Düsseldorf, Deutsche Oper am Rhein, Der Graf von Luxemburg - Léhar neu geadelt, IOCO Kritik, 11.12.2016
Der Graf von Luxemburg an der Rheinoper
Léhars Operette neu geadelt und brillant zur Schau gestellt
Der Graf von Luxemburg: Weitere Vorstellungen in Duisburg oder Düsseldorf: 17.12.2016, 22.12.2016, 22.12.2016, 26.12.2016, 28.12.2016, 31.12.2016, 06.01.2017, 20.01.2017, 07.02.2017, 26.02.2017, 25.3.2017, 31.03.2017, 11.05.2017
von Albrecht Schneider
Hi Leute, möchte man an dieser Stelle rufen, ehe Ihr weiterlest, kauft schleunigst ein Ticket und schaut Euch den Grafen selber an. Drei hinreißende Stunden werdet Ihr erleben....
Bereits des Längeren kommt die Operette, die nach dem letzten Krieg vornehmlich in verkitschten Filmen überlebte, im Sog der Musicals und mittels peppiger Inszenierungen wieder, und diese Vokabel wird ihr durchaus gerecht, angetanzt auf den Bühnen der Staats- und Stadttheater. Nach wie vor liefert sie süße Gefühle und transportiert uns in eine schadstoff-freie Umgebung. Allein, nicht unentwegt bleibt der Verstand zugunsten des Sentiments ausgeschaltet, perlt die Musik nicht zwingend wie der Champagner aus der geöffneten Flasche. Das trifft gerade auf den Graf von Luxemburg zu, der zwar nach wie vor mit den unverzichtbaren Versatzstücken wie Liebe und Komik, mit Geld und unreinen Herzen hantiert, sowie üppig musikalisches Schaumgebäck serviert. Nur steigt bei ihm, als einem Kind des zwanzigsten Jahrhunderts, schon einmal der korrumpierbare Mensch aus dem Kostüm, schimmert durch die Schminke das wahre Gesicht. Und in reine Harmonie ist die Geschichte auch nicht durchwegs gebettet, sondern sie wird bisweilen durch Klänge unbequem, die eher der "seriösen" Musik zugehören.
Regisseur Jens-Daniel Herzog stellt in einem Paris der Jetztzeit einen Grafen vor, dem alles abhanden kam, vor allem das Geld, und dem jetzt noch das letzte abhanden kommt, was ihm nach einem munteren Playboydasein geblieben ist, nämlich die Distinktion seiner adeligen Gesellschaft.
Für eine halbe Million Francs verkauft er sich an den plutokratischen russischen Fürsten Basil Basilowitsch (steinreiche Russen sind für das Genre Operette seit ihrer Entstehung offenbar nahezu unentbehrlich), indem er zum Schein dessen Liebe, die Sängerin Angèle Didier, ehelicht. Die Dame soll mit ihrem Einverständnis auf diese Weise adelig, mithin zu einer standesgemäßen Partie erhoben und zur Heirat mit dem Russen salonfähig gemacht werden. Die Bedingung für den Grafen besteht darin, bei dem amtlichen Akt des Ringetauschs die potentielle Gattin nicht zu sehen zu kriegen und nach drei Monaten Pseudoehe in die Scheidung einzuwilligen.
Der Graf von Luxemburg - Franz Léhar youtube Trailer Deutschen Oper am Rhein [ Mit erweitertem Datenschutz eingebettet ]
Jetzt könnte man denken, das sei weniger eine vergnügliche, eher eine leicht unappetitliche Affäre, und als Operettenstoff kaum brauchbar. Allerdings findet sie im Künstlermilieu statt, und da geht es bekanntlich zwar immer ärmlich, dafür mächtig lustig zu. Dem aus pekuniärem wie feudalistischem Anlass verkuppelten Paar, das absehbar gegen Ende der Vorstellung zueinander finden wird, steht ein buffoneskes gegenüber: der Maler Armand Brissard, ein Freund des Grafen, möchte mit der geliebten Juliette Vermont, vormals Sängerin und nunmehr Zofe der Kollegin Didier, unbedingt intim sein. Eine Kopulation, zu der, ihr prinzipiell zuneigend, sie erst nach Heimkehr vom Standesamt bereit ist. Mit dem daraus resultierenden üblichen Kampf der Geschlechter, ausgetragen in gegenseitiger Körpermalerei, einer Art Action Painting mit weiter dazu gestoßenen Bohemiens und sonstigen Possen, zu denen der zunächst grämliche, danach trunkene Graf seinen letzten Sous beisteuert.
Somit ist der Knoten geschürzt, und von der Musik angesteckt darf das Spiel der guten wie miesen Gefühle, der Amüsierlust und des Katzenjammers hin zum Happyend beginnen. Aus dem Mit- und Gegeneinander von fünf Figuren mit unterschiedlichen Begierden schlägt die Inszenierung wahre Funken. Die Szene wechselt behende, vor das simple Maleratelier schiebt sich ein lausiges Zimmer, das der Abwicklung des lausigen Heiratsgeschäfts dient. Zu den Hauptfiguren gesellen sich des Fürsten Dreigestirn von russischer Gorillas (Bodyguards), das für mancherlei Slapstickeinlagen gut ist.
Im zweiten Akt wacht ein echter Drache als Pförtner vor dem Bühneneingang des Opernhauses, worin aufgrund ihrer Heirat die Frühverrentung der Sängerin Angèle Didier gefeiert wird. Dort kommt es zu einigen Turbulenzen, weil der Graf, jäh in die Künstlerin und anonyme Gattin verliebt, in deren Garderobe eindringt, Russenfürst und Leibgarde dazwischenfahren und zudem das Buffopärchen zwischen die Fronten gerät. Da tanzt und tobt die überkandidelte Gesellschaft derart herum, um Kritikaster die Nase rümpfen zu lassen ob der Holterdiepolterkomik. Aber geht hier nicht eine Operette über die Bühne?
Wenn die Grand Dame Oper bei soignierten Musikfreunden in höchstem Ansehen steht, so kehren sie dem Töchterchen Operette, als käme es wie ein leichtes, verdrehtes Mädchen angestakst, deswegen verächtlich den Rücken zu. Verglichen mit der altehrwürdigen Mutter wartete das oft hübschere und gewiss leichtsinnigere Kind mit schlichteren Geschichten auf, hüpfen, kreisen und verbiegen sich die Körper anders als in der Opera Seria oder dem Musikdrama. Und das alles passiert zu einer Musik, die den Ohren kaum wehtut.
In der Hotelhalle des 3. Aktes mutiert der Drache durch geschwinde Umkostümierung gleichermaßen zum Concierge, zum Liftboy wie zum Servierfräulein, und empfängt und bedient die just angereiste russische (!) Gräfin Stasa Kokozowa. Die nutzt ihr Couplet: Was ist das für ’ne Zeit, liebe Leut, um mittels einiger hinzugedichteter Verse dem Publikum zeitnah ein bisschen die Meinung zwar nicht zu geigen, doch immerhin zu singen. Ihrer Rolle obliegt die Lösung des Knotens, indem sie auf das ihr einst gegebene Heiratsversprechen des Fürsten pocht. Der erinnert sich dessen und entbindet das liebend Paar von seinen Verpflichtungen. Hiermit dürfen die zwei in eine bereits geschlossene, bislang nicht vollzogene, bloß hoffentlich beide Partner beglückende Ehe entschreiten.
Ja, wir sind in der Operette, und deren Bedingung ist Tempo, befeuert von der Musik. Bo Skovhus, ein Graf von Habitus und Stimme, lässt sich von ihr treiben. Selten erlaubt sie Momente, in denen die Protagonisten zu sich selbst finden. Dann singt der Luxemburger Aristokrat mit changierender Prosodie und den Banknoten zwischen den Fingern von lachendem Glück und der Liebe, womit sowohl das Geld gemeint sein kann wie die unbekannte ferne Frau, deren Parfüm Trèfle incarnat noch im Raum schwebt. Dessen Duft wird ihn später dazu anstiften, in melancholischen Tönen die eigene unredliche Handlungsweise zu reflektieren. Sein Singen weiß genau, wann Partitur und Augenblick die heldische, die getrübte oder die fidele Klangfärbung fordern.
Gleiches lässt sich von Julia Banse sagen, welche die distinguierte wie kokettierende Sängerin Angèle Didier in jeder Hinsicht verlebendigt. Franz Léhars Komposition ist von sinfonischer, von operndramatischer Qualität und der eines Giacomo Puccini, was die Künstler selbst betonen, durchaus ebenbürtig. Bo Skovhus und Julia Banse: Zwei berühmte Namen, die den ihnen vorauseilenden glänzenden Ruf sicht- und hörbar bestätigen. Beider Leistung vor Augen und im Ohr wäre stimmliche Kritik beckmesserisch, weil sie sich nicht unbedingt im Schöngesang äußern müssen, sondern in einer die jeweilige Situation beglaubigenden Klangrede.
Bruce Rankin, der Fürst Basil Basilowitsch, singt sich vortrefflich vom selbstherrlichen Boss über den verliebten Gockel hin zum kapitulierenden Trauerklößchen, Lavinia Dames und Cornel Frey geben das Künstlerpärchen Juliette Vermont und Armand Brissard und stehen den Kollegen in nichts nach. Gewissermaßen in der Nachfolge von Kolumbine und Harlekin agieren sie gleich springlebendigen sinnlichen Rivalen des leicht verdorbenen und berechnenden ersten Paares.
Der Schauspieler Oliver Breite wechselt wie ein Irrwisch die Kleidung und das Geschlecht, um überzeugend sämtliches Hotelpersonal zu mimen, während Susan Mclean als Gräfin Stasa Kokozowa der Zeit und dem Publikum singend die Leviten liest und sich alsbald den Fürsten schnappt.
Das Orchester unter Lukas Beikircher macht dem Ensemble ordentlich und con fuoco Beine, denn die Musik will tanzen und tanzen lassen. Dass es manchmal voller Temperament über die eigenen Füße stolpert, was soll’s, trägt es doch die Sänger jederzeit sicher durch die Partitur und unterschlägt oder verschleiert nicht Töne, die unter der Melodielinie bisweilen der scheinbar allseitigen guten Laune widersprechen wollen.
Das vorwiegend soignierte Publikum im Düsseldorfer Opernhaus schien die von Sibylle Gädeke ausstaffierte und von Mathis Neidhardt eingerichtete Operette Der Graf von Luxemburg zu goutieren. Der Beifall zumindest ließ darauf schließen. Sofern sie weiterhin so leichtfüßig und elegant auftritt, dürfte sie den Herrschaften bald richtig ans Herz wachsen. Wie auch immer, Leute, es bleibt dabei: Gehet hin und kauft Euch ein Ticket. Von Albrecht Schneider
Der Graf von Luxemburg: Weitere Vorstellungen in Duisburg oder Düsseldorf: 17.12.2016, 22.12.2016, 22.12.2016, 26.12.2016, 28.12.2016, 31.12.2016, 06.01.2017, 20.01.2017, 07.02.2017, 26.02.2017, 25.3.2017, 31.03.2017, 11.05.2017
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