Düsseldorf, Düsseldorfer Schauspielhaus, JOHANN HOLTROP - Abriss der Gesellschaft - Uraufführung, IOCO Kritik, 14.03.2023

Düsseldorf, Düsseldorfer Schauspielhaus, JOHANN HOLTROP - Abriss der Gesellschaft - Uraufführung, IOCO Kritik, 14.03.2023
Düsseldorfer Schauspielhaus © ingenhoven architects / HGEsch
Düsseldorfer Schauspielhaus © ingenhoven architects / HGEsch
Düsseldorfer Schauspielhaus

JOHANN HOLTROP – Abriss der Gesellschaft

-  Uraufführung - Inszenierung Stefan Bachmann - nach dem Roman von Rainald Goetz -

von Rainer Maass

Der doppelte Abriss

Düsseldorfer Schauspielhaus / JOHANN HOLTROP hier Melanie Kretschmann als Holtrop © Tommy Hetzel
Düsseldorfer Schauspielhaus / JOHANN HOLTROP hier Melanie Kretschmann als Holtrop © Tommy Hetzel

Ist es eine inszenierte Lesung mit Rap-Einlagen? Ist es eine Kapitalismus Persiflage? Sehe ich reale Menschen? Oder sind es lebende Marionetten, die vortanzen, wie Gier, Arroganz und Größenwahn die / einen Menschen verderben? Jede dieser Fragen lässt sich unbedingt mit JA beantworten. Johann Holtrop - Abriss der Gesellschaft - ist eine Wundertüte voller Ideen: Premiere und Uraufführung im Düsseldorfer Schauspielhaus war am 11.3.2023 zu erleben.

Gefangen in einem Dschungel voller Fäden - oder sind es Gitterstäbe - kämpft sich das achtköpfige Ensemble auf der Bühne hundertfünfunddreißig Minuten lang durch die Stationen des Aufstiegs und Niedergangs von JOHANN HOLTROP. Passagen aus dem Buch von Rainald Goetz wechseln mit Dialogen. Witzige Sketch-Szenen folgen Wortgewitter. Das ist anstrengend. Für die Darsteller ebenso wie für die Zuschauer. Aber es lohnt sich.

Wer nun ist Johann Holtrop? In dieser Kunstfigur Holtrop stecken Charakter-Eigenschaften von prominenten Wirtschafts-Stars der Nullerjahre. Thomas Middelhoff dürfte hiervon einer der bekannteste sein. Holtrop ist der Prototyp des rücksichtslosen Karrieristen: ein Mann, der sich sicher ist, dass ihm alles gelingt. Eben ein echter Mann in einer von Männlichkeit dominierten Welt. Dass diese Männerwelt in Düsseldorf ausschließlich von Schauspielerinnen dargestellt wird, unterstreicht perfekt die Absurdität ihres Gehabes. Herausragend dabei Melanie Kretschmann in der Rolle des Johann Holtrop.

Das Stück zeichnet den Werdegang, den Auf- und Abstieg des Managers Holtrop nach. Start als kleiner Mann in kleinem Unternehmen, der sich schnell durch Intrigen und ohne Skrupel an die Spitze jubelt. Opfer sind für ihn bedauerlich, aber was solls. Seine Aufgaben wachsen, sein Ego wächst schneller. Er wird der Liebling der Konzernleitung. Er gehört zu jenen, die sich von den Göttern auserwählt fühlen. Er sieht sich nicht als Manager, sondern als Künstler. Holtrop zitiert am liebsten Holtrop. Weltweites jonglieren ist sein Alltag. Irgendwann ist seine Eitelkeit größer als sein Können. Er fällt.

Holtrop leidet.

Er ist ganz tief unten.

Düsseldorfeer Schauspielhaus / JOHANN HOLTROP hier das Ensemble © Tommy Hetzel
Düsseldorfeer Schauspielhaus / JOHANN HOLTROP hier das Ensemble © Tommy Hetzel

Aber vielleicht - so sieht es jedenfalls aus - haben die Götter doch ein Einsehen. Holtrop bekommt eine zweite Chance. Ein schleimiger Kölner Finanzhai bringt ihn mit einer hilfesuchenden Unternehmenserbin zusammen. Er soll ihr Retter werden. Er will ihr Retter sein. Holtrop ist wieder in seinem Element. Unternehmen zu sanieren ist seine Spezialität. Er weiß, wie man Geld beschafft und wo man es bekommt. Er und sein Kölner Finanzhai sind schlau, aber nicht schlauer als die Polizei erlaubt. Die arme Unternehmenserbin wird am Ende noch ärmer. Aber auch Holtrops Geschichte endet tragisch. Der Begriff Abriss erhält hier so seine zweite Bedeutung.

Hochachtung gilt den acht Schauspielerinnen mit Melanie Kretschmann in der Titelrolle des Johann Holtrop. Die vielen schnell wechselnden Rollen und Situationen zu bewältigen war beeindruckend. Der große Beifall am Ende war wohlverdient.

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