Düsseldorf, Tonhalle Düsseldorf, Adam Fischer: Neuer Chef der Düsseldorfer Symphoniker, IOCO Aktuell, 21.02.2015
Ádám Fischer: Neue Führung - Neue Struktur = Aufbruch?
Die Düsseldorfer Symphoniker, eines der großen Orchester Deutschlands, muss sich neu finden. Felix Mendelssohn Bartholdy, Robert Schumann, 130 Musiker, großartige Traditionen sind Wegbegleiter eines Orchesters, welches 2014 sein 150-jähriges Bestehen feierte. Für große Städte nicht unüblich besitzen die Düsseldorfer Symphoniker eine komplexe Doppelstruktur: Für die Oper Düsseldorf produziert man 120 Bühnen-Produktionen/ Jahr, als Hausorchester der Tonhalle Düsseldorf liegt die musikalische Grundrichtung bei 50 Konzerten/Jahr.
Der charismatische Amerikaner John Fiore leitete bis 2009 die Düsseldorfer Symphoniker gesamtheitlich und erfolgreich, eben als Chef des Opern- und Konzertorchesters. Fiores CD-Besprechungen von Opern und Konzerten sind bis heute Legende. Mit Fiores Abschied in 2009 änderte sich auch die Leitungsstruktur des Orchesters: Axel Kober übernahm das Opernhaus-Orchesters während der Russe Andrey Boreyko neuer Generalmusikdirektor des Konzert-Orchesters wurde. Axel Kober reüssierte an der Oper, doch Boreyko wurde mit seinem Konzert-Orchester nicht heimisch. Von den Printmedien (nicht IOCO) oft und heftig angegriffen erhielt Boreyko nur auf Gastreisen den Zuspruch, der ihm in Düsseldorf versagt blieb. Schon 2012 resignierte Boreyko, gab das Ende seines Vertrags für 2014 bekannt und flüchtete entnervt nach Brüssel. Dort wird er seither als Chefdirigent gefeiert.
Tonhallen-Chef Michael Becker hatte die Federführung in der Boreyko Nachfolgersuche. Nun, im Februar 2015, fand er ihn in Ádam Fischer. Einen neuen Generalmusikdirektor, wie 2013 von der Stadt gehofft, präsentierte Becker mit Ádám Fischer zwar nicht, ihm gelang aber trotzdem ein veritabler Coup. Der 1949 in Budapest geborene Ungar Fischer besitzt international durch viele Interpretationen, wie die der Wiener Klassik Komponisten Haydn, Mozart und Beethoven einen herausragenden Ruf. Fischer entstammt dem Opernfach, begann seine Karriere als GMD an den Opernhäusern in Freiburg, Kassel und Mannheim. 1984 debütierte er an der Pariser Oper mit Der Rosenkavalier, 1986 an der Mailänder Scala mit Die Zauberflöte. Sein Debüt an der Metropolitan Oper in New York erfolgte 1994 mit Otello, am Royal Opera House Covent Garden in London 1989 mit Die Fledermaus. 2001 dirigierte er Der Ring des Nibelungen zum ersten Mal in Bayreuth und zum Dirigenten des Jahres 2002 gekürt. Seine Konzerte mit dem vielleicht größten Orchester unserer Zeit, den Wiener Philharmonikern, wurden in Wien begeistert goutiert: Der Kurier schrieb im April 2014 von „einem hinreißenden musikalischem Erlebnis“.
Ádám Fischer wird zur Spielzeit 2015/16 Erster Konzertdirigent der Düsseldorfer Symphoniker, nicht aber hauptamtlicher GMD. Bis 2020 wird Adam Fischer mit den Düsseldorfern die symphonischen Werke von Gustav Mahler aufführen. Fischer widmet sich dem Gesamtwerk Gustav Mahlers in Verbindung mit Werken Joseph Haydns. Darüber hinaus widmet Fischer ein jährliches Sonderkonzert den Menschenrechten. Mit ihnen will er auf Missstände in der Welt hinweisen und seine Vorstellung der Aufgabe von Musik betonen. Auch wird Fischer als „Künstlerischer Berater der Tonhalle“ tätig werden. Besonderen Charme gewinnt die Bestellung Fischers für IOCO dadurch, dass er mit Axel Kober, dem Düsseldorfer Opern-GMD, über Jahre in Mannheim (2000 – 2005) eng zusammen arbeitete. Es wäre zu erwarten, dass Fischer und Kober, trotz organisatorischer Trennung, zentrale musikalische wie organisatorische Belange ihres gemeinsamen Orchesterkörpers abstimmen, um, wie zu Fiores Zeiten, zumindest eine fast einheitliche Leitung herzustellen.
An Adam Fischers Seite übernimmt der junge französische Dirigent Alexandre Bloch (1988) ab Ende 2015 die neu geschaffene Funktion des Principal Guest Conductors. Mit ebenfalls vier Konzerten pro Spielzeit bildet er einen thematischen Gegenpart zur Arbeit Adam Fischers. „Was für eine Freude, mit diesen Musikern zu arbeiten! Wir können viel miteinander teilen, voneinander lernen, erreichen und dem Düsseldorfer Publikum geben.“ Jan Perschel, Orchestervorstand, sieht in dem jungen Franzosen eine außergewöhnliche Begabung: „Wir sind sehr glücklich, mit Adam Fischer und Alexandre Bloch in den nächsten Spielzeiten zusammenzuarbeiten.“ Düsseldorfs Stadtobere erklären naturgemäß große Zufriedenheit. Für Oberbürgermeister Thomas Geisel deckt sich die Haltung Fischers mit der heutigen Aufgabe von künstlerischem Engagement: "Die Wahl von Adam Fischer und seine Entscheidung für Düsseldorf spiegelt mein Verständnis kultureller Strahlkraft wider. Maestro Fischer entwickelt gemeinsam mit einem Orchester Botschaften, die weit über den reinen Hochglanz hinaus reichen. Er ist ein kluger und mutiger homo politicus. Das ist es, was die Kultur heute braucht!“
Tonhallen-Intendant Michael Becker holte, es klingt fast ein wenig ungewollt, mit seiner Empfehlung von Ádám Fischer, mehr als „kulturelle Strahlkraft“ nach Düsseldorf. Das zukünftige Führungstrio Fischer, Bloch, Kober besitzt ab Herbst 2015 durch Herkunft und Homogenität beste Voraussetzungen, über gelungene Einzelkonzerte hinaus, dem Hybridgebilde „Düsseldorfer Symphoniker“ effiziente wie reibungsfreie Opern-Konzert-Strukturen zu geben. Die Bestellung von Ádam Fischer besitzt mehr Potential als für sicherlich mitreißende Gustav Mahler Konzerte. Fischers Mahler-Konzerte sollten nur erste hörbare Früchte in Düsseldorf sein. Manche stellen dafür bereits Sekt kalt. Bei der großartigen individuellen Qualität seiner Musiker, so die IOCO-Erwartung, sollten die Düsseldorfer Symphoniker unter der neuen Führung über Mahler hinaus zu neuen Ufern reifen. Mittelfristig sollten formidable Konzerte und Opernabende zur natürlichen Ernte einer aufgegangenen Saat werden! IOCO / Viktor Jarosch / 21.02.2015
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