Duisburg, Deutsche Oper am Rhein, Phaedra - Hans-Werner Henze, IOCO Kritik, 17.05.2012
Griechische Tragödien sind im Moment ganz aktuell. Manche sind hausgemacht, vor allem die jüngeren. Die älteren, die schon lange zurückliegen, erfreuen mehr, als dass sie verärgern.
Aktuell gab es im Theater Duisburg der Deutschen Oper am Rhein die Wiederaufnahme einer Tragödie, eine inzestuöse Mutter/Sohn-Beziehung. Sex und Crime vor Urzeiten, verarbeitet in Hans Werner Henzes Konzert-Oper “Phaedra“. Die erlebte 2007 an der Berliner Staatsoper ihre Uraufführung.
Am 29. Oktober 2010 hatte sie Premiere in Duisburg an der Deutschen Oper am Rhein als Koproduktion mit der „Kulturhauptstadt Europas RUHR 2010“ im Rahmen des Henze-Projektes. Die Produktion war erfolgreich und wurde nun am 17. 5. 2012 wieder aufgenommen.
Allein schon wegen der ausgewogenen, schnörkellosen Inszenierung von Sabine Hartmannshenn und dem wirklich großartigen Bühnenbild von Dieter Richter lohnte sich die Wiederbegegnung mit dem Stück. Auch die Kostüme von Susana Mendoza trugen dazu bei. (Dieses Team hat auch die Inszenierung von Strawinskys Oper “The Rake`s Progress“ erarbeitet, die am 23. 5. in Düsseldorf Premiere hat).
Henzes Musik mag nicht jedermanns Geschmack treffen, ist aber eine starke Musik, die in ihrer dramatischen Intensität, der Kunst zu untermalen und in jeglicher Situation alles präzise auf den Punkt zu bringen, überzeugt. Eine Kunst, die der nun 86jährige Komponist mit ungebrochener Schaffenskraft demonstriert.
Die musikalische Leitung hatte Wen-Pin Chien. Er und die prächtigen Duisburger Philharmoniker erzeugten eine kolossale Spannung. Von Chiens umsichtigen Einsätzen profitierten auch die Sänger, die sich dadurch ganz auf den Ausdruck ihrer diffizilen Rollen konzentrieren konnten.
Ursula Hesse von den Steinen gestaltete die Titelpartie. Ihr nuanciertes Spiel war ebenso glaubwürdig, wie die stimmliche Gestaltung, die mit feinsten Abstufungen die seelische Befindlichkeit der Partie musikalisch wiedergab.
Die Partie des Hippolyt, Phaedras Stiefsohn, hatte in Jussi Myllys einen absolut idealen Vertreter. Sein Tenor hat Biss, Farbe und eine wunderbare Flexibilität. Darstellerisch wurde er allen Anforderungen im höchsten Maße gerecht.
Stimmlich wie auch darstellerisch souverän verkörperte Anke Krabbe die Aphrodite. Ausdruckstark und mit außerordentlicher, spielerischer Präsenz war der Countertenor Vasily Koroshev eine ideale Artemis. Schöne Basstöne hörte man von Dmitry Lavrov aus dem Off als Minotaurus, den Jhane Hill mit viriler Ausstrahlung auf der Bühne gestaltete. Die stumme Rolle des Gehilfen der Artemis, spielte Harald Beutelstahl.
Es war ein in allen Sparten überzeugender Abend und er wurde von den wenigen Besuchern, die der Vorstellung beiwohnten, mit starkem Beifall bedacht.
Wie zu jeder Vorstellung der Deutschen Oper am Rhein, ob in Duisburg oder in Düsseldorf, wird auf die prekäre Situation des von der Schließung bedrohten Duisburger Hauses hingewiesen, wenn die langjährige Theaterehe der beiden Städte aufgelöst würde. An diesem Abend wiesen eine Mitarbeiterin der DOR und die Sängerin der Phaedra mit eindringlichen Worten das Publikum auf die Situation hin und baten, ihre Solidarität schriftlich auszudrücken. Überall im Haus lagen Unterschriftsbögen bereit.
IOCO / UGK / 17.05.212
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