Duisburg, Deutsche Oper am Rhein, Die Zauberflöte - Musical Cool, IOCO Kritik, 21.12.2013
Die Zauberflöte - Barrie Kosky
Im Bann von Projektionen und Slapstick
von Viktor Jarosch
Die Opern Wolfgang Amadeus Mozart und seines Librettisten Emanuel Schikaneder begeisterten durch die Jahrhunderte. Noch heute ist Mozarts jene 1791 geschaffene Zauberflöte die populärste und meist inszenierte Oper weltweit. Mozarts abgeklärt zeitlose Musik, die symbolhaften Akkorde und seine rätselhafte mystisch-phantastische Welt rührt jedes Jahr Millionen Besucher. Am Nektar dieses Erfolgs saugen seit 1791 Legionen von Regisseuren, Dirigenten und Sänger.
So auch der Regisseur Barrie Kosky, welcher 2012 für seine Komische Oper Berlin eine zeitgeistverstrickte Zauberflöte produzierte.
Die Zauberflöte der Regisseure Barrie Kosky und Suzanne Andrade bricht mit Opern-gewohnten Regieansätzen und kreiert eine moderner Leichtigkeit gewidmete Animationsshow, musikalisch untermalt von Mozarts Komposition: Eine die Bühne verdeckende Wand dient als riesige Projektionsfläche für eine zweistündige multimediale Bilderflut. In Öffnungen dieser Wand treten, von kräftigen Bild- und Tonanimationen begleitet, die Protagonisten der Zauberflöte auf. Ein schmaler Bühnenraum vor der Wand dient dem Chor oder Solisten gelegentlich für bescheidene darstellerische Ausflüge. Ein Musical wurde geboren. In schwindelerregender Höhe müssen angegurtete Sänger durch Drehtüren, um, hoch oben, auf kleinen Podesten ihre Einsätze zu treffen und Arien zu singen. Eingefleischten Rampensänger bietet diese Inszenierung wenig Platz. 800 technische Befehle steuern die animierten Bilder durch die Vorstellung.
Die erste Handlung bereits trifft die volle Kraft von Projektionen: Ein riesiger Bauch einer vermeintlichen Schlange (Bild 1), darin zahllose Skelette an die Wand projiziert. In diesem Bauch rennt Tamino, animiert, singend um sein Leben: „Zu Hilfe! Zu Hilfe! Sonst bin ich...“ , die laufenden Beine perfekt abgefilmt. Die Drei Damen töten die Schlange mit Pfeilen, welche ihre Augen verschießen. Die Königin der Nacht füllt als riesige Monsterspinne nahezu die gesamte Bühnenwand aus. Ihre langgliedrigen, scharf bezahnten Laufbeine bewegen sich drohend, perfekt animiert. Auf der Bühne fügt sich das Ensemble in die Bewegungen der Monsterspinne ein.
Die Drei Knaben schweben mit Schmetterlingsflügeln in der Wandmitte. Auch Sprüche werden projiziert: Die Drei Damen erhalten die Namen: „Schwatz“, „Klatsch“, „Tratsch“: Auf die Wand projiziert, in altdeutscher Schrift, liest man sie. Flotter Musical-Jargon der Regie.
Beim Auftritt von Monostatos liest man an der Wand: „Kill Sarastro“. Auch Mozarts Freimaurer-Gebote tauchen bei Sarastros Auftritt wie anderswo eher nebensächlich auf: "Weisheit", "Gerechtigkeit". Gegelte schwarze Haare, geweißte Gesichter, Kleidung wie Hüte bei Chor und Ensemble holen die Stummfilmzeit zurück; Charlie Chaplin oder Buster Keaton werden klammheimlich im Ensemble vermutet. Zur Arie „Ein Mädchen oder Weibchen..“ werden in Sektgläsern badende und bald darauf abfliegende rosa Elefanten projiziert, vom Himmel regnet es Noten.....Mozarts musikalische Feinheiten verschwimmen im Sog von „Schwatz“, „Klatsch“, „Tratsch“. Typisch für das Regiekonzept von Barrie Kosky und Suzanne Andrade war die kaum wahrnehmbare Panflöte des Papageno. Viel Lachen und Kichern im Publikum begleiten stattdessen diese Inszenierung. Eine moderne Zauberflöte, gemacht für ein zeitgeistiges, spaßaffines Publikum.
Die farbig lebendigen Projektionen lassen das Orchester wie Solisten leider verblassen. Die Duisburger Philharmoniker unter der Leitung von Wen-Pin Chien wirkten wenig strahlend, fast gehemmt. Die Tempi der fallenden, laufenden Bilder beschneiden die darstellerische Kraft des Ensembles. Die Stimmen des Ensembles gefallen zwar durchweg, nur schaffen sie keine Dominanz. Sami Luttinen in der Rolle des Sarastro füllte das Haus mit tiefem schwarzem Bass. Auch Heidi Elisabeth Meier, meistert ihre schwierige Partie der Königin der Nacht mit sicheren aber zurückgenommen wirkenden Koloraturen. Jussy Myllys glänzte dagegen als Tamino, mit kräftig höhensicherem Tenor. Anke Krabbe als Pamina und Luiza Fatyol als Papagena in verwöhnen die Besucher mit ihrem gut geführten, klangschönen Sopran. Dmitri Vargin als Papageno füllt seine Partie mit sattem Bariton und starker darstellerischer Präsenz.
Projektionen, Slapsticks und flache Gags verwandeln die Zauberflöte der Rheinoper in einen Mozart-light, ein flottes Musical von unterhaltender flapsiger Leichtigkeit. Barrie Kosky implantiert die simplen Botschaften des Musical-Königs Andrew Lloyd Webber (Phantom der Oper, Cats) in Mozarts Zauberflöte: Anspruchsvolle Technik, Gags, Slapsticks, rührende Lovestory; und füllt damit die Komische Oper Berlin und die Deutsche Oper am Rhein bis auf den letzten Platz und trifft Erwartungen vieler junger Menschen. Mozarts Genius, nachdenkliches zu Menschlichkeit und Weisheit, sängerische wie orchestrale Reife findet sich nur leise versteckt, in der zweite Reihe.
Willkommen in der Spaßgesellschaft oder Oper, Willkommen in der Moderne
Zauberflöte Vorstellungen an der Rheinoper Düsseldorf: 20.9.2014; 12.9.; 25.9.; 28.9.; 3. Oktober; 11.10.; 12.10.; 18.10.; 24.10; 14.11.; 20.11.2014 und mehr---| IOCO Kritik Deutsche Oper am Rhein Duisburg |---