild von Heike Scheele. Einmal um die Achse gedreht, beherbergt dieser Kopf ein überdimensioniertes Lotterbett. Nun ja,
Manon und Ihre Gespielinnen brauchen ja ein anheimelndes Ambiente. Verschiebbare Baugerüste erweitern den Spielraum.
Da das Haupt der “Liberté“ noch nicht ganz fertig ist, die lodernde Fackel fehlt noch, wird nun Manons jugendlicher Liebhaber Des Grieux zu Frederic-Auguste Bartholdi, dem eigentlichen Schöpfer der Statue, der in einer Werkstatt wuselt und an einem Modell arbeitet. Schön und gut. Aber alles ist so kunstgewerblich. Die Personenregie ist an Hektik in den Bewegungsabläufen kaum zu überbieten.
Überflüssig ist die Schaffung der stummen, aber pantomimisch sehr aktiven Rolle des kettenrauchenden Giacomo Puccini, der die handelnden Personen begleitet und mittels eines Drehbuches, ihnen Verhaltensregeln “vorspielt“. Für die Kostüme war Gesine Völlm zuständig. Ein bunter, zum Teil prächtiger Stilmix aus verschiedenen Epochen.
Dafür konnte man sich an der großartigen musikalischen Wiedergabe erfreuen. Allein die Opulenz, die aus dem Graben kam, ließ die zwiespältige Szene vergessen.
Die Essener Philharmoniker verströmten lyrischen Wohllaut und packende Dramatik. Die fabelhaften Holzbläser wetteiferten mit dem Seidenglanz der Streicher. Makellos präsentierte sich das Blech.Dass es zu dieser großartigen Wiedergabe kam, ist in nicht wenigen Punkten der straffen, vorwärtsdrängenden Stabführung des jungen italienischen Gastdirigenten Giacomo Sagripanti zu danken. Er hatte alles im Griff, schaffte Klangräume mit unglaublicher Transparenz und war den Sängern allzeit der sprichwörtliche Fels in der Brandung. Toll!
Fabelhaft klangen die Chöre des Aalto-Theaters, von Alexander Eberle wie immer akribisch einstudiert.
Die Solisten konnten gefallen, es gab wenig zu mäkeln. Katrin Kapplusch in der Titelpartie der Manon besitzt zwar nicht die notwendige Brillanz des dramatischen Soprano d`agilitá, hat auch manche Schärfe in der Extremhöhe, sang aber sehr konzentriert und bemerkenswert ausdrucksvoll. Es war sehr ungezogen und nicht gerechtfertigt, dass sie am Schluss einige Buhs bekam.
Mit kräftigem, außerordentlich höhensicherem Tenor und dabei sehr spielintensiv, sang Gaston Rivero den Renato Des Grieux. Sehr solide waren die Leistungen von Heiko Trinsinger (Lescaut, Manons Bruder), sowie die von Tijl Faveyts (Geronte de Ravoir). Auf hohem Niveau, wie immer in Essen, die Dutzend kleinen Rollen.
Kräftige Buhs für das Inszenierungsteam und wie schon erwähnt, ungerechterweise für Frau Kapplusch. Starker, wenngleich kurzer Beifall für alle anderen Mitwirkenden. Ovationen für Dirigent und Orchester.
IOCO / UGK / 04.10.2014
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