Düsseldorf, Deutsche Oper am Rhein, “Oper am Rhein für alle” – Open-Air am Rhein, IOCO Aktuell, 04.09.2023

Düsseldorf, Deutsche Oper am Rhein, “Oper am Rhein für alle” – Open-Air am Rhein, IOCO Aktuell, 04.09.2023
Düsseldorf / “Oper für Alle” der Rheinoper am 2.9.2023 am Rheinufer © Lucas Hirtz
Düsseldorf / "Oper für Alle" der Rheinoper am 2.9.2023 am Rheinufer © Lucas Hirtz
Düsseldorf / “Oper für Alle” der Rheinoper am 2.9.2023 am Rheinufer © Lucas Hirtz

Oper am Rhein für alle” – Deutsche Oper am Rhein lud ein

Massen-Ansturm auf Open-Air-Veranstaltung der Rheinoper in Düsseldorf

von Uli Rehwald

„Oper am Rhein für alle“. So lautet die Einladung der Deutschen Oper am Rhein. Am 02.09.2023 im Rheinpark Golzheim, mit direktem Blick auf den Rhein (wo sonst, wenn der Rhein schon im Familien-Namen der Düsseldorfer Oper steht).

Zum 4. Mal schon bietet die Düsseldorfer Oper ein solches öffentliches Geschenk an. Ein buntes  Programm von Arien, Duetten, Chören, Ouvertüren – öffentlich zugänglich für alle, ganz ohne Anmeldung oder Eintrittskarte. Einfach vorbeikommen, am besten alle, die Rheinwiese ist groß genug.

"Oper für Alle" - Götz Alsmann moderiert © Lucas Hirtz
“Oper für Alle”- Götz Alsmann moderiert © Lucas Hirtz

Und Gott sei Dank, die schweren Unwetter vom Vortag sind vorbei, heute Abend scheint die Sonne, ein wirklich schöner Sommerabend. Das haben sich wohl auch sehr viele Düsseldorfer gedacht und sind zahlreich an dem Rheinufer unterwegs. Campen, grillen, Motorrad posen, Rad fahren, Sonnenuntergang ansehen, eben mit allen möglichen anderen „Samstag-Abend-Aktivitäten“. Es wird also gleich ein Opernabend in großer räumlicher Konkurrenz mit dem, was es sonst noch alles an Freizeit-Highlights gibt.

Und endlich sind wir alle angekommen auf der Wiese neben der Rheinmauer. Für die Musiker ist eine überdachte Bühne vorgesehen, mit 2 großen Leinwänden rechts und links, auf denen die Sänger groß zu sehen sind. Für das Publikum steht eine große Wiese „open air“ zur Verfügung, direkt neben dem Gedränge an der Rheinpromenade. Der stilvolle Olymp des Opernwesens ist es hier heute Abend also sicher nicht. Aber was ist es dann? Eines ist schon vorneweg klar: Heute geht es nicht um die Oper, um die Sänger. Nein, es geht um die heutigen Gäste. Um das eingeladene Publikum. Und um auch dies gleich vorweg zu sagen: Der Geräuschpegel und die Unruhe im Umfeld sind so hoch, dass es nicht ernsthaft um die Betrachtung der künstlerischen Feinheiten des heutigen Abends gehen kann. Diese Feinheit ist bei der Deutschen Oper am Rhein sowieso und in jedem Opernabend zuverlässig vorhanden. Das braucht sie heute nicht zu beweisen.

"Oper für Alle" - Axel Kober dirigiert © Lucas Hirtz
“Oper für Alle” – Axel Kober dirigiert © Lucas Hirtz

Das Publikum ist wirklich bunt gewürfelt.

– Vor der Bühne in guter Sicht- und Hörweite Menschen, die früh und geplant zur Opernaufführung gekommen sind, mit bequemen mitgebrachten Stühlen, hier und da kleinen Tischen garniert mit Snacks und Weingläsern. Man fühlt sich an den Central Park oder Hydepark erinnert, weniger an Verona.

– Dann der Seitenbereich, wo die spät Entschlossenen auf der Erde sitzen und lauschen, ganz ohne Stühle und Rückenlehnen – das ist mal Engagement für die Kunst!

– Viele, die einfach vorbeischauen, in sehr lässiger Sommer-Freizeitkleidung, stehen bleiben, ihre Kinder oder Hunde bändigen, die Zuhörenden irritieren oder stören, weiter gehen, drängeln.

– Eine einzelne Dame mit Abendkleid, versonnen stehend mit einem Glas Wein in der Hand.

– Am Bühneneingang schnell vorbei sausende Radfahrer, die Musiker und Sänger in Frack und Lackschuhen bleiben trotz hektischer Ausweichmanöver gut gelaunt, dazwischen Sängerinnen in schönen Seidenroben direkt vor ihrem Auftritt.

– Eine Gruppe sehr junger Damen, die auf einer Decke sitzend alles Mögliche rauchen und sich lautstark unterhalten.

– Viele telefonieren oder bedienen ihr Handy, wahrscheinlich sind auch die Fußballergebnisse interessant.

Zu allem Überfluss legt auch noch ein Samba-Partyschiff für 20 lange Minuten in direkter Hörweite. Die Wagner-Kenner werden vielleicht an den Fliegenden Holländer denken, wo sich der Matrosenchor mit dem Geisterchor um die musikalische Vorherrschaft duelliert. Axel Kober dirigiert unbeirrt und tapfer dagegen an, auch gegen die Kirchturmglocken und gegen das Martinshorn auf der Cecilienallee. Man kann es kaum anders als „mutig“ von allen Künstlern bezeichnen, trotz all der Nebengeräusche und der erheblichen Unruhe im Publikum, mit dem Herzen bei der hohen Kunst zu bleiben. Bei klar gespielten Sechszehntel-Noten, bei einem feinsten Pianissimo, das fast in der Geräuschkulisse untergeht.

Also noch mal die Überlegung: Was findet hier heute Abend eigentlich statt? Also wird ein Versuch erforderlich, es aus zu buchstabieren, was es sein könnte. Ein Spitzenerlebnis für den Opern-Gourmet ist es sicherlich nicht. Hochoffizielles Kulturgut in Abendgarderobe ist es schon gar nicht. Einfach irgendein Konzert am Rheinufer, tauglich für das nächste Mittags-Essen-Gespräch mit den Bürokollegen? Ein öffentliches Picknick mit Hintergrundmusik? Einfach nur ein Open-Air-Anlass an einem warmen Sommerabend, für alle Düsseldorfer mit Dutzenden von anderen Vergnügungen direkt dabei, damit der Abend auch gelingt? Das Revival einer frühen Barock-Oper, wo ja auch vorwiegend gegessen, getrunken und sich unterhalten wurde? Es ist eher wie ein Wimmelbild von allen möglichen Gruppierungen, die heute hier sind und die sonst nie zusammenkommen.

Düsseldorf / "Oper für Alle" der Rheinoper am 2.9.2023 am Rheinufer © Lucas Hirtz
Düsseldorf / “Oper für Alle” der Rheinoper am 2.9.2023 am Rheinufer © Lucas Hirtz

Eben: Für alle. Und das ist wirklich gut, so sehr sich der eine oder andere etablierte Opernfreund vielleicht in  seinem andächtigen Genuss gestört fühlen könnte. Es sind eben Einzelpersonen und Gruppen da, die sonst nicht auf die Idee gekommen wären, in die Oper zu gehen und sich völlig anders verhalten. Ihren ersten Eindruck bekommen, gerade auch viele Jugendliche. Bei denen vielleicht das erste Mal in ihrem Leben die Oper „um die Ecke winkt“ und sagt: „Ja, ich bin auch da“. Und der etablierte Opern- Veteran kann nach der Veranstaltung vielleicht voller Stolz behaupten: Ja, er geht nicht nur regelmäßig ins Opernhaus, sondern auch in Kino-Übertragungen, schaut Opern in der Mediathek.

Und schließlich hat er sich sogar völlig furchtlos ohne Berührungs-Ängste in diese Open-Air-Veranstaltung getraut. Am Ende des Abends kommt man schließlich auf dem Nachhause-Weg an der langen Reihe von Hausbooten am Rheinufer vorbei. Überall laute Partymusik à la „er gehört zu mir“. Die Bässe auf 100 Meter hörbar, Discofox für jeden. Aber egal: Heute haben viele auch mal klassische Musik gehört.

Vielleicht etwas, was doch längerfristige Wirkungen haben könnte. Und die Oper am Rhein hat gezeigt, dass sie nicht nur ganz hoch-offiziell auftreten kann, sondern auch erdig mitten drin gelandet in völlig ungewohntem Ambiente – vor erstaunlich viel Publikum. 17.000 Zuschauer sollen es gewesen sein.

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