Darmstadt, Staatstheater Darmstadt, Tosca - Eine Divia ist eine Diva ist.., IOCO Kritik, 20.12.2016
EINE DIVA IST EINE DIVA IST EINE DIVA Tosca von Giacomo Puccini
Von L. Oserovic Herrmann
Tosca, Premiere am 3.12.2016, weitere Vorstellungen am 30.12.2016, 12.1.2017, 7.2.2017, 12.2.2017, 25.2.2017, 8.3.2017, 1.4.2017
Das Staatstheater Darmstadt kann auf zwei gelungene Ereignisse zurückblicken: Jana Baumeister, junges Ensemblemitglied, hat beim Bundeswettbewerb Gesang in Berlin den Ersten Preis gewonnen, und es darf bereits verraten werden, die Premiere der Tosca war ein voller Erfolg.
Zurecht, denn Eva-Maria Höckmayr hat uns eine kluge und stringente Inszenierung dieses schon allzu bekannten Stoffes präsentiert. Doch beginnen wir mit dem Anfang. Das Publikum strömt noch zu den Sitzplätzen, da ist die Bühne einsehbar und natürlich suggeriert das Bild sofort die Kirche, in der die Oper spielt. Aber wir sehen auch eine Frau in weißem, blutverschmierten Kleid und einen toten Mann am Boden – das Ende sozusagen. Immer wieder umkreist sie diesen, parallel dazu verschiebt sich das Bühnenbild mit seinen verschiedenen Prospekten, die Musik setzt ein und das Geschehen beginnt mit dem lebendigen Mario Cavaradossi. Diese Frau – Flora Tosca– ist eine veritable Diva, groß ihre Gefühle, groß ihre Ansprüche, groß ihre Sehnsucht, die einzige Frau im Leben ihres Geliebten zu sein. Sie ist – für ihre Mitspieler nicht sichtbar – immer auf der Bühne, die wie für sie gemacht ist, ihrer Bühne. Vorhänge – ob als Prospekt oder echter Vorhang – werden hinuntergelassen und wieder hochgezogen, teilen den Raum, schaffen Versteckräume und damit auch den Ort für Misstrauen, Eifersucht und Zwietracht, treiben neben der Musik das Geschehen voran. Flora verfängt sich immer mehr in ihren eigenen „geistigen Räumen“, Baron Scarpia weiß dies geschickt zu nutzen.
Der zweite Akt – hervorragendes Bühnenbild und Kostüme von Julia Rösler – ist ganz in schwarz getaucht. Nur ein langer, mit weißer Tischdecke umhüllter und gedeckter Tisch befindet sich im Hintergrund auf der Bühne. Es ist ein schönes Bild und scheinbar Intimität andeutend, wir aber wissen, dass es bei Flora und Scarpia keine Nähe geben kann. So wird diese Intimität durch die vier Mal sich drehende Bühne gebrochen, auch sie treibt die Handlung weiter an, wenn der Tisch vorne stehen bleibt. Es ist als ob die drehende Bühne gleich einer Schlinge um Floras Hals sich immer enger windet, bis sie am Ende ausweglos – ganz die Theaterdiva – zum Messer greift und Scarpia tötet. Zuvor hat sie ihm das Versprechen – so glaubt sie – abgerungen, Cavaradossi zu schonen. Der letzte Akt zeigt den hingerichteten Cavaradossi, so wie wir ihn schon zwei Stunden vorher gesehen haben. Die Diva – vollends allein und verzweifelt, was Kunst, was Leben ist – verschwindet im Schnürboden. Von den Seiten strömen Menschen – Mitarbeiter des Theaters – in heutiger Kleidung auf die Bühne und schauen verwundert der nach oben entschwundenen Künstlerin nach.
All dies unterstreicht das souverän von Will Humburg dirigierte Orchester des Staatstheaters Darmstadt in eindrücklicher Weise. Das Orchester ist nie zu laut oder allzu pathetisch, schwelgt nicht in der satten Musik. Musik und Regie gehen eine wunderbare Einheit ein, die das Theatralische an der Tosca hervorhebt ohne es zu übertreiben oder gar zu denunzieren. Flora Tosca, hervorragend verkörpert von Izabela Matula, und Baron Scarpia, stimmlich und darstellerisch überzeugend Krzysztof Szumanski, sind ebenbürtige Partner, Mickael Spadaccini gewinnt zunehmend an größerer Kontur und Präsenz als Mario Cavaradossi. Vervollständig wird das Ensemble mit David Pichlmaier (der Mesner, ein Schließer), Minseok Kim (Spoletta), Oleksandr Prytolyuk (Sciarrone) und Peter Morrisson (Ein Hirt), die ebenfalls spiel- und sangesfreudig sind. Und der gut einstudierte Chor unter der Leitung von Thomas Eitler-de Lint rundet den guten Gesamteindruck ab. Großer Applaus.
Tosca am Staatstheater Darmstadt: Weitere Vorstellungen am 30.12.2016, 12.1.2017, 7.2.2017, 12.2.2017, 25.2.2017, 8.3.2017, 1.4.2017
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