Düsseldorf, Deutsche Oper am Rhein, DER KAISER VON ATLANTIS - Victor Ullmann, IOCO Kritik, 21.05.2023

Düsseldorf, Deutsche Oper am Rhein, DER KAISER VON ATLANTIS - Victor Ullmann, IOCO Kritik, 21.05.2023
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Deutsche Oper am Rhein

Deutsche Oper am Rhein / Oper am Rhein - Opernhaus © Hans Joerg Michel - www.foto-drama.de
Deutsche Oper am Rhein / Oper am Rhein - Opernhaus © Hans Joerg Michel - www.foto-drama.de

DER KAISER VON ATLANTIS - Victor Ullmann

- ein erschütterndes Opern-Fragment - entstanden 1944 im KZ Theresienstadt -

von Uli Rehwald

Victor Ullmann - Stolperstein © IOCO
Victor Ullmann - "Stolperstein" auf einer Strasse in ..... © IOCO

Eine schwierige, bedrückende Oper über Krieg und Tod. Aber sicher war es für Victor Ullman noch viel schwieriger, dies Werk zu schreiben. Mehr als schwierig, unvorstellbar. Die einzige Oper, die in einem KZ entstanden und heute noch erhalten ist. Und so ist ebenso unvorstellbar, diese kurze, einstündige Oper heute zu hören ohne diesen Grauen erregenden Hintergrund vor Augen zu haben.

Vorweg ein paar historische Fakten: Victor Ullman, 1898-1944, ein Schüler Arnold Schönbergs, schrieb diese Oper 1943/1944 inhaftiert im Konzentrationslager Theresienstadt, welches damals von der NS-Propaganda als angebliche "jüdische Mustersiedlung" verklärt wurde. Viele Künstler waren dort interniert, es gab tatsächlich häufig Konzerte und Theateraufführungen. Ullmanns Oper wurde dort geprobt, immer wieder verändert - sicher auch unter dem Druck der Zensur – eine Aufführung im KZ war geplant, zu der es aber niemals kam. Ullmann wurde im Herbst 1944 in das KZ Auschwitz-Birkenau deportiert und dort kurz nach seiner Ankunft ermordet. Vorher übergab er seine Partitur an einen Mithäftling und so überlebten die Fragmente der Oper den 2. Weltkrieg. Die Welturaufführung erfolgte 1975 in Amsterdam, inzwischen wird diese Oper häufiger auf deutschen Bühnen gezeigt.

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Ullman wagte sich, mit dieser Oper einerseits eine phantastische Utopie zu schreiben und andererseits indirekt Bezug auf die politischen Verhältnisse im 3. Reich zu nehmen. Der allmächtige Kaiser Overall führt als allmächtiger Alleinherrscher einen entsetzlichen Krieg. Das Morden ist so alltäglich und normal-banal, dass der Untergebene von Kaiser Overall, der Tod, aus Protest seine Arbeit einstellt: Trotz des ausgerufenen Krieges „aller gegen alle“ - nun kann niemand mehr sterben. Auch die kämpfenden Soldaten nicht. Nur ein junges Paar findet sich im Kampf, verliebt sich, nach dem vergeblichen Versuch, sich gegenseitig zu töten. Der Kaiser Overall verliert so seine Macht, da er nicht mehr über Leben und Tod befehlen kann. Schließlich ergibt er sich am Ende selbst dem Tod. Der Krieg ist aus.

Deutsche Oper am Rhein / DER KAISER VON ATLANTIS hier Kaiser Overall (Emmett O´Hanlon) © Hans Jörg Michel
Deutsche Oper am Rhein / DER KAISER VON ATLANTIS hier Kaiser Overall (Emmett O´Hanlon) © Hans Jörg Michel

Das Stück, besuchte Vorstellung am 17.5.2023, kommt wie ein kleines Kammertheater mit 7 Personen:  Der allmächtige Kaiser Overall (Emmett O´Hanlon), siehe Foto, der zunehmend seine Macht verliert; der Harlekin (David Fischer), der das Leben darstellt und doch nicht lachen kann. Der Tod (Torben Jürgens), der schon bei Attilas ruhmreichen Krieg dabei war, aber heute lieber in Streik tritt. Und amüsiert zusieht, wie versucht wird, ohne seine Mitwirkung zu töten. Zwei Funktionsträger des Kaisers, der Lautsprecher (Lucas Singer) und der Trommler (Hagar Sharvit). Sowie ein Soldat (Sergej Khomov) und ein Mädchen (Anke Krabbe) als Liebespaar.

Die Inszenierung von Ilaria Lanzino zeigt ein Bühnenbild dominiert von dicken Seilen vor dunklem Hintergrund. Anfangs straff gespannt und kalt-weiß - als straffe Fäden der Macht, die zum Unterdrücken eng sind, auch den Kaiser abschirmen. Dann, als der Tod, dargestellt im Bademantel, Pantoffeln, Wein und Chips entspannt im Sessel die Füße hochlegend seinen Dienst verweigert - werden die Fäden schlaffer, kraftloser. Als sich das Liebespaar trifft, werden die Fäden zu weichen, pastelligen Wellen. Dann stehen die Seile als Symbol der abnehmenden Kraft, werden als Fesseln niedergerissen und zu Boden getreten. Zuletzt bleibt nur ein einziger Lebensfaden für den Kaiser - der letztlich reißt. So viel Unterstreichung der Handlung mit einer einzigen Requisite zeigt auffällige Kreativität.

Die Kostüme erinnern an die Zeit der Entstehung - mit Uniform, Reiterhosen und Schaftstiefeln - oder zeigen als Phantasieuniformen die Gesinnung der Zeit: Propaganda, manipulative Aufladung, plakative Amtsroben hinter starren Masken. Einer Wandlung unterliegen nur die Kostüme von Harlekin und Tod - anfangs hoffnungslos und verrottet, am Ende wieder glanzvoll-prächtig in großer Aufmachung, als Tod und Leben aktiv zurückkehren.

Deutsche Oper am Rhein / DER KAISER VON ATLANTIS hier das Liebespaar hier Sergej Khomov als Soldat und Anke Krabbe als Mädchen © Hans Jörg Michel
Deutsche Oper am Rhein / DER KAISER VON ATLANTIS hier das Liebespaar hier Sergej Khomov als Soldat und Anke Krabbe als Mädchen © Hans Jörg Michel

Diesem Stück, das schon von der Handlung her so gut wie keinen Trost zeigt, stellt Ullmann eine Musik an die Seite, die oft nur mit wenigen Linien grob gezeichnet wird, meist sparsam instrumentiert und manchmal fern von Harmonie und Wohlklang. Nur gelegentlich lassen die Duisburger Philharmoniker unter der Leitung von Sebastian Ludwig ein traditionelles „Opern-Feeling“ aufkommen, wenn das Liebespaar sich findet oder im Kirchenlied des Schlusschorals. Man darf aufatmen bei diesen kleinen sanft-opernhaften Momenten. Auch die Sänger schwelgen nicht in Melodien, begnügen sich immer wieder auch mit deklamatorischem Sprechgesang. Wie bei Weill und Brecht, auch Künstler dieser Zeit.

Angesichts des dramatischen Hintergrunds dieser Kammeroper verbietet es sich, über große Musik und wohlklingende Stimmen nachzudenken oder zu schreiben. Alle Mitwirkenden werden dieser speziellen Färbung des Stücks gerecht: Schaurig, alptraumhaft, kantig, in Hoffnungslosigkeit und Absurdität verloren. Sänger, Musik, Regie sind heute alles nur Nebenthemen. Das überragende Hauptthema ist, dass es Victor Ullmann und anderen damals in Theresienstadt möglich war, vom Tod täglich bedroht, aktiv Kunst zu machen, eine Oper zu proben und diese vor der SS aufführen zu wollen. Auch als Form des musikalischen Widerstands.

Und worauf kommt es heute an, wenn dieses Stück aus der damals unmenschlich verrohten Welt nach uns greift? Wohl darauf, dass wir heute alle das Privileg haben, die mutige Lebensbejahung von Victor Ullmann und andere damals Handelnden im KZ Theresienstadt im Kaiser von Atlantis erleben zu dürfen und dauerhaft zu verinnerlichen.

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