Bregenz, Festspiele 2024 / 2025 - DER FREISCHÜTZ, IOCO

FREISCHÜTZ 2024 - 2025: Die Tradition der Bregenzer Festspiele reicht bis ins Jahr 1946 zurück. Nicht einmal ein Jahr nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Bregenzer Festspiele als Festwoche aus der Taufe gehoben ----

Bregenz, Festspiele 2024 / 2025 - DER FREISCHÜTZ, IOCO
DER FREISCHÜTZ - Bregenzer Festspiele 2024/25 @ Anja Köhler

von Getong Feng

Premiere 2025: 17. Juli 2025 – 21.15 Uhr - Weitere Vorstellungen
18., 19., 20., 22., 23., 24., 25., 26., 27., 29. und 30. Juli 2025 – 21.15 Uhr
1., 2., 3., 5., 6., 8., 9., 10., 12., 14., 15., 16. und 17. August 2025 – 21.00 Uhr - Der Vorverkauf 2025 startet am 1. Oktober 2024 -

DER FREISCHÜTZ - 2024

Die Tradition der Bregenzer Festspiele reicht bis ins Jahr 1946 zurück. Nicht einmal ein Jahr nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Bregenzer Festspiele als Festwoche aus der Taufe gehoben. Als erstes Spiel auf dem See ging das Mozarts Jugendwerk „Bastien und Bastienne“ am 5. August 1946 in die Geschichte ein, nämlich auf zwei Kieskähnen, einer für die Bühnenaufbauten und der andere für das Orchester. Die Idee, den schönsten Teil der Stadt – den Bodensee – als Bühne zu wählen, erweist sich als durchschlagender Erfolg. In diesem Jahr 2024 begrüßten die Bregenzer Festspiele über 274’000 Besucher am Bodensee. Der Regisseur und Bühenbildner Philipp Stölzl kehrt nach „Rigoletto“ 2019/21 für die deutschsprachige romantische Oper „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber zu der Seebühne zurück. Die Oper wird auf dem See in zwei Sommerspielzeiten gespielt: 2024 und 2025.

DER FREISCHÜTZ - auf dem See 2024/25 -youtube Bregenzer Festspiele

Die Handlung: Der Amtsschreiber Max möchte Agathe, die Tochter des Försters Kuno, heiraten. Das darf er nur, wenn er bei einem Probeschuss das Tier trifft, das der Fürst Ottokar dafür bestimmt. Unter enormem Druck nimmt er die Hilfsangebote von Kaspar an, in der Wolfschlucht Samiel sieben Freikugeln gießen zu lassen. Aber Max weiß nicht, dass das Ziel der letzten Kugel den Teufel Samiel selbst bestimmt. Im Gespensterbuch von August Apel und Friedrich Laun hat die Geschichte kein Happy End: „Der Schuß fiel, und in demselben Augenblick stürzte Käthchen (Agathe) mit einem lauten Schrei zu Boden [...]Wilhelm (Max) beschloß sein Leben im Irrenhause.“ Der Librettist Friedrich Kind modifiziert den Schluss der Erzählung zum lieto fine: Wegen des Erscheinens des Eremiten bei Agathe ist die siebte Freikugel umgelenkt: Nicht Agathe, sondern Kaspar wird tödlich getroffen. Max soll Agathe heiraten dürfen und er selbst zum Nachfolger seines Schwiegervaters als Erbförster gewählt werden.

Winterliche Dorfkulisse auf dem sommerlichen Bodensee

Winterliche Märchenlandschaft mit Eisläufern Max und Agathe, Dorfbewohner mit Jagdgewehrn, ein schiefer Kirchturm mit eingestürztem Dach, trockene Äste, hölzerne Dorfhütte und verschneite Hügel. Diese Elemente erinnern an das Gemälde „Jagers in de Sneeuw“, was Pieter Bruegel der Ältere im Jahr 1565 für den Antwerpener Geschäftsmann und Sammler Nicholas Jangelinck malte. Der Unterschied besteht darin, dass hier auf der Seebühne keine festliche Atmosphäre herrscht: Das Libretto gibt als Ort und Zeit der Handlung Böhmen kurz nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges an, das vom Krieg zerstörte und untergegangene Dorf ist deswegen vom Düsternis durchdrungen.

DER FREISCHÜTZ - Bregenz - 2024/25 @ Anja Köhler

Philipp Stölzl möchte in diesem Stück das ganze Füllhorn des Theaters ausschüttern und erlebbar machen. Mit großartigem Bühnenbild und Filmeffekten hält der Regisseur was er verspricht. Natürlich soll auch der See muteinbezogen sein: so wurde an der Ufermauer ein riesiges Wasserbecken, 65 Meter breit und 2,5 Meter tief, mit 480,000 Liter Seewasser gebaut. Eine künstliche Lagune entsteht, dazu noch 680 Quadratmeter gesamte Oberfläche mit Häusern und Hügeln. Außerdem erlebt man eine Opernaufführung mit atemberaubenden filmischen Effekten, sodass der Opernbesucher sich in einem Filmstudio wähnt. Zum Beispiel erinnert die aus dem Wasser steigende und feuerspeiende Riesenschlange in der Wolfsschluchtszene an Harry Potter und die Kammer des Schreckens von J.K.Rowling. Zombies klettern auf die Ufermauer, wie bei Piraten der Karibik. Der rote Mond, das galoppierende Pferdesklette, der brennende Kreis fürs Kugelgießen und die teuflischen Soundeffekte schaffen eine gruselige und geheimnisvolle Atmosphäre. In der Schlussszene erscheinen Fürst Ottokar mit seinen drei Begleiterinnen mit ihren schneeweissen Gesichtern, bunten Perücken und in schöne Seidengewänder gekleidet auf einem traumhaft wirkenden königlichen Schiff. Es fühlt sich an, dass man durch die sich öffnende Türe des „magischen Kleiderschranks“  in Narnia von Clive Staples Lewis eintritt.

Der Teufel erzählt die Geschichte

„Sechse treffen, sieben äffen!“ Ein gefährliches Teufelspiel: unverkennbar bietet sich die Parallele zu W.Goethes dunklem Faust an. Max verkauft seine Seele für ein irdisches Glück und bezahlt bitter dafür. Die Mischform von Gesang und Dialog im Freischütz bietet eine große Chance, das Stück zu modernisieren. In der Bregenzer Inszenierung ist Samiel von einem gespenstischen Echo hinter der Kulisse, das beim Kugelgießen die Zahl 1 bis 7 wiederholt, zu einer wichtigen Figur entwickelt. Philipp Stölzl und Jan Dvořák erstellen eine neue Fassung für die Sprechtexte. Spielerisch, humorvoll und ironisch, aber mit vollem Bewusstsein ist die Handlung von Samiel gesteuert - im eng anliegenden Jumpsuit wie Deadpool.

Der Vorrang hebt sich mit einem tragischen Ende wie im Gespensterbuch: Agathe ist tot, Max ist gehängt. Samiel verkleidet sich als Priester und klettert hoch auf einen Baum. Er zeigt seine wahre, teufelische Identität, dreht die Uhr zurück und erzählt die Geschichte als Rückblende: „Aus gestern wird heute.“ In der Schlussszene tritt Eremit auf. Er verkündet die Aufhebung des Probeschusses und billigt die Verbindung von Max und Agathe. Man erkennt aber die roten Handschuhe unter der heiligen Maske wieder und hört Samiels Lachen. Es ist wieder ein Spiel des Gottseibeiuns. Die Uhr läuft vor- und rückwärts, die Geschichte ist für immer in einem Teufelkreis.

Modernisierung der klassischen Oper

Diese Inszenierung fordert zwar die herkömmlichen Erwartungen eingesessener Opernbesucher einerseits, garantiert durch seine Extravaganzen und klugen Parallelen zu "Früherem und Jetzigem“sowie neuzeitlichen Anspielungen genreübergtreifender Art einen Opernabend voller Überraschungen. Klassische „Freischütz“ Fans müssen aber sehr stark sein, weil im Vergleich zu einem klassischen „Freischütz“ viele nicht wiederzuerkennen sind. Nach Philipp Stölzl ist das Ziel, die Oper dem heutigen Publikum nicht nur „historisch“ zu wirken. Mit dieser Inszenierung sendet uns der Regisseur eine klare Botschaft: Auf einer Opernbühne ist alles möglich.

Musikalische Besetzung

In diesem Fall ist die Fokussierung deutlich vom Musikalischen zum Szenischen verschoben. Der Freischütz ist dennoch ein richtiges Musiktheater. Stimmlich überzeugen vor allem Mandy Fredrich als Agathe und Hanna Herfurtner als Ännchen. Ebenfalls grossen Applaus erhalten Thomas Blondelle als Max und David Steffens als Kaspar applaudiert. Der Publikumsliebling ist ohne Zweifel Moritz von Treuenfels als Samiel. Unter der musikalischen Leitung von Erina Yashima spielt Wiener Symphoniker hervorragend im Festspielhaus, von wo Bild und Ton auf die Seebühne übertragen werden und die Aufführung zum Strahlen bringen. Ein Ensemble mit Cembalo, Akkordeon und Kontrabass ist am rechten Rand der Bühne hinzugefügt, wodurch die Musik mit zusätzliche Soundtrack-Nummern noch angereichert wird.

Der Beifall gilt der ganzen Besetzung insofern, als die Solisten auf der komplexen und hindernisreichen Bühne die hohen zusätzlichen An- und Herausforderungen gekonnt meistern. Am Ende war lauter Jubel, von Opernorthodoxen im Publikum gab es aber auch vereinzelte Buhrufe. Eine sehenswerte und außergewöhnliche Opernaufführung. Definitiv ein faszinierendes Erlebnis für Opernfans!