Düsseldorf, Deutsche Oper am Rhein, Cosi fan tutte von Wolfgang A. Mozart, IOCO Kritik, 02.05.2011
Premiere 30. April 2011 Uhr
COSI FAN TUTTE - WOLFGANG AMADEUS MOZART
Mozarts letzte und vollkommenste Opera buffa Cosi fan tutte (uraufgeführt am 26. Januar 1790 am Burgtheater in Wien) ist ein geheimnisvolles Werk. Der Stoff ist kühl und genau konstruiert, mit starker Neigung zum Frivolen. Wolfgang Amadeus Mozart und Lorenzo da Ponte ging es in dieser Oper, ihrem dritten Gemeinschaftswerk, (nach Figaros Hochzeit und Don Giovanni) um eine Analyse der Beständigkeit bzw. Unbeständigkeit menschlicher "großen Gefühle".
Dieses Werk hebt sich qualitativ eindeutig aus der Reihe zahlloser Beziehungskomödien der damaligen Zeit heraus. Es hat - bis heute - eine zauberhafte Wirkung und Modernität. Cosi fan tutte ist eine Oper voller herrlicher Arien, ganz opera buffa und zugleich ein Lehrstück über menschliche Grausamkeiten, steckt scheinbar voller Symmetrie und zeigt doch in einer feinen Charakterstudie, wie Menschen mit der gleichen Herausforderung unterschiedlich umgehen.
Die Offiziere Guglielmo und Ferrando rühmen die Treue ihrer Bräute Fiordiligi und Dorabella - und glauben doch selbst nicht recht daran. Oder würden sie sich sonst vom Philosophen Don Alfonso zu folgendem grausamen Spiel verleiten lassen? Die Offiziere tauschen ihre Rollen, verkleiden sich, und jeder versucht die Braut des anderen zu verführen. Der zynische Don Alfonso und die durchtriebene Kammerzofe Despina sind die Steigbügelhalter des nun beginnenden Spiels, in dessen Verlauf die liebeskranken verkleideten Verlobten, die sich zum Beweis ihrer ewigen Liebe selbst vergifteten, von einem Quacksalber (Despina) mittels eines überdimensionierten Elektro-Magneten reanimiert werden und ein falscher Notar (ebenfalls Despina), den erpressten Treuebruch mit einem fingierten Ehevertrag besiegeln soll.
Auf die Enthüllung der Machenschaften folgt die Versöhnung. Am Ende ist alles scheinbar wieder gut und doch nichts mehr wie zuvor. Hier hatten Mozart und sein Librettist da Ponte den Ausgang der Geschichte 1790 wohlweislich offen gehalten. "So machen's alle"? Eine eindeutige Festlegung bei einem so heiklen Thema wäre in jener Zeit möglicherweise nicht klug gewesen.
Veralteter Kram aus dem Zeitalter der Aufklärung, oder brandaktuell? Mozarts delikateste opera buffa ist sehr schwer aufzuführen. Bei aller scheinbaren Leichtigkeit dieser Musik stellt Cosi fan tutte an Dirigent und Orchester außergewöhnliche Anforderungen. Es ist sehr heikel, diesen ganz besonderen Stil zu treffen. Es muss ein musikalischer Leiter am Pult stehen, der die Geheimnisse der Mozart-Partitur aufspürt und das spielerische Leichte ebenso trifft, wie jenen Humor, der in die Tiefen der Tragik herabsteigt.
Cosi fan tutte ist die Mozart-Oper mit dem "Empfindlichen Gleichgewicht", und die wohl anspruchsvollste, was die Bewältigung der orchestralen, vokalen und inszenatorischen Aufgaben angeht. Wenn da nicht alles aufs kunstvollste ausbalanciert ist, können sich ihr erotischer Zauber, ihr Esprit, ihre schillernde Hintergründigkeit, ihr ständiges Changieren zwischen Ernst und Scherz, Gefühl und Ironie, ihr geistreicher Witz und ihre graziöse Eleganz nicht voll entfalten. Für das nötige Gleichgewicht in dieser szenisch anspruchsvollen Oper müssten Regisseur und Dirigent gleichermaßen sorgen.
Mit Axel Kober stand ein restlos engagierter Musiker am Pult. Beseeltheit und Besessenheit, Energie und Temperament gleichermaßen zeichneten seine Interpretation aus. Warum blieb dennoch ein kleiner ungelöster Rest? Zu romantisch-weich, nicht "klassisch" klar genug die Diktion. Die Tempi noch nicht ganz ausgeglichen. Dirigent und Orchester vermochten jene edle, elegante, eben "kostbare" Klangkultur nicht vollkommen in dem Maße geben, wie Mozart sie fordert.
Regisseur Nicolas Brieger stellte Cosi fan tutte in einem etwas ungewöhnlichen Konzept vor. Während der Ouvertüre sah man alle Sänger, in modernen Kleidung ineinander verstrickt auf der Bühne Ringelreihen tanzen, um sich am Ende des Vorspiels wieder auseinander zu dividieren. Die Handlung wurde weit entfernt von Neapel in ein "Irgendwo" verlegt. Das Ambiente war eine fast leergefegte Minimal-Bühne, im Hintergrund eine hohe graue transparente Mauer, auf der je nach Bedarf die Köpfe von Guglielmo und Ferrando, oder auch später ein blattloser schwarzer Baum projiziert wurde. Auf dem Bühnenboden lagen sechs kubische Sitzwürfel herum, beschriftet mit den Initialen der Sänger. Die schwarzen Blöcke spielten anscheinend eine wichtige dramaturgische Rolle. Hin und wieder stülpten sich die beiden verliebten Männer freiwillig die großen Würfel über die Köpfe während sie sangen (selten bei Opernsängern).
Da die Bühne auch keinen Verweis auf eine zeitliche Einordnung gab, konnte man es sich mit den Kostümen auch leicht machen. Die beiden zu verführenden Damen erschienen in elegantem "Schwarz-Weiß", später, zur fingierten Hochzeit, in kurzen weißen Herren-Nachthemden mit Brautschleier und eleganten Stöckelschuhen. Die beiden Verlobten Ferrando und Guglielmo und auch Don Alfonso trugen den allseits bekannten blauen "Manager-Look", Beim Rollen- und Partnertausch wurden die Jacketts kurzerhand auf "links gezogen", und man steckte sich putzige Rokoko-Zöpfchen hinten, oder die rokoko-typischen "Rollmops-Löckchen seitlich ins Haar. Auch Despina trug die übliche zeitlose schwarz-weiße Kluft des "Dienstpersonals".
Nicht unerwähnt sei in dieser Inszenierung noch die Fern-Chorführung, sie wurde hier wohl nur als notwendiges Übel angesehen. Zu hören war der Chor über einen auf die Bühne geschobenen Fernseher.
Das Solistenensemble bot eine gute geschlossene Leistung, mit fein kultivierten Stimmen und beschwingtem Spiel: Sylvia Hamvasi hat sich gut in die vokal schwierige Partie der Fiordiligi eingefunden. Bis zur ersten großen Klippe, der "Felsenarie", in der es ihr ein wenig an gewichtiger, runder Mittellage und Tiefe fehlte, gelangen ihr im zweiten Akt die weniger dramatischen Arien und Duette. Sie sang sie mit Präzision, sicheren Koloraturen, großer persönlicher Ausstrahlung und sinnlichem Timbre. Ihre Schwester Dorabella sang Katarzyna Kuncio mit weichem, wendigem und warm timbiriertem ausgeglichenem Mezzosopran. In allen Lagen souverän und kultiviert. Die Duette Hamvasi und Kuncio waren die vokalen Höhepunkte des Abends. Jussi Myllys, der junge vielversprechende finnische Tenor sang die Partie des Ferrando angenehm und gekonnt. Auch als Darsteller gefiel er durch sein rollenorientiertes Spiel. Richard Sveda bot schauspielerisch und gesanglich eine überzeugende Leistung. Mit leichtem und schlankem Kavaliersbariton sang er einen jungenhaft und unbekümmerten Guglielmo. Der noch relativ junge Günes Gürle sang die sehr heikle Partie des Don Alfonso mit etwas raustimmigem und lautem Bassklang. Elzbieta Szmytka war die mit beiden Beinen auf der Erde stehende Despina. Ganz und gar nicht das übliche schnippische Kammerkätzchen, sondern eine erfahrungsgewitzte junge Frau, die sich über ihre Herrinnen ebenso wenig Zweifeln hingibt, wie über die Männer im allgemeinen.
Der Beifall des Publikums, geraume Zeit zaghaft, wurde am Schluss aber doch kräftig und anhaltend. Einige Mißfallensäußerungen für die Regie wurden geäußert. Vereinzelte Besucher verließen den Zuschauerraum vorzeitig. Die Vorstellung dauerte aufgrund der Auflassung der üblichen Striche bis ca. 23.15 Uhr.
IOCO / KK / 02.05.2011
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