Düsseldorf, Deutsche Oper am Rhein, Premiere Otello von Giuseppe Verdi, IOCO Kritik, 11.10.2016
Otello an der Rheinoper Düsseldorf: Ein Sturm, eine brutale Äußerung der Natur, leitet das Drama ein, und es schließt mit einem Kuss, dem innigsten Liebeszeichen des Menschen. Dazwischen richtet Jago, als nahezu mephistophelisches Modell eine Spottgeburt (Goethe) aus Neid und Hass, mittels einer banalen Intrige die von einem Paar als Erfüllung empfundene Verbindung zugrunde. Der Mann, Otello, von der afrikanischen Abstammung her.......
"Frauenmord auf Zypern"
Giuseppe Verdis OTELLO an der DEUTSCHEN OPER AM RHEIN
Von Albrecht Schneider
Ein Sturm, eine brutale Äußerung der Natur, leitet das Drama ein, und es schließt mit einem Kuss, dem innigsten Liebeszeichen des Menschen. Dazwischen richtet Jago, als nahezu mephistophelisches Modell eine Spottgeburt (Goethe) aus Neid und Hass, mittels einer banalen Intrige die von einem Paar als Erfüllung empfundene Verbindung zugrunde. Der Mann, Otello, von der afrikanischen Abstammung her in der Gesellschaft ein Außenseiter, der er trotz seiner militärischen Erfolge und seines Prestiges geblieben ist, zerbricht an dem Liebesverlust, der in der scheinbaren Untreue seiner ihn geradezu anbetenden Gattin Desdemona gründet. Er tötet die Frau.
Otello, der sieghafte General in Diensten Venedigs, bezwingt zwar dessen Feinde, allein die Strategie seines Fähnrichs und Verleumders Jago, eines Fürsten der Lüge, vermag er nicht zu durchschauen. Über die eigene Blindheit erst nach dem Mord aufgeklärt, will und kann er nicht weiterleben und ersticht sich. Sterbend küsst er die Geliebte ein letztes Mal.
Beginnend mit den ff. Tuttischlägen des Orchesters und in einem Ungestüm, das sich im Verlauf der vier Akte verflüchtigt, rauscht die Handlung gleich einem Unwetter vorüber. Mit einem in die Stille des Todes ausklingenden p. F-Dur Akkord kommt sie zu ihrem Ende.
In Michael Thalheimers Inszenierung an der Rheinoper zu Düsseldorf geschieht das alles in einem schwarzen Kubus. Nirgendwo leuchtet ein Farbfleck, nirgendwo haftet ein Zeichen, das Zeit und Ort des Geschehens, den Rang von Mann und Frau verrät. Alle sind schwarz gekleidet. Otellos Gesicht trägt Schwarz als Maske. Vielleicht auch als Stigma. Das anfangs den Vernichter der feindlichen Flotte begrüßende Volk von Zypern suggeriert als ein mächtiger schwarzer Menschenhaufen im Hintergrund eher Drohung denn Jubelgesang. Eingegrenzt von vier hohen, dunklen Wänden agieren die Figuren lediglich in einem schmalen Lichtkegel, und der erlaubt ihnen nicht immer einen Schatten zu werfen. In dem Milieu gedeiht die schwarze Seele des Jago, der die Beziehungen aller Personen um ihn herum erfolgreich zu demolieren unternimmt.
„Was ist das, was in uns hurt, lügt, stiehlt und mordet?“, fragt Danton in Georg Büchners Theaterstück bereits 1835. Eine Frage, die zeitlos ist. Und auf die es unendlich viele Antworten gibt.
Als Kopfgeburten des labilen Otello, als Kreaturen von dessen Wesens dunkler Seite, präsentiert der Regisseur die Akteure. Jago (Boris Statsenko), ein amoralischer Nihilist, Cassio (Ovidiu Purcel) ein ehrpusseliger, blasser Hauptmann, Roderigo (Florian Simson) ein manipulierbarer, triebgesteuerter Edelmann, Emilia (Sarah Ferede), Jagos Gattin, eine gedemütigte und sich zu spät befreiende Frau. Begreiflich werden sie durch die Herkunft des erfolgreichen Generals, dessen zwar hervorgehobenen, gleichwohl allzeit sturzbedrohten Rang in einer intriganten Umgebung, die ihn als exotischen Fremdling und Emporkömmling wie ein körperfremdes Implantat eher abstoßen als würdigen möchte. Von solcher Fraktion affektgesteuerter Dunkelmänner muss sich Desdemona (Jacquelyn Wagner) in einer unbedingten Hingabe an ihren Helden, wenngleich nicht sichtbar, leuchtend abheben. Bar jeder Dekoration und in dem kargen Licht gerät in Michael Thalheimers Exegese die Geschichte absoluter, unerbittlicher. Nichts lenkt ab, niemandem wird ein Moment der Besinnung erlaubt.
Das Orchester (Dirigent Axel Kober) bleibt der Partitur nichts schuldig. Niemals scheppern die Blechbläser, (was bei Verdi schnell passiert), das Englischhorn wird wohl sogar weinen können, und auch den Streichern ist die Musik hörbar wie auf die Instrumente geschrieben. Die Gemeinschaft der Musikanten äußert sich gleich stürmisch, heroisch, jubelnd, seufzend, klagend und endlich verklingend wie die stimmlich perfekten Sängerschauspielerinnen und -spieler über ihr.
Das Scheitern an den eigenen Ichs: Das Drama des Untergangs eines Menschen zwingend in Szene zu setzen, das ist auf der Bühne der Rheinoper überzeugend gelungen. William Shakespeare, der Otello 1622 in das Theater brachte, Arrigi Boito, der nach ihm das Textbuch verfasste, und Giuseppe Verdi wären vermutlich mit dieser Aufführung ebenso einverstanden gewesen wie das Düsseldorfer Publikum, welches mit großem Beifall nicht geizte. IOCO / Albrecht Schneider / 11.10.2016
Otello in der Deutschen Oper am Rhein: Weitere Termine 13.10.2016, 16.10.2016, 19.10.2016, 22.10.2016, 29.10.2016, 1.11.2016, 4.11.2016, 10.11.2016, 12.11.2016.
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