Duisburg, Deutsche Oper am Rhein, ADRIANA LECOUVREUR - Francesco Cilea, IOCO Kritik, 15.01.2023

Duisburg, Deutsche Oper am Rhein, ADRIANA LECOUVREUR - Francesco Cilea, IOCO Kritik, 15.01.2023
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Deutsche Oper am Rhein

Theater Duisburg © IOCO
Theater Duisburg © IOCO

ADRIANA LECOUVREUR - Francesco Cilea

- Hollywood-Glanz mit Schönheitskonkurrenz im Theater Duisburg -

von Uli Rehwald

Adriana wer? Oh je, sollte das eine Bildungslücke für den Opernliebhaber sein? Soviel schon vorweg: Nein, es ist keine große Bildungslücke. Heute, am 14.01.2023, sehen wir im Theater Duisburg / Deutsche Oper am Rhein die Premiere von Adriana Lecouvreur, einer Oper, die selten gespielt wird. Der Komponist, Francesco Cilea, 1866 - 1950, ein Zeitgenosse Giacomo Puccinis, ist heute leider eher unbekannt. Nur dies eine Werk von Cilea, Adriana Lecouvreur, wird gelegentlich aufgeführt. Die Oper gehört zur Schule des Verismo, wie Cavalleria Rusticana von Pietro Mascagni.

Adriana Lecouvreur war vor ca. 300 Jahren die glamouröse, skandalumwitterte Theater-Diva schlechthin. Der Mega-Star der Comédie-Francaise in Paris. Gewissermaßen die Marilyn Monroe oder der Michael Jackson aus unserer Zeit. Und in ihrem wirklichen Leben ist sie in noch jungen Jahren „sehr opernhaft“ im März 1730 in Paris im Theater nach einer Aufführung gestorben.

ADRIANA LECOUVREUR  - Deutsche Oper am Rhein youtube Deutsche Oper am Rhein [ Mit erweitertem Datenschutz eingebettet ]

Schon Verdi hat sich mit diesem Stoff beschäftigt, ihn aber nicht in eine Oper umgesetzt. Dabei bietet der Plot mit einer dramatischen Dreiecksgeschichte wirklich alles, was eine hervorragende Oper mit starken Effekten ausmacht: große Liebe, Verzweiflung, Intrigen, blutrünstige Rache-Gefühle und Mord an der Rivalin. Die Charaktere des Dreiecks:

  • Adriana (die Titelheldin)
  • Maurizio (der Mann, um den die beiden Frauen heftig buhlen),
  • die Fürstin von Bouillon (die Rivalin).

Adriana glaubt nur an das Theater und fast naiv an die vermeintlich ganz große Liebe zu Maurizio. Dieser reinen Liebe steht jedoch ein Maurizio gegenüber, ein Kriegs- und Frauenheld im Adelsstand, der eher ein opportunistischer Schürzenjäger und sehr wankelmütig ist. Aber gleichwohl hinreißend für beide Frauen ist. Liebt er nur die prestigeträchtige Diva, aber nicht die Person Adriana? Die alternde Fürstin von Bouillon, selbst verheiratet, ebenso schön wie niederträchtig, ist die Rivalin von Adriana und lockt Maurizio mit politischen Vorteilen und schreckt nicht vor den schäbigsten Methoden zurück, um ihn zu halten. Schließlich sorgt sie dafür - rasend eifersüchtig auf ihre Rivalin, dass Adriana mit einem Blumenstrauß vergiftet wird.

Als ob dieser Zündstoff der Dreiecksgeschichte noch nicht genug wäre, „balanciert“ dieses Dreieck der Oper zusätzlich sehr effektvoll auf der imaginären Grenze zwischen Realität und Theaterrolle, an der Grenze von Verheimlichen-müssen und offener Bühne. Genau an diesem Schnittpunkt von Realität und Theaterwelt entsteht ein ganz großer Opern-Moment:

Deutsche Oper am Rhein / ADRIANA LECOUVREUR hier Ramona Zaharia (Die Fürstin von Bouillon), Liana Aleksanyan (Adriana Lecouvreur) © Hans Joerg Michel
Deutsche Oper am Rhein / ADRIANA LECOUVREUR hier Ramona Zaharia (Die Fürstin von Bouillon), Liana Aleksanyan (Adriana Lecouvreur) © Hans Joerg Michel

Im 3. Akt wird Adriana anlässlich einer festlichen Gesellschaft aufgefordert, etwas aus ihren Rollen zur Unterhaltung vorzuspielen. In Anwesenheit ihres Geliebten und ihrer eifersüchtigen Rivalin wählt sie einen Theatertext, der sich eignet, die Rivalin öffentlich bloßzustellen. Rein musikalisch geschieht das in einer Besonderheit, indem dies zunächst in einem „komponierten Sprechgesang“ vortragen wird, eine Opern-Rarität. Auch hier an der Grenze zwischen Adrianas wahren Gefühlen und der gespielten Rolle, bis sie schließlich ihren naiven Standpunkt aufgibt und die öffentliche Abrechnung – dann wieder in Gesangstimme- mit der Rivalin wagt.

Wie präsentiert uns der Regisseur Gianluca Falaschi den historischen Stoff dieser Räuberpistole? Nun, er verlegt die Handlung in die goldene Blütezeit von Hollywood, in die vierziger Jahre. Und natürlich wird auch hier die Frage gestellt: Was ist Realität und was ist gespieltes Theater? Was geschieht hinter den Kulissen? Wer ist die Theater-Diva wirklich, wenn sie nicht mehr spielt? Diese Interpretation passt richtig gut zum Stück, geht sinnvoll auf. Darüber hinaus verantwortet Gianluca Falaschi auch Bühnenbild und Kostüme, ein wahrer Rausch von sehenswerten Hollywood-Kostümen ist die gute Folge. Im 3. Akt, dem Fest, glaubt man eher einem Musical oder einer Revue beizuwohnen als einer Oper. Kostüme wie im Varieté, große Roben, Glanz und Glitter mit „Hollywood-Filmmusik“. Zum Genießen.

Deutsche Oper am Rhein / ADRIANA LECOUVREUR hier Ensemble und Chor © Hans Joerg Michel
Deutsche Oper am Rhein / ADRIANA LECOUVREUR hier Ensemble und Chor © Hans Joerg Michel

Die Oper ist von Cilèa als große „Diven-Oper“ komponiert mit allem, was sich ein Sopran an Glanzstücken nur wünschen kann. Und daher steht und fällt auch die heutige Aufführung mit der Besetzung der Titelpartie. Sie muss nicht nur im Singen mehr als überzeugen, fast noch wichtiger ist das glaubhafte Darstellen-Können dieser Diva. Wie schlägt sich Liana Aleksanyan als Adriana angesichts dieses hohen Anspruchs? Wir hören eine glanzvoll disponierte Sängerin, die stimmlich wirklich alles drauf hat für diese Rolle. Eine Sterbe-Szene zum Niederknien, lyrischer Liebensglanz, berückendes Piano, strahlend im Forte.

Eduardo Aladrén in der Rolle des Maurizio verfügt über wahrlich glanzvolle Höhen und kräftig-virilem Metall in der Stimme. Bloß sympathisch wird er nicht bei dem, was er heute mit wankelmütiger Schein-Liebe spielen muss.

Die Rolle der Fürstin von Boullion ist ja schon von Cilèa als böser Rache-Engel angelegt. Was Ramona Zaharia in dieser Rolle heute zeigt, ist eine Steigerung zu einem Musterbild einer niederträchtigen wie hinreißenden Femme fatal, sowohl spielerisch als auch sängerisch. Wenn sie stimmlich ihre manipulativ-strahlende Seite auflegt, ist kein Denken mehr an eine Rivalin möglich. Ein Glückgriff in der Besetzung. Wie wird man in einer Rolle eines „intriganten Miststücks“ fast zu heimlichen Star des Abends?

Beniamin Pop in der Rolle des Fürst von Boullion besticht durch enorme stimmliche Kraft und Präsenz. Den Sonderpreis der kleineren Rollen erhält diesmal Tae-Hwan Yun als Abbé von Chazeuil. Er gibt hier den Maitre de Plaisir, sprüht vor Spielfreude, spielt auch ohne Text bemerkenswert weiter. Anooshah Golesorkhi in der Rolle des Michonnet überzeugt in der Rolle des vergeblich Liebenden (auch er liebt die für ihn unerreichbare Adriana), führt uns in die rührenden kleinen Momente jenseits von Glanz und Glitter.

Heute müssen die Damen des Chor der Deutschen Oper am Rhein, Leitung Patrick Francis Chestnut, unbedingt erwähnt werden. Im großen Fest des 3. Aktes wird eine echte Hollywood-Schönheitskonkurrenz veranstaltet. Alle Chordamen (nein, nicht die Ballett-Damen) machen den "Catwalk für den Fürsten", sogar mit Nummern. Das Publikum genießt mit. Dass die normalen Chordamen hier wirklich als hüftwiegende Schönheitsköniginnen reüssieren, gehört sicher die den Geschichten, die noch Jahre später erzählt werden.

Die Duisburger Philharmoniker unter der Leitung von Péter Halász beherrschen sowohl die Intensität der tiefen, großen Opern-Momente (unglaublich im 4. Akt) als auch die leichte, beschwingte Musical-Färbung im 3. Akt. Sehr duftig und klangfarbig heute besonders viele Piano-Stellen.

Lang anhaltender, begeisterter Applaus. Viele Bravo-Rufe, natürlich am meisten für den Star des Abends, Liana Aleksanyan.

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