Dortmund, Theater Dortmund, Premiere Don Carlo, IOCO Kritik, 29.09.2013
Giuseppe Verdi “Don Carlo“
Premiere am 29.09.2013
Ein weiser Spruch sagt, wo Licht ist, ist auch Schatten. Auf die Eröffnungs-Premiere der neuen Spielzeit am Theater Dortmund am Sonntag gemünzt, möchte ich diesen Aphorismus umkehren und sagen, wo Schatten ist, ist auch Licht.
Man eröffnete mit Verdis “Don Carlo“ in der vieraktigen italienischen Fassung von 1884, die 17 Jahre nach der Uraufführung in Paris, in Mailand über die Bühne ging.
Der Hausherr, Opernintendant Jens-Daniel Herzog, inszenierte und der neue GMD des Hauses, Gabriel Feltz, gab nach einem begeistert aufgenommenen Philharmonischen Konzert, seinen Einstand mit Verdis Meisterwerk in der Oper.
Jens-Daniel Herzog hatte sich einiges einfallen lassen. Es gab viele neue Sichtweisen, die gefallen konnten, aber da waren auch Einfälle, die Rätsel aufgaben, spannende Szenen, die unter die Haut gingen, aber auch Bilder, die befremdeten und die, wie im Falle der ersten Szene des Gartenaktes, abstoßend waren. Die obszönen Aktivitäten zum Schleierlied der Eboli waren überflüssig, wie auch das alberne Getue der lüsternen, gelangweilten Hofdamen an einem Kinderplanschbecken, in dem dann der arme Page Tebaldo landete.
Rätselhaft war auch - da die Handlung offensichtlich in der Neuzeit spielt - warum Carlo, Filippo und Elisabetta historische Kostüme trugen, aber Eboli, Posa, der Großinquisitor und das Volk nicht. Die trugen normale Straßenkleidung und neuzeitliche Uniformen.
Zwei Bilder in Herzogs Regie berührten sehr stark. Zum einen die Szene Filippos im Escorial, in der er die Kälte seiner Frau beklagt, die ihn nie geliebt hat. Herzog ließ den Marquis Posa stumm zuhören, was sehr effektvoll war. Zum anderen der Auftritt des Großinquisitors und die sich anschließende Szene mit dem König. Auch diese ließ Herzog von Posa belauschen, der ja zum Vertrauten des Königs geworden war. Das machte Sinn.
Sehr beeindruckend war das Autodafé-Bild im 2. Akt. Hier büßten keine Ketzer (wie üblich), die sich der allmächtigen Kirche widersetzt hatten und auf Geheiß der mächtigen Inquisition verbrannt wurden. Hier saßen Militärs (in Uniformen der Militärdiktatur) mit dem König bei Tisch, bewirtet mit Brot und Wein, die danach von Inquisitoren erschossen wurden. Das war eine Sichtweise mit sehr starker Wirkung und effektvoll zugleich. Denn man hatte erwartet, dass den sechs flandrischen Gesandten der Garaus gemacht würde.
Für die Ausstattung zeichnete Mathis Neidhart verantwortlich. Seine Kostümentwürfe waren mehr oder minder unauffällig, selbst die drei Prunkkostüme glänzten durch Schlichtheit, wie auch das Bühnenbild, das sich aber durch verschiebbare Wände und einem fahrbaren Kubus hervorragend bespielbar zeigte.
Auch die musikalische Seite der Produktion geriet nicht einheitlich und zeigte
Licht und Schatten. Der neue Dortmunder Generalmusikdirektor Gabriel Feltz hatte durchaus das richtige Gespür für diese kostbare Musik Verdis, für das rhythmische Gefüge dieser breit gefächerten Partitur. Er bevorzugte durchwegs ein zügiges Tempo und setzte auf höchstmögliche Transparenz. Das geriet alles sehr gut. Auch die höchst aufmerksame Begleitung der Sänger ist positiv hervorzuheben. Was wirklich zu bemängeln ist, waren die unglaublichen Klanggipfelungen, die aus dem Graben schallten. Die Philharmoniker zeigten sich in glänzender Verfassung und Spiellaune. Aber es war vielfach zu laut. Das nervte auf die Dauer und hatte auch Auswirkungen auf die Sänger.
Wunderbar homogen waren die von Granville Walker einstudierten Chöre des Theaters Dortmund. Die, angefeuert vom Pult, ließen hören, was in ihnen steckt. Insbesondere die Herren zeigten enorme Lungenkraft.
Die Titelpartie war mit dem kanadischen Tenor Luc Robert besetzt. Er gab an diesem Abend hier sein Deutschland-Debüt. Er verfügt über eine technisch gut sitzende Stimme, die farblich ein wenig neutral klingt, aber mit einer offenen, kraftvollen Höhe prunkt, die er auch einzusetzen immer bereit war. Darstellerisch wirkte er ziemlich schwerfällig, was aber auch an dem die Bewegung hemmenden Kostüm liegen könnte.
Susanne Braunsteffer fand die rechten Töne für die unglückliche, zwischen den Fronten stehende Königin. Die farblich nicht sehr interessante Stimme wurde makellos, sowie technisch perfekt geführt und hatte auch im Extrembereich keine Schwierigkeiten. Sie behauptete sich auch im dicksten Tutti souverän.
Den Posa sang Gerardo Garciacano. Die Stimme war auch im Forte noch weich, hatte ein angenehmes Timbre, Fülle und Flexibilität. Zudem ist er ein glänzender Darsteller.
Der chinesische Bass Wen Wie Zhang sang den König mit schlankem Bass, kraftvoll, recht gut verständlich und in der Darstellung sehr eindringlich.
Katharina Peetz war mit der dramatischen Partie der Prinzessin Eboli überfordert. Die durchaus schöne Stimme (ihre außerordentliche Adalgisa ist noch gut in Erinnerung) hatte mit der dramatischen Anlage der Partie zu kämpfen und die Sängerin musste häufig forcieren um durchzukommen. Hinzu kam, dass der Regisseur sie ziemlich unangenehm und unsympathisch zeichnete. Doch das zog sie bewundernswert durch. Sie hatte die größte Agilität von allen Solisten.
Den Großinquisitor gestaltete Christian Sist. Wenngleich er kein ausgesprochen schwarzer Bass ist, verstand er es hervorragend, die Kälte des Großinquisitors, seine erloschene Menschlichkeit und den Starrsinn des Mannes vokal umzusetzen.
Wie immer in Dortmund waren auch die kleinen Rollen sehr gut besetzt. Stellvertretend für alle sei da genannt Karl Heinz Lehner, der mit sonorem Bass den Mönch sang.
Starker Premierenbeifall nach der Aufführung, doch auch einige Buhs waren nicht zu überhören.
IOCO / UGK / 29.09.2013
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