Dresden, Kulturpalast, SINFONIEKONZERT DRESDENER PHILHARMONIE, IOCO

Dresden, Kulturpalast, SINFONIEKONZERT DRESDENER PHILHARMONIE, IOCO
Tabita Berglund Dresdner Philharmonie copyright wunderwadphoto

31. Januar 2025

Ein wesentliches Interesse des Publikums gilt zuallererst der designierten Ersten Gastdirigentin des Orchesters, der 35 Jahre jungen norwegischen Dirigentin Tabita Berglund, hat sie doch seit ihrem Dresdner Debut 2023 eine beachtenswerte Karriere vorzuweisen. Nach einem erfolgreichen Masterstudium bei dem Cellisten Truls Mørk und zwei Jahren solistischer Arbeit belegt sie einen Masterstudiengang an der Norwegischen Musikakademie im Fach Dirigieren, den sie 2019 abschließt. Meisterkurse, u.a. bei Jorma Panula, der die jüngere Dirigentengeneration so nachdrücklich prägt, runden die Ausbildung ab.

Tabita Berglund gelingt es sehr schnell, sich international den Ruf als eine der talentiertesten und interessantesten Dirigentinnen zu erwerben. In Europa, in den USA und Japan wird sie geschätzt für ihre natürliche, inspirierende und charismatische Ausstrahlung, für ihre außergewöhnliche musikalische Interpretation – wie sich erweisen soll, ein Glücksgriff für die Dresdner Philharmonie.

Anna Thorvaldsdóttir (geb. 1977): Metacosmos

Mit Metacosmos von Anna Thorvaldsdóttir (geb. 1977), geschrieben 2017, wird der Abend eingeleitet. Thorvaldsdóttir kam über das Cellospielen zur  Musik, begann aber bereits im Alter von 19 Jahren zu komponieren. Sie studierte Komposition an der Musikakademie Reykjavik und setzte ihre Ausbildung an der University of California in San Diego fort. Die Liste ihrer

Werke umfasst Musik für Sinfonie- und Kammerorchester, Kammermusik und eine Oper. Sie erhält für ihr Schaffen hochrangige Auszeichnungen, die führenden Orchester in Europa und den USA vergeben an Anna Thorvaldsdóttir Kompositionsaufträge, die besten Orchester führen ihre Kompositionen auf. Über ihre Arbeit sagt sie: „Bevor ich ein Stück aufschreibe, höre ich es in seiner Gesamtheit in meinem Inneren.“ An einem separaten Zeichentisch in ihrem Arbeitszimmer fertigt sie Zeichnungen an: „Ich brauche sie, um die Klanglandschaften einzufangen, die ich höre“, aber: „Es geht mir nicht darum, die Natur zu beschreiben oder zu romantisieren“. Wie in Metacosmos erfindet sie sublime Klangwelten. Die Musik erzeugt einen Sog, zieht den Hörer zwangsläufig in ihren Bann. Rhythmisch schwer atmende, schroffe Passagencc sind durchsetzt mit kurzen tonalen, melodischen Phrasen in zarter Klanglichkeit. Das Stück sucht ein Gleichgewicht zwischen Chaos und Schönheit in der Natur. Harte Pizzicati und ein sich ablösendes Glissando durch die Streicher lassen die Musik auf dem Ton „b“ der Solovioline enden. „Das Land hat viel raue Natur, teilweise ist sie brutal aber auch wunderschön und ruhig“ (Anna Thorvaldsdóttir). Der kompositorische Erfindungsreichtum, das fantasievolle Ausnutzen der klanglichen Möglichkeiten und Farben des großen Orchesters sorgen für eine in Teilen unheimliche, dann aber wieder atmosphärisch feinsinnige Musik – bewegend und wunderschön. Metacosmos ist ein Auftragswerk der New York Philharmonic Society, das von den New Yorker Philharmonikern unter Esa-Pekka Salonen 2018 uraufgeführt wurde. Eine CD-Produktion mit dem Iceland Symphony Orchestra zählte die New York Times zu den „25 Best Classical Music Tracks of 2019“.

Tabita Berglund Dresdner Philharmonie copyright wunderwadphoto

 

Dmitri Schostakowitsch (1906-1975): Cellokonzert Nr. 1 Es-Dur op.107

Dieses Konzert schreibt Schostakowitsch 1959 für seinen Freund, den großen Mstislaw Rostropowitsch, zu einer Zeit, in der nach Stalins Tod während einer politischen „Tauwetter“-Periode die Repressalien und Bevormundungen der Vergangenheit gelockert werden. Schostakowitsch gehört zu den heraus ragenden Komponisten des vorigen Jahrhunderts. Seine 15 Sinfonien, die Instrumentalkonzerte, die Opern, die Kammermusiken gehören zu den wichtigsten musikalischen Werken der Zeit. Sie gleichen „einem akustischen Soundtrack zum 20. Jahrhundert“(Gottfried Blumenstein). Neunzehnjährig  gelingt Schostakowitsch mit seiner Staatsexamensarbeit am Petrograder (heute St. Petersburger) Konservatorium, seiner 1. Sinfonie auf Anhieb ein durchschlagender Welterfolg. Mit der Aufbruchstimmung und der Experimentierfreude unter den Künstlern nach dem Ende der Revolution und des I.Weltkriegs ist es nach der Machtübernahme Stalins vorbei. Schostakowitschs Oper Lady Macbeth von Mzensk, 1934 erfolgreich uraufgeführt, wird zwei Jahre später in einem Prawda-Artikel als „Chaos statt Musik“ gebrandmarkt. Von da an lebt auch Schostakowitsch in ständiger Angst vor Stalinschen „Säuberungen“. Die Angst wird durch zeitweilige Hochachtung der Nomenklatura nicht geringer. Immer wieder wird er des Formalismus und der Missachtung der Regeln des Sozialistischen Realismus beschuldigt. In der übrigen Welt gefeiert und geachtet, wird Schostakowitsch erst 1958 offiziell rehabilitiert. „Um die Geschichte unseres Landes zwischen 1930 und 1970 nachzuerleben, reicht es aus, die Sinfonien von Schostakowitsch zu hören“ (Moskowskije Nowosti). Einige seiner Werke werden erst nach der Wende 1989/1990 veröffentlicht und uraufgeführt.

Mit Rostropowitsch und der Leningrader Philharmonie unter Jewgeni Mrawinski wird das 1. Cellokonzert am 4. Oktober 1959 uraufgeführt. Mit einer selbstbewussten, charakteristischen Viertonfolge, die eine gewisse Verwandtschaft mit den Anfangsbuchstaben des Komponistennamens (DSCH) aufweist, beginnt das Solocello den ersten Satz. Dieses Motiv wird prägend nicht nur für das 1. Cellokonzert, auch später in seinem Streichquartett Nr. 8 werden die aufeinander folgenden vier Töne thematisch wichtig. Sie wirken wie ein triumphierendes Signal des Sieges über die Schatten der Vergangenheit. Der Solist treibt ununterbrochen und kraftvoll, gelegentlich in Korrespondenz mit dem Ersten Horn, das musikalische Geschehen voran. Nach einem schmerzlichen Streicherbeginn des zweiten Satzes eröffnet das Horn einen großen Klagegesang des Solisten, ein Requiem für die Opfer des Stalin-Regimes. Folkloristische Anklänge, eine kurze tänzerische, hoffnungsvolle Wendung, werden von Paukenschlägen unterbrochen. Die Musik fällt wieder in die Klage zurück, jetzt aber in einem wunderbaren Dialog des Cellos im Flageolett mit der Celesta. Der dritte Satz ist eine teilweise zweistimmig ausgearbeitete großartige Solokadenz. Das Cello nimmt zunächst die nachdenkliche Stimmung des vorangegangenen Satzes auf und führt sie schließlich virtuos in den lebensfrohen, atemlos übermütigen vierten Satz. Immer wieder erklingt das Anfangsmotiv als Zeichen des Triumphes über die Dunkelheit. Sarkastisch, nur dem kundigen Hörer erkennbar, zitiert Schostakowitsch Stalins Lieblingslied, das georgische Suliko.

Das 1. Cellokonzert von Schostakowitsch gehört zu den anspruchvollsten und technisch schwierigsten seiner Gattung. Ein „Bravo!“ dem Solisten Ivan Karizna, der kurzfristig bereit war, für den erkrankten Wolfgang Emanuel Schmidt einzuspringen. Er meisterte die Herausforderungen der Komposition glänzend und verleiht dem Werk eine tief berührende Eindringlichkeit. Das dankbare Publikum entlässt ihn erst nach einer Zugabe, der Lamentatio von Giovanni Sollima. Karizna, mit einer Reihe wichtiger internationaler Preise ausgezeichnet, geschätzt für seine Virtuosität, für seine sensible Interpretation, für seine kraftvolle Bühnenpräsenz, konzertiert heute mit Partnern wie Gidon Kremer, András Schiff, Renaud Capuçon und Christian Tetzlaff und gastiert bei den besten Orchestern. András Schiff rühmt ihn als „einen der besten Cellisten seiner Generation“.

 

Peter Tschaikowski (1840-1893): Sinfonie Nr. 6 h-Moll op. 74 „Pathétique“

1840 als Sohn einer musikalischen Familie geboren, kommt Peter Tschaikowski selbst spät zur Musik. Die Eltern haben ihn für eine Beamtenlaufbahn bestimmt.

Erst im Alter von 22 Jahren beginnt er mit dem Studium am Konservatorium in St. Petersburg. Schon drei Jahre später holt ihn Nikolai Rubinstein als Theorielehrer nach Moskau. Dort lehrt er am Konservatorium, er komponiert, doch der große durchschlagende Erfolg bleibt aus. Immer wieder suchen ihn schwere Depressionen heim, eine Ehe mit einer Studentin wird nach kurzer Zeit beendet, viele seiner frühen Arbeiten vernichtet er. Erst die Briefbekanntschaft mit Nadeshda von Meck bringt etwas Ruhe in sein Leben. Sie wird seine engste Vertraute, ohne dass es jemals zu einem persönlichen Kontakt kommt, sie unterstützt Tschaikowski finanziell, so dass er seine ungeliebte Lehrtätigkeit aufgeben und sich ausschließlich dem Komponieren widmen kann. Der Briefwechsel der Beiden ist bis heute eine unverzichtbare Quelle für die Musikwissenschaft. Viele bedeutende Werke entstehen in dieser Zeit. Auch als Dirigent wird Tschaikowski in Europa und in den USA gefeiert.1890 teilt ihm Frau von Meck mit, dass sie ihn in Zukunft nicht mehr unterstützen könne. Diese unerwartete Trennung hat Tschaikowski nie überwunden. Große Erfolge

im In- und Ausland, der Ehrendoktortitel der Universität Cambridge, die intensive Kompositionstätigkeit können Schwermut und Niedergeschlagenheit nicht lindern, Schon 1890 schreibt Tschaikowski an den Großfürsten Konstantin: „Ich habe übergroße Lust, eine grandiose Sinfonie zu schreiben, die den Schlußstein meines ganzen Schaffens bilden soll“. 1893 beginnt er mit der Niederschrift der 6. Sinfonie, die noch im gleichen Jahr, am 16. Oktober in St. Petersburg unter Leitung des Komponisten uraufgeführt wird, neun Tage später stirbt er an einer Cholerainfektion.

Düster und langsam beginnt er erste Satz. Das Fagottmotiv wird abgewandelt zum Hauptthema des Allegro. Mit einem lyrischen Seitenthema bildet es das Material für die kompositorische Verarbeitung in klassischer Sonatenform. Ein Fugato und das Zitat der orthodoxen Totenmesse kommen hinzu. Mit einer choralartigen Coda endet der Satz voller Wehmut. Der zweite Satz hat einen folkloristisch schwungvollen Charakter im 5/4-Takt. Ein stürmisches Scherzo schließt sich an. Aus einem energischen Motiv wird zum Schluss des Satzes ein kraftvoller, triumphaler Marsch, eigentlich die Vorwegnahme eines klassischen Sinfoniefinales. Mit dem langsamen vierten Satz am Ende der

Sinfonie bricht Tschaikowski mit allen bisher üblichen traditionellen Regeln. Ein abwärts gerichtetes Seufzermotiv, ein weiteres Thema im Mittelteil und eine Reprise des ersten Abschnitts münden in die Coda. Ein Blechbläserchoral und eine Mollvariation des Themas aus dem Mittelteil, ein Tamtam-Gong wie ein Todessymbol beenden den Satz. Das Wagnis eines langsamen Finalsatzes wird zu einem Präzedenzfall für nachfolgende Komponisten: So stehen bei Gustav Mahler in der 3. und der 9. Sinfonie langsame Sätze am Schluss. Tschaikowskis 6. Sinfonie ist stark autobiographisch geprägt: Zeugnis der inneren Qualen, die er durchleiden musste, eine abschließende Rückschau auf sein Leben. Am Ende des Werks steht kein jubelndes Finale, sondern ein erschütterndes Adagio, ein Requiem. „In diese Sinfonie habe ich, ohne Übertreibung, meine ganze Seele hineingelegt…ich liebe sie, wie ich nie auch nur eines meiner anderen musikalischen Kinder geliebt habe“, schreibt Tschaikowski seinem Neffen, dem er die Sinfonie widmet. Mit der von seinem Bruder Modest empfohlenen Titelergänzung Pathétique akzeptiert das Publikum die bis dahin ungewohnte Satzkonzeption. Das Werk beginnt seinen unerhörten Siegeszug durch die Konzertsäle der Welt.

Das tief bewegte Publikum verharrt lange still nach dem Ende der Sinfonie. Die Philharmoniker werden durch Tabea Berglund zu fantastischer Höchstleistung geführt: hervorragend das Solohorn im Schostakowitsch!

Wäre nicht Tabea Berglund eine ideale Chefdirigentin für die Dresdner Philharmonie?

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Riesa, Sachsenarena, UNTEN IM MEER- Ein Hologramm-Konzert; IOCO

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31. Januar 2025              Die Elblandphilharmonie Sachsen begeistert ein junges Publikum mit faszinierender Musik und inteessanter Technik Die „Elbland Philharmonie Sachsen“ gehört zu jenen Orchestern, die ohne einen prätentiösen Stammsitz den im ländlichen Raum lebenden Menschen eine Grundversorgung anspruchsvoller Musik ermöglichen. Im Jahre 2012 mit der Zusammenlegung mehrerer regionaler Theater- und

By Thomas Thielemann