Düsseldorf, Oper am Rhein, LUCIA DI LAMMERMOOR - G. Donizetti, IOCO
Von Uli Rehwald und Iris Flender
Heute steht uns eine schaurige Opern-Handlung bevor: Eine unmögliche Liebe, die über Intrige und Verrat in eine blutige Hochzeit, zu Wahnsinn und Selbstmord führt. Aber keine Sorge, es wird kein schauriger Opernabend. Denn die verzweifelt-tragische Liebe der Lucia wird musikalisch mit dem allerschönsten melodisch reichen Belcanto Donizettis präsentiert. Wie so oft in der Oper ist diese Kombination das Erfolgsrezept schlechthin: Sowohl finster schaurig als auch strahlend schön. Die Wiederaufnahme der seit Jahren laufenden Inszenierung erfolgte bereits vor 3 Wochen.
Über 70 Opern hat Donizetti geschrieben, davon hat sich leider nur eine Handvoll auf den Spielplänen gehalten. Die Lucia di Lammermoor gehört dazu. In der Rangliste der in Deutschland am häufigsten gespielten Opern hat sie es immerhin knapp in die Top 20 geschafft – und wer wenigstens etwas weiß von dieser Oper, hat natürlich schon von der berühmten „Wahnsinnsarie“ gehört.
Die Inszenierung von Christof Loy stammt aus dem Jahr 1999 und beschränkt sich weitgehend auf die Personenführung und ihre Emotionen. Das Bühnenbild (Herbert Murauer) ist schlicht, zurückgenommen, durchgängig düster. Es gibt einen guten Rahmen für das Geschehen ab, aber ohne sich in Konkurrenz zur Handlung zu stellen. Es gelingen dabei auch eindrucksvolle Bilder.
- Das beginnt schon mit einem dramatischen Vorhang in rotem Samt und Seide mit goldenen Borten und üppigen Posamenten zur Unterstreichung des Dramas.
- Lucia schwärmt über ihre Liebe zu Eduardo und schwebt dabei auf einer Schaukel zum Bühnenhimmel. Wird dann aber wieder auf den Boden der Bühne und der Tatsachen gelassen, als er erscheint und ihr von seiner bevorstehenden Abreise erzählt.
- Ein markanter Blutfleck auf der weißen Tischdecke der Hochzeitsgesellschaft, der langsam größer wird.
Dass bei der Hochzeitsfeier im Hintergrund eine gespielte Orgie stattfindet, ist dagegen eher überflüssig und kann höchstens als Metapher der erzwungenen Hochzeit durchgehen.
Wie immer steht und fällt dieses Stück mit der Besetzung der Lucia. In dieser Rolle wird wirklich viel verlangt:
- Brillant perlende Koloraturen, hohe Spitzentöne, lyrische Elastizität, aber auch mitreißend-dramatische Passagen.
- Und eine enorme weibliche Bühnenpräsenz mit großer, glaubhafter Darstellungskraft.
Nicht viele Sängerinnen können diese Kombination auf sich vereinen.
Bei der Premiere 1999 gelang dies damals Alexandra von der Weth überaus beeindruckend. Adela Zaharia hatte das Debut der Titelrolle bereits in der Spielzeit 2022/ 2023 erfolgreich absolviert. Der "Opernfreund" hat ihr für dieses Debut eine „Beste Gesangsleistung der Spielzeit“ attestiert.
Stacey Alleaume ist eine noch junge Sopranistin mit australisch-mauretanischer Herkunft. Sie hat sich nicht nur als erster Sopran im Opernhaus von Sidney etabliert, sondern hat auch schon internationale Erfolge errungen (2019 bei den Begrenzer Festspielen). In der Saison 2022/23 gab sie ihren Einstand in Düsseldorf mit einer gefeierten Amina in Bellinis La Sonnambula. Und diese Spielzeit singt sie nun die Lucia in ihrem Rollendebut. Natürlich kommt man nicht daran vorbei zu beurteilen, ob und wie ihr es heute gelungen ist, die riesige Herausforderung der Titelpartie zu meistern.
Ihre Koloraturen sind wirklich glanzvoll und geschmeidig, die ganz hohen Töne bringt sie mit Bravour, sie ist gut über das ganze Orchester im Forte zu hören. Modulation und Stimmführung sind technisch perfekt. Auch die längeren Passagen in der Wahnsinnsarie, wo sie ohne Orchesterbegleitung völlig allein oder nur von einer Soloflöte (Lilja Steininger) begleitet singt, meistert sie gut und raumfüllend. Sie nimmt uns gut mit in den schaurigen Abgrund des Wahnsinns. Aber dem heutigen Publikum scheint trotz der weihnachtlichen Stimmung doch noch etwas zu fehlen. Der Szenenapplaus ist (nur) freundlich, Bravos bleiben heute aus. Es ist nicht leicht zu ergründen, welche Zutat vielleicht noch gefehlt hat, damit die Magie des Moments das Publikum hätte völlig mitreißen können. Woran könnte es liegen?
- Vielleicht an den weißen Kniestrümpfen, die Lucia im ersten Teil tragen musste, die sie eher an der Schwelle zur kindlichen Schwärmerei zeigen und nicht als Vollblut-Frau.
- Oder daran, dass sie sich während der ganzen "Wahnsinnsarie" einen farbig-gemusterten Bettüberwurf um sich gewickelt hat und festhalten musste?
Es darf gerne diskutiert werden.
Die weiteren Sängerrollen sind durchaus gut besetzt.
- Bogdan Baciu gibt in der Rolle des Enrico einen gnadenlosen Bösewicht ab, immer in großer Pose und mit großer Stimme trotz des nahenden Verfalls von Stellung und Vermögen.
- Ovidiu Purcel nimmt man in der Rolle des Edgardo seine herzzerreißende Verzweiflung und die große Wut über Lucias Verheiratung an einen anderen ab.
- Martin Koch als Normanno und Beniamin Pop in der Rolle des Raimondo mit rabenschwarzem Bass glänzen auch spielerisch.
Auch die Düsseldorfer Symphoniker unter der Leitung von Marco Alibrando und der sehr spielfreudige Chor unter der Leitung von Patrick Francis Chestnut runden einen guten Opernabend ab.
Das Publikum des fast ausverkauften Hauses dankt mit freundlichem Applaus. War alle Begeisterung bereits bei der häuslichen Weihnachtsfeier restlos aufgebraucht worden? Die Reihe der weiteren Aufführungen geben beste Gelegenheit dazu, sich darüber Klarheit zu verschaffen.