Düsseldorf, Schauspielhaus, DAS SPARSCHWEIN / DIE KONTRAKTE DES KAUFMANNS, IOCO Kritik
Die französische Komödie DAS SPARSCHWEIN von Eugène Marin Labiche entstand 1864. Damals wie heute geht es um junge Leute aus der Provinz, die ihre übers Jahr gesparten Gewinne beim Kartenspiel in Paris der ‚Hauptstadt der Welt‘ verjubeln wollen.....
Das Sparschwein/Die Kontrakte des Kaufmanns - von Eugéne Marin Labiche/ Elfriede Jelinek - Eine Vaudewille - Komödie mit den Studierenden des Schauspielstudios Düsseldorf und der Hochschule für Musik und Theater >Felix Mendelsohn Bartholdy< Leipzig, Regie: André Kaczmarczy
Von Rainer Maaß
Macht Geld glücklich?
Als die Scheinwerfer angehen, Premiere am 2.3.2024, irrt ein einzelner Mann über die Bühne. Er wirkt wie ertappt und ist ziemlich nackt. Erschreckt dreht er dem Publikum seinen blanken Po zu. Fast hilflos versucht er, hinter die Bühne zu entkommen. Was nicht so einfach ist. Denn ihm entgegen stürmt eine laut johlende Horde wild kostümierter Tingeltangel-Girls beiderlei Geschlechts. Die Gruppe formiert sich zu einem Ensemble ausgelassener Tänzer. An ihrer jetzt stattfindenden Can-Can Performance hätte auch Jacques Offenbach, der Schöpfer der berühmten Moulin Rouge - Musik, seine Freude gehabt. Auch dem Publikum gefällt dieser rasante Auftakt. Es belohnt ihn mit verdientem Szenen-Applaus.
Auch was folgt, bleibt atemberaubend. In bester Vaudeville-Manier unterhält die junge Schauspieler Truppe das Publikum mit allem, was sich auf einer kleinen Theaterbühne darbieten lässt. Witzige Sketche sind dabei und Frivolitäten. Lautstarke politische Attacken auf die fiesen Finanzhaie gehören ebenso dazu wie eine anrührende Wiedersehens-Szene mit Slapstick Elementen wie im Stummfilm.
Zu einem sinnvollen Ganzen wird dieser Szenen-Wirrwarr, weil er auf der französischen Komödie DAS SPARSCHWEIN von Eugène Marin Labiche aus dem Jahre 1864 basiert. Damals wie heute geht es um junge Leute aus der Provinz, die ihre übers Jahr gesparten Gewinne beim Kartenspiel in Paris der ‚Hauptstadt der Welt‘ verjubeln wollen. Hemmungslos stürzen sie sich ins Großstadtleben. Natürlich kommen die Landeier dabei unter die Räder. Sie verlieren sich, werden belogen, betrogen und bestohlen. Es ist eine Schadenfreue zu sehen und zuhören, wie sie irgendwann ohne einen Pfennig auf der Straße sitzen und folgendes Lied erklingt: „Mittellos durch die Nacht...“
Doch Regisseur André Kaczmarczyk belässt es nicht bei leichter Unterhaltung. Das Stück hat nicht ohne Grund den Doppel-Titel DAS SPARSCHWEIN / DIE KONTRAKTE DES KAUFMANNS. Kaczmarczyk durchsetzt das Komödien-Spektakel von Labiche mit scharfen Texten von Elfriede Jelinek. Harte, anklagende Sätze, die die Schauspieler zwischendurch wie Gewehrschüsse ins Publikum abfeuern. Moral: Paris ist überall. Muss man ein dummer Provinzler sein, um sein ganzes Geld zu verlieren? Nicht der Betrogene ist der Schuldige, sondern der Betrüger. Der Beweis sind die Opfer der jüngsten Finanz-Skandale. Sind wir nicht alle dumme Provinzler? Jelinek sieht ein System, bei dem der einfache Sparer immer der Verlierer ist. Die Finanzjongleure ziehen den arglosen Menschen das Geld aus der Tasche. Wer sich auf sie einlässt, hat schon verloren. Jelineks bitterböse Analysen erklären zum Prinzip, was beim Sparschwein nur Dummheit ist. Das Sparschwein ist am Ende nichts anderes als das Goldene Kalb, um das wir Menschen tanzen. Es macht weder glücklich noch beruhigt es. Es verschlingt uns alle.
Regisseur André Kaczmarczyk ist nicht nur für diese rasante Inszenierung zu beglückwünschen. Auch sein Team auf und hinter der Bühne ist offensichtlich gut gewählt. Er hat den angehenden Schauspielern und Schauspielerinnen viel abverlangt. Seine acht Darsteller:innen sind auf der Bühne in einundzwanzig Rollen gechlüpft. Michael Fünfschilling, Sarah Steinberg, Luise Zieger, Elias Nagel, Roman Wieland, Jule Schmuck, Charlotte Schülke und Orlando Lenzen waren beeindruckend. Sie verdienten und erhielten einen Extra Applaus.