Düsseldorf, Schauspielhaus, DER BESUCH DER ALTEN DAME – Friedrich Dürrenmatt, IOCO Kritik, 07.10.2023

Düsseldorf, Schauspielhaus, DER BESUCH DER ALTEN DAME – Friedrich Dürrenmatt, IOCO Kritik, 07.10.2023
Düsseldorfer Schauspielhaus / DER BESUCH DER ALTEN DAME hier Heiko Raulin, Rosa Enskat Foto Sandra Then
Düsseldorfer Schauspielhaus © ingenhoven architects / HGEsch
Düsseldorfer Schauspielhaus © ingenhoven architects / HGEsch

Düsseldorfer Schauspielhaus

DER BESUCH DER ALTEN DAME – Friedrich Dürrenmatt

– wenn es Geld vom Himmel regnet –

von Rainer Maaß

Der Plot des Stücks ist schnell erzählt und den meisten Zuschauern sicher durch Film und Fernsehen bereits bekannt: Er spielt im verarmten Örtchen Güllen irgendwo in der Schweiz. Hier gibt es keine Arbeitsplätze mehr. Die Geschäfte sind geschlossen. Nicht einmal mehr der Zug, Der rasende Roland, hält in Güllen. Doch jetzt keimt Hoffnung auf. Eine alte Dame kündigt ihren Besuch an.

Claire Zachanassian geb. Wäscher kehrt heim nach Güllen. Sie will sich rächen, in der Stadt, in der sie aufwuchs und die sie 17-Jährig gedemütigt verlassen musste, ungewollt schwanger und sitzen gelassen. Der Vater des Kindes, Alfred III, stritt ehemals alle Schuld ab. Claire heiratete inzwischen einen Ölmillionar und kehrt nun als reiche alte Dame zurück, sich an der Männerclique von Güllen zu rächen.

Die Vorfreude der Bürger von gilt weniger Claire als Person. Im Gepäck hat sie eine gute Nachricht: Sie verspricht dem Ort Güllen Milliarden! Milliarden für die Gemeinde und für jeden einzelnen Bürger satte 5.000 zur freien Verfügung. Aber eine Bedingung knüpft sie daran: Alfred Ill, ihr Liebhaber vor 30 Jahren, der Mann, der das Unrecht zu verantworten hat das ihr damals geschah, muss sterben. Wohlstand gegen Gerechtigkeit! Das ist der Deal.

Düsseldorfer Schauspielhaus / DER BESUCH DER ALTEN DAME hier Heiko Raulin, Rosa Enskat Foto Sandra Then
Düsseldorfer Schauspielhaus / DER BESUCH DER ALTEN DAME hier Alfed – Heiko Raulin, Claire – Rosa Enskat Foto Sandra Then

Es ist beeindruckend wie die Regie (Laura Linnenbaum) durch eine symbolhafte Bildsprache diese Geschichte von Moral, Macht und Gier in Düsseldorf neu und spannend inszeniert hat.

Als sich der Vorhang um 19.30 hebt, steht da ein Begrüßungskommando, das ein wenig an Wildwestfilme erinnert. Graue Figuren am Bahnhof, die dorthin befohlen wurden und sich nun langweilen. Vorfreude sieht anders aus. Die Gedanken-Schnipsel, die der Zeitungsredakteur für den Begrüßungsartikel notiert, klingen hölzern und konstruiert Offensichtlich hegt niemand große Erwartungen. Nur auf Alfred Ill (Heiko Raulin) ruhen Hoffnungen. Er war mit Claire liiert. Lange und vielversprechend. Vielleicht kann er die alte Freundschaft reaktivieren? Dass es am Ende Probleme gab und Claire nicht freiwillig ging, ist nur ein Schulterzucken wert. So enden Beziehungen eben. Keiner kann oder will sich daran erinnern.

Dann kommt Claire Zachanassian (Rosa Enskat). Plötzlich ist sie da. Sie entsteigt einer Wolke aus Dampf. Mit ihr kommt die Farbe Rot in diese graue Welt. In ihrem langen roten Kleid, mit ihren langen roten Haaren ist sie Göttin und Teufelin zugleich. Der Mittelpunkt. Sie bringt Leben in die Versammlung. Teuflisches Leben. Freude über viel Geld. Teuflisches Erschrecken über den Preis, den Claire dafür verlangt wird: Ein Mord an ihrem Ex-Freund! Natürlich solidarisieren sich seine Mitbürger spontan mit Alfred Ill. Niemand würde seinen Nachbarn für Geld töten. Die anständigen Bürger entrüsten sich über dieses unmoralische Ansinnen. Der Lehrer hält eine flammende Rede über den Wert von Ethik und Moral. Doch: Es beginnt plötzlich zu regnen. Gold. Unablässig fällt jetzt Gold vom Himmel. Man wird sehen.

Claire ersteigt milde lächelnd ein Gerüst, vor dem ein ziemlich ramponierter Schriftzug prangt. Vom ursprünglichen Wort sind nur noch die Buchstaben P…ra…S lesbar. Hinter diesem zerstörten Paradies wird sie das weitere Geschehen verfolgen und abwarten.

Düsseldorfer Schauspielhaus / DER BESUCH DER ALTEN DAME hier die Dorfgemeinde und Alfred Foto Sandra Then
Düsseldorfer Schauspielhaus / DER BESUCH DER ALTEN DAME hier die Dorfgemeinde und – links – Alfred Foto Sandra Then

Was bewegt die Menschen von Güllen in dieser Situation? Sie können nicht glauben, dass ein derartiges Verlangen ernst gemeint ist. Aber noch weniger vergessen sie das Geld. Es ist zum Greifen nah. Mehr noch: Sie beginnen schon damit einzukaufen. Auf Pump!

Der Bürgermeister gibt ein Beispiel. Er kauft für das ramponierten Paradies ein neues DIE. Ein rotes DIE natürlich. Ein Zeichen für den zu erwartenden Reichtum. Bald wird das Paradies wieder perfekt sein. So hofft er. Bald könnte vielleicht sogar eine neue Oper drin sein, sagt augenzwinkernd der Bürgermeister. Auch die normalen Bürger wollen ihren Anteil am Geldsegen schon jetzt. Wie ein gefährlicher Ausschlag tauchen rote Flecken bei ihnen auf. Rote Schuhe, rote Zigaretten-Packungen, rote Schürzen. Alles auf Kredit gekauft. Beständig regnet es Gold.

Alle haben verdrängt, dass das Versprechen der alten Dame an eine Bedingung geknüpft ist. Nur Alfred Ill sieht diese Zeichen ganz klar. Jedes neue rote Kleidungsstück ist ein Beleg dafür, dass sich das Blatt wendet. Alfred Ill versucht der drohenden Gefahr zu entkommen. Die Bühne verwandelt sich für ihn in eine endlose Rennstrecke. Er läuft und läuft, aber die Zuschauer und er ahnen es: man wird nicht entkommen. Man wird ihn opfern.

Immer offener redet man jetzt über Alfreds Schuld. Claire wurde großes Unrecht angetan: Sühne muss sein. Strafe! Gerechtigkeit! An der Figur des Lehrers (Raphael Gehrmann) spielt sich beispielhaft ab, wie sich Alfreds Freunde von allen Bedenken befreien. Er, der mit flammender Rede für ihn eintrat, trennt sich von allen Skrupeln, als wären es überflüssige Kleidungsstücke. Man sieht ihm an, wie schmerzhaft es ist, ohne moralischen Halt dazustehen. Fast nackt. Aber das Gold fällt weiter vom Himmel.

Zum Glück für die braven Bürger ist Alfred Ill bereit seine Schuld einzugestehen. Das Bürgergericht, in unschuldiges Weiß gekleidet, fühlt sich als legitime Vertreterin der Gerechtigkeit. Es verurteilt Alfred Ill zum Herzinfarkt aus Freude. Was der Lehrer wiederum mit einer flammenden Rede begründet. Claires Bedingung ist erfüllt. Sie hat bereits vorher kundgetan, dass sie in dieser verkommenden Stadt nicht bleiben wir. Sie wird ihrem geliebten, toten Alfred nach Capri gehen und ihm ein Mausoleum errichten. Wie zur Strafe öffnen sich über der Bühne jetzt die Himmelsschleusen und lassen eine Riesen-Menge Gold wie ein Unwetter auf die Bürger von Güllen herabstürzen.

Ein großes Kompliment an die Regie Team von Laura Linnenbaum und die Darsteller. Der Beifall galt vor allem Rosa Emskat als Claire und Heiko Raulin als Alfred. Aber hochverdient war der Applaus für das ganze Ensemble.

Friedrich Dürrenmatts Stück wurde 1954 geschrieben. Trotzdem fühlt es sich auch heute relevant an? Im Namen von Moral und Ethik wird auch heute noch viel Unrecht getan. Darüber sollte man beständig nachdenken

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