Düsseldorf, Deutsche Oper am Rhein, Arabella von Strauss - Lebensnah und Aktuell, IOCO Kritik, 22.09.2015
Arabella in lebensnaher, frischer Aktualität
Hugo von Hofmannsthal (1874 – 1929), großer deutscher Dichter und Dramatiker, schuf mit Richard Strauss (1864 – 1945), von 1906 bis 1929 eine „Serie“ von Opern-Welterfolgen mit eigener, einzigartiger Faszination. Arabella, ihr letztes gemeinsames Werk, wurde 1933, lange nach Hofmannsthals Tod (1929) uraufgeführt. Zuvor hatten die Opern Elektra (1906), Rosenkavalier (1911), Ariadne auf Naxos (1912), Die Frau ohne Schatten (1919), Die ägyptische Helena (1928) eine konfliktreiche Künstlerfreundschaft gefestigt. 1929 starb Hofmannsthal, erschüttert von dem unerwarteten Selbstmord seines Sohnes Franz (26), an einen tödlichen Schlaganfall. Hofmannsthals Libretto aus 1929 vertonte Strauss Jahre später ohne jede Änderung.
Seine Ideen zu Arabella beschrieb Strauss 1927 an Hofmannsthal 1927: „…hab nichts mehr zum arbeiten… dichten Sie…darf ein zweiter Rosenkavalier sein“. So ist in Arabella durch Wien und Walzer die Nähe zum Rosenkavalier gelegentlich spürbar. Jedoch: Während Musik und Handlung des Rosenkavalier einen zarten Kunstraum wiedergeben, herrschen in der Komödie Arabella praktische, profane wie feine lebensnahe Realitäten der K.u.K.-Monarchie. Handlungs- und Sprachvielfalt wie der von Strauss geschaffene kompositorische Reichtum, quer durch den tonalen und atonalen Quintenzirkel, dazu Handlung und Personen mit zahlreiche Leitmotive beschreibend, geben guten Regisseuren und Dirigenten faszinierende Möglichkeiten spannendes Musiktheater auf die Bühne zu bringen. Die komplizierte Handlung um das verarmte Wiener Ehepaar Waldner, welches mit allen Mitteln und ihrer schönen Tochter Arabella auf einen Faschingsfest letztlich zu Vermögen kommen möchte, wird in Düsseldorf frisch und lebensnah produziert.
Die Regisseurin Tatjana Gürbaca und ihr Team bringen eine lebendig moderne Arabella-Inszenierung auf die Bühne der Rheinoper. Tiefsinn und Humor von Arabella erhalten durch packende Komik, modern wie sprühend auftretende Darsteller/-innen und gut verständlichen Gesang einen attraktiven Zeitgeist. Gürbacas Arabella hat nur noch entfernte Bezüge zum gestelzten, gepuderten K.u.K. des 19. Jh.. Ihre spannende Inszenierung lebt lyrisch mitreißend im Alltag des 21. Jh.; Ein sparsames Bühnenbild (Henrik Ahr), moderne, beschreibende Kostüme und ein darstellerisch prächtig eingestelltes Ensemble (Dramaturgie Anne do Paco). Zwei weiß-lackierte, den Rückraum der Bühne abdeckende Drehtüren bilden so wirbelndes Hotelleben ebenso ab wie die darin verarmt lebenden Waldners. Das sehr sparsame Bühnenbild zwingt geradezu den Fokus des Besuchers auf Darstellung und Gesang der handelnden Akteure.
Das Ensemble spielt so gut sichtbar auf der vorderen Bühne und singt, ein wohl eher unerwarteter Regie-Effekt der großen, lackierten Drehtüren, mit auffällig perfekter Akustik. Strauss´ expressive Musik und Hofmannsthals´ duftig fragile Sprache wirken in dieser Inszenierung selten rein und frisch. Dort, im vorderen Bühnenabschnitt, wird zudem mitreißend gespielt, gesungen, belauscht, gehandelt. Und Spannung zeigt sich so schon mit Beginn der Oper und der Frage der Kartenaufschlägerin (Romana Noack) „ Wie sind unsere Karten?“.
Dirigent Lukas Beikircher führt die Düsseldorfer Symphoniker und Ensemble gewohnt präzise und lebendig. Die besondere Akustik dieser Inszenierung lässt jedoch gelegentlich die für Strauss so wesentliche instrumentale Feinfühligkeit – noch etwas - vermissen. Dafür jedoch glänzt das gesamte Ensemble mit kraftvoll lyrischen Stimmen und gutem Parlando: Die junge Amerikanerin Jacquelyn Wagner überzeugt in ihrem Debut als ernsthafte, distanzierte Arabella mit sicherem, jugendlich kraftvollem Sopran. Doch auch ihre Partner überzeugen ohne Ausnahme: Anja-Nina Bahrmann beherrscht ihre Partie als burschikoser Bruder alias Schwester Zdenka mit lyrisch differenzierender Stimme. Simon Neal als stets präsenter Mandryka, Corby Welsh als verliebter wie leidender Matteo oder Thorsten Grümbel als intrigierender und profaner Theodor Graf Waldner leben ihre Partien mit Darstellungskraft und sicheren, wohltimbrierten Stimmen. Die drei, sich stets um Arabella bemühenden Grafen (Jussi Myllys, Dmtri Vargin, Günes Gürle) zeichnen in Reiteroutfits wiederum darstellerisch wie stimmlich großartig ein flaches Bild leichtlebigen Lebenswandels.
Die lebensnahe Sprache Hofmannsthals und die differenzierende Komposition Strauss´ treffen ihrer stimmigen Gesamtheit von Inszenierung über Darstellung wie Gesang den modernen Zeitgeschmack: Anteilnahme, Betroffenheit, Mitgefühl werden beim Besucher angesprochen. Mit dieser Arabella-Inszenierung besitzt die Rheinoper in Düsseldorf eine lebensnahe wie frische Produktion, welche in ihrer Modernität und Lebensfreude noch viele Besucher anziehen und begeistern wird.
IOCO / Jarosch / 22.09.2015
---| IOCO Kritik Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf |---