Düsseldorf, Düsseldorfer Schauspielhaus, JEDER STIRBT FÜR SICH ALLEIN – nach dem Roman von Hans Fallada, IOCO

Düsseldorf, Düsseldorfer Schauspielhaus, JEDER STIRBT FÜR SICH ALLEIN – nach dem Roman von Hans Fallada, IOCO
Schauspielhaus Düsseldorf, Foto: Architekt Ingenhoven

In einer Fassung von Hora Schlocker und Birgit Lengers.

Voraufführung vom 2.4.2025

Von Rainer Maaß

 

Jeder stirbt für sich allein, Foto: Sandra Then

Wenn das Böse regiert.

 „Jeder stirbt für sich allein!“ Schon der Titel lässt einen erschaudernFühlt er sich nicht an wie das Spiegelbild der fröhlichen Mahnung: „Jeder ist seines Glückes Schmied“? Was eben noch wie Glück und Hoffnung aussieht, entpuppt sich als scheußliches Trugbild. Die Hauptakteure dieser Geschichte leben und denken in ihrem kleinen Mikrokosmus. Mit dem Drumherum haben sie nichts zu tun. Jede Verantwortung oder gar Schuld weisen sie von sich. Unpolitisch sind sie. Bis zum bösen Erwachen. Bis es knallt. Bis ihr Leben in Scherben fällt.

 Diese Geschichte basiert auf einer wahren Begebenheit. Auf 700 Seiten hat Fallada das Schicksal der naiven Eheleute Quangel unmittelbar nach Kriegsende zu Papier gebracht. Anna und Otto Quangel erfahren 1940 vom Tod des Lieblingssohnes. Gefallen an der Westfront für Führer, Volk und Vaterland. Sie sind zutiefst erschüttert. Der von ihnen gewählte Hitler hat sie enttäuscht. Aber den Krieg haben sie nicht gewollt. Der sinnlose Tod des geliebten Sohnes öffnet ihnen die Augen. Plötzlich wird ihnen klar, wo sie leben: In einer bösen Welt. Sie wollen auf ihre Weise Widerstand leisten. Aber wie?

Jeder stirbt für sich allein, Foto: Sandra Then

 Regisseurin Nora Schlocker und ihre Dramaturgin Birgit Lengers lassen den Berliner Kietz, in dem die Hauptakteure wohnen, zu einem großen farblosen Monsterwohnblock mit Schießscharten engen Türen zusammenschmelzen. Die Menschen dort tragen Kleidung in einem tristen Einheitslook. Eine gleichgeschaltete Mode. Jeder belauert bzw. bespitzelt jeden. Ein Mitbewohner versteckt eine Jüdin. Skrupellose Nachbarn nutzen die Gelegenheit, die leere Wohnung der Frau zu plündern. Missgunst, Hass und Verrat sind an der Tagesordnung.

 Die Quangels erklären Hitler und seinem Regime den Krieg. Sie verfassen Postkarten mit Anti-Nazi Parolen. Viele Postkarten. Über die Bühne ergießt sich ein Regen von Postkarten. Aufrufe zum Widerstand gegen die unmenschliche Diktatur. Sie deponieren die Postkarten heimlich in Treppenhäusern. Dem Ehepaar ist bewusst, wie wenig es mit dieser Aktion bewirken kann. Die beiden wissen auch, wie gefährlich, ja lebensgefährlich, ihre Tätigkeit ist. Aber die Genugtuung, etwas Sinnvolles gegen den Unrechtsstaat zu tun, mag es auch noch so winzig sein, erfüllt sie mit Glück und Stolz. Mehr noch: Das Ehepaar Quangels, gespielt von Florian Lange und Cathleen Baumann empfindet mehr Liebe zueinander als je zuvor.

Jeder stirbt für sich allein, Foto: Sandra Then

 Für lange Zeit bleiben die Kartenschreiber unentdeckt. Viele Postkarten landen bei der Polizei und Gestapo. Doch es gibt keine heiße Spur. Die meisten Finder übergeben gefundene Karten meistens der Polizei. Sie haben Angst verdächtigt zu werden. Der aalglatte Kommissar Escherich, dargestellt von Jürgen Sarkiss, vertuscht seine Erfolglosigkeit. Er erpresst einen kleinen Gauner zu einem Geständnis, um ihn danach zu erschießen. Seine SS-Chefs bemerken die Finte und bestrafen ihn. Schlussendlich geht leider auch das Ehepaar Quangels ins Netz der Gestapo. Wer das Stück bis zum Ende durchstehen will, sollte nicht zu zartbesaitet sein. Jetzt beherrscht die Unmenschlichkeit der Nazi-Diktatur die Bühne. Folter und Mord erreichen das Parkett zwar „nur“ als symbolische Bild- und Tonsignale. Sie sind dennoch enervierend. Vielleicht trägt die kompromisslose Härte der Inszenierung dazu bei, keinen falschen Versprechungen auf den Leim zu gehen.

Jeder stirbt für sich allein, Foto: Sandra Then

 Wie gut, dass die letzten Worte aus dem Mund eines Kindes Hoffnung geben:

Ich werde die Welt neu bauen.“

 Der Beifall bei der Voraufführung lässt ebenfalls darauf hoffen.