Duisburg, Deutsche Oper am Rhein, Premiere Liebestrank - Die Macht des Belcanto, IOCO Kritik, 18.10.2015
Liebestrank: Und der Himmel hängt voller G...läser
Domenico Gaetano Donizetti (1797 – 1848) war einer der aktivsten Opernkomponisten aller Zeiten. 71 Opern komponierte Donizetti in seiner nur kurzen, von 1818 bis 1843 dauernden Schaffenszeit. Die große Opern Lucia di Lammermoor, Anna Bolena, Don Pasquale, La fille du régiment und L´elisir d´amore (Liebestrank) komponierte ein gereifter Donizetti erst ab 1830; sie füllen bis heute die Musiktheater in aller Welt: Die strahlende Glanzepoche des Belcanto, in welcher die Sänger mit anspruchsvollen Da-capo-Arien glänzen sollen, mit Verzierungen und reichen Koloraturen angereichert, erreicht in diesen Opern ihren Zenit.
Felice Romani, seinerzeit berühmter Operntextdichter, verfasste das Libretto zu L´elisir d´amore (Liebestrank); für die anschließende Komposition dieses Welterfolges benötigte der hoch beschäftigte Donizetti gerade einmal 14 Tage. Und doch: Die Premiere von L´elisir d´amore 1832 in Mailand war ein großer Erfolg.
Regisseur Juan Anton Rechi bringt im Theater Duisburg eine ganz dem Belcanto und modern plastischem Humor gewidmete Inszenierung. Das Bühnenbild prägt zwei Ebenen: Ein Gläsermeer, 3442 Sekt- und Weingläser, zur Ouvertüre als dunkel glitzernd Decke vom Schnürboden herab hängend. Später verströmen die Gläser als Bühnenhintergrund oder Kulisse in matt-milchigen wie blitzend-kristallinen Farben beständig den lebensfrohen Geist des Belcanto und des Mittelmeeres. So werden die Besucher schon mit Beginn der Vorstellung sanft zum Geist des Liebestrank geleitet. Szenischer Kontrapunkt zum Gläsermeer ist, auf der Bühne, eine in steter Aufruhr und Bewegung befindliche Hochzeitsgesellschaft (Bühne Alfons Flores). Ob in einem modernen Restaurant trinkend, essend oder in mediterraner Bekleidung tanzend; ob Torten in den Gesichtern von Belcore und Nemorino landen; ob schicke Handys aller Gäste oder deren packende Pantomime zum Duett Nemorino und Adina; ob die Braut mit sichtbar schmerzvollen Wehen immer wieder das Mitgefühl der Besucher sucht; ob Dulcamara als moderner Quacksalber in goldfarbenem Kostüm mit gegeltem, schwarzen Haar und schwarzer Sonnenbrille auf einer ebenfalls goldfarbenen Theke Pülverchen mischt: Rechi gelingt mit seinem Liebestrank eine moderne wie homoreske Produktion.
Die Liebestrank-Solisten, alles Ensemblemitglieder der Rheinoper, überzeugten stimmlich wie darstellerisch: Luiza Fatyol glänzt in ihrem Rollendebüt als Adina mit gut geführtem Sopran; Georgy Vasiliev überzeugte in seinem Düsseldorfer Debüt als Nemorino als ausdrucksvoller Träumer mit wohltimbriertem Tenor, wenngleich er zu seiner großen Arie des Abends, Una furtiva Lagrima, stimmliche Probleme zeigte. Laimonas Pautienius zeigte einen herrlich dominant überheblichen wie stimmsicheren Belcore.
Bruno Balmelli, seit Jahren in vielen großen Partien an der Rheinoper und auswärts erprobt, fasziniert darstellerisch kraftvoll und als ölig verschlagener Dulcamara mit breiten, festen Bariton auf und neben seinem güldenen Verkaufstresen. Auf der Bühne, zwischen und neben den Solisten wuselte eine, von Christoph Kurig wunderbar filigran eingestellte Hochzeitsgesellschaft, alias der Chor der Rheinoper. Vor der Bühne ließen der neue Rheinopern-Kapellmeister Giuliano Betta und die Duisburger Philharmoniker die Zeit des Belcanto mit differenzierendem Dirigat und sensiblen Piani hoch leben. Das Publikum im ausverkauften Theater Duisburg dankte, jubelte, feierte.
IOCO / Viktor Jarosch / 18.10.2015
Weitere Liebestrank - Vorstellungen: Sa 31.10. – 19.30 Uhr | So 08.11. – 15.00 Uhr | Sa 14.11 – 19.30 Uhr | Fr 01.04.2016 – 19.30 Uhr
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