Düsseldorf, Schauspielhaus, GEWÄSSER IM ZIPLOCK - Uraufführung, IOCO

GEWÄSSER IM ZIPLOCK - Ein Sommer zwischen Berlin, Chicago und Jerusalem - nach dem Roman von Dana Vowinckel — Bühnenfassung von David Benjamin Brückel - Uraufführung am 8. Juni 2024 - von IOCO besuchte Vorstellung 27. Juni 2024

 von Rainer Maaß

Das Stück Gewässer im Ziplock basiert auf dem gleichnamigen Roman von Dana Voswinckel. Wer das Werk gelesen hat, wird ahnen, dass es nicht einfach ist, diese Geschichte auf eine Bühne zu bringen. Um so erfreulicher ist das von Benjamin Brückel geschaffene Ergebnis. Schnell wird man durch die Bühnenfassung in das Leben einer Patchwork-Familie hineingezogen. Da ist in Berlin der inbrünstig betende Vater und jüdische Kantor Avi, der sein Leben in der „Überschneidung zwischen Musik und Religion“ verbringt. Seine menschlichen Beziehungen sind auf die über alles geliebte 15jährige Tochter Margarita fokussiert. Und um sie macht er sich gerade große Sorgen. Denn das Mädchen langweilt sich, wie man sieht, bei den Großeltern in Chicago. Weshalb Vater Avi sie per Flugzeug zu seiner Ex-Ehefrau Marsha nach Jerusalem schickt. Was wenige Minuten später geschieht.

Berlin, Chicago, Flugzeug, Jerusalem: Der Inszenierung gelingt es alle Stationen und alle Darsteller schnell und fast gleichzeitig erlebbar zu machen, ohne dass man als Zuschauer den Überblick verliert. Margarita wechselt mit nur drei Schritten vom Küchentisch der Großmutter zu den auf der Bühne von oben einschwebenden Flugzeugsitzen. Dort sitzt schon als Flugnachbar ein junger Mann, der 15jährige Lior.

Man neckt sich, man flirtet und landet in Jerusalem. Dort sollte eigentlich Marsha, ihre immer schon chaotische Mutter, auf sie warten. Doch die hat sich, natürlich, im Datum vertan und ist nicht da. Zum Glück gibt es Lior. Nur allzu gern teilt er für eine Nacht sein Bett mit dem hübschen Mädchen.

Aus Sorge um die Tochter wird zwischen Berlin und Jerusalem, Chicago und Berlin, Jerusalem und Berlin hektisch hin und her telefoniert. Marsha wird informiert und trifft endlich ihre Tochter. Doch die Situation bleibt kompliziert. Margarita hat nicht nur mit Lior geschlafen. Sie hat ihn auch zu einer politischen Demo gegen die israelische Regierung begleitet. Das 15jährige Mädchen gerät in eine Ego-Krise. Bin ich Jüdin? Bin ich Deutsche? Liebt mich meine Mutter? Margarita kann der Mutter nicht verzeihen, dass diese jahrelang keinen Kontakt zu ihr haben wollte. Jeder Versuch von Marsha, ihrer Tochter näher zu kommen, endet im Streit.

Zeitgleich verliebt sich Avi der Kantor in Berlin in die hübsche Hannah. Ihn mag sie sehr. Seine Religion weniger. In Jerusalem fetzen sich derweil Mutter und Tochter. Nach einem besonders heftigen Krach verlässt sie erneut die Wohnung der Mutter. Sie flüchtet zu Lior. Der setzt sie aber brüsk vor die Tür. Wieder ist die ganze Familie in Sorge. Um sie zu suchen, fliegt Avi sofort von Berlin nach Israel. Derweil geschieht In Chicago ein Unglück. Die Großmutter Selma erleidet in der Küche eine schwere Kopfverletzung und kommt auf die Intensivstation des Krankenhauses.

Die Nachricht vom Unfall der alten Dame trifft alle in der Familie wie ein Schock. Avi, Marsha und Margarita fliegen sofort zu den Großeltern Selma und Dan nach Chicago. Alle sind an diesem Ort vereint und teilen die Sorge um die Großmutter. Jetzt erkennt auch Margarita, wieviel sie ihrer Mutter bedeutet. Doch nach wie vor schwankt sie zwischen Abwehr und Hinwendung.

Ihr Vater und ihre Mutter sind hin- und hergerissen zwischen ihrem Alltag, dem Trauma der Trennung und der Identitätssuche in ihrem Leben. Ihrem Vater wird aber klar, dass seine Tochter nicht für immer sein Lebensmittelpunkt sein kann. Das Stück endet wie das Buch bewusst ohne eine Auflösung der Lebensthemen.

Der Titel Gewässer im Ziplock bezieht sich auf die „tosenden Gewässer im Psalm 93“, den Vater Avi (Jaron Löwenberg) betet. Und auf den transparenten Plastikbeutel, den man auf Flugreisen heute benutzt. Gereist wird viel in diesem Stück. Margarita (Caroline Cousin), ihr Vater und ihre Mutter (Cathleen Baumann) sind viel in Bewegung. Bewegung bedeutet hier die physische Positionsveränderung. Auch das „tosende“ Gefühlleben, dem nicht nur Teenager ausgesetzt sind, drücken sich im Titel des Stückes aus.

Gewässer im Ziplock ist ein sehr sehenswertes und bewegendes Stück. Das Publikum im Düsseldorfer Schauspielhaus war begeistert.

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ÜBRIGENS: Ziplock - übersetzt - bedeutet auf deutsch etwa "verschliessbare Plastikbeutel"