Essen, Aalto Musiktheater, Premiere Le Grand Macabre, IOCO Kritik, 14.02.2015
Le Grand Macabre von György Ligeti
Premiere am 14.02.2015
Wer hätte das gedacht! Eines der sperrigsten, verrücktesten und absurdesten Werke des modernen Musiktheaters machte Furore im Essener Aalto-Theater. Die Aufführung fand einhellige Zustimmung. Das Publikum war begeistert.
Die literarische Vorlage von Ligetis Oper Le Grand Macabre ist das Schauspiel La Balade du Grand Macabre, des belgischen Schrifts tellers Michel de Ghelderode (1898 – 1962). Es ist ein Weltuntergangsszenario, rabenschwarz und kunterbunt.
György Ligeti, 1923 im rumänischen Siebenbürgen geboren, mit ungarischen Wurzeln, studierte in Klausenburg und Budapest.
Als Komponist fühlte er sich keiner Stilrichtung verpflichtet. Er grenzte sich ab, um seinen eigenen Weg zu finden. Er war Kompositionslehrer in Budapest und ab 1956 in Wien. Später Dozent in Kranichstein. Er wurde zu einem Wegbereiter elektronischer Musik.
Seinen kompositorischen Durchbruch hatte er 1961 mit seinem Orchesterwerk “Atmosphere“. Um die Gattung Oper machte er immer einen weiten Bogen, bis ihn ein Angebot aus Stockholm erreichte, für die dortige Königliche Oper ein Werk zu komponieren. Bedingt durch die schon fortgeschrittene Annäherung an die Gattung Oper, nahm er das Angebot an. Er arbeitete an der Komposition von 1973-1977.
1979 fand die Uraufführung in Stockholm statt. Es folgten viele Änderungen. 1997 gab er die endgültige Fassung heraus. Ligeti starb 2006.
Das Werk ist nicht sehr häufig auf den Bühnen zu finden. 2013 gab es eine Wiederaufnahme an der Komischen Oper Berlin (
siehe IOCO-Kritik v. 21.4.2013)
Ligetis Musik zu dieser Oper ist farbig, hat Witz und ist sehr effektvoll, allein schon durch die Zutaten im Instrumentarium. Zu der herkömmlichen Orchesterbesetzung werden Alltagsgegenstände, wie Autohupen, Türklingeln, Trillerpfeifen, Spieluhren und vieles mehr als Instrumente verwendet.
Ein Kabinettstückchen ist die Ouvertüre, bedingt durch ein Dutzend verschieden tönende Autohupen.
Die Story ist, wie eingangs erwähnt, voller verrückter Dinge, denn bevor die Welt zu Grunde geht, will man noch aus dem Vollen schöpfen. Fressen, Saufen, Lieben (von soft bis brutal) und es sich noch mal richtig gut gehen lassen, bevor alles vorbei ist. So wie Nekrotzar, der große Makabre es prophezeit hat.
Für die Inszenierung hatte man die Französin Mariame Clément verpflichtet, die mit ihrer kongenialen Ausstatterin Julia Hansen, eine an Effekten und Einfällen reiche Inszenierung schuf, witzig, clownesk, hintergründig und bildhaft. Optimal war die Personenregie der Regisseurin. Alles lief wie am Schnürl. Das letzte der vier Bilder hatte allerdings Längen, die auch durch die Regie nicht überspielt werden konnten.
Die Essener Philharmoniker erfüllten ihre nicht alltägliche Aufgabe mit Bravour. Auch der Chor, wie immer mustergültig einstudiert von Alexander Eberle, war stark gefordert.
Das Sängerensemble leistete Enormes, von Sprechgesang zu Oktav-Sprüngen, wahnwitzige Höhenflüge und ständiger Wechsel von der Bruststimme ins Falsett waren zu bewältigen.
Großartig, wie Heiko Trinsinger seine umfangreiche Aufgabe als Nekrotzar, der Makabre, stimmlich und darstellerisch bewältigte. Er ist ein glänzender Singschauspieler.
Ebenbürtig war ihm auch Rainer Maria Röhr als Piet vom Fass.
Spitzentöne von glasklarer Konsistenz sang Susanne Elmark als Gopopo und Venus.
Till Faveyts sang den Astradamors balsamisch und machte auch im Fummel eine gute Figur. Seine Frau Mescalina hatte in Ursula Hesse von den Steinen eine ideale Interpretin. Ihr großvolumiger Mezzosopran kam sehr mit den ständigen Wechseln zwischen Brustregister und Höhenflügen zurecht.
Gesanglich und darstellerisch wie aus einem Guss waren der schwarze Minister von Karel Ludvik, der weiße Minister durch Jeffrey Dowd, sowie der außerordentliche Counter Jake Arditti als bizarr kostümierter Fürst Go-Go.
Kostbar waren die Kostüme des Liebespaares Amando und Amanda, Oktavian und Sophie aus dem “Rosenkavalier“ ließen grüssen. Gesanglich wie auch spielerisch konnten Karin Strobos und Elizabeth Cragg sehr gefallen.
Wie schon eingangs erwähnt, fand die Aufführung ein begeistertes Publikum. Es kann jedem Liebhaber von außerordentlichem Musiktheater empfohlen werden, diese Produktion zu besuchen. Sie ist ein Lichtblick im öden Repertoire-Alltag weit und breit.
IOCO / UGK 14.02.2015
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