Bregenz, Bregenzer Festspiele, Turandot: Verzaubernde Phantasmagorien auf der Seebühne, IOCO Kritik, 02.08.2016
Turandot auf der Seebühne in Bregenz
Dunkle Wolken zogen über den Bodensee. Regen war angekündigt. Die Aufführung ausverkauft, 7000 Augenpaare gingen immer wieder gen Himmel. Diese Blicke müssen den Regenwolken zugesetzt haben; sie verzogen sich. Der Zauber des Sees breitete seine Flügel aus: Chinesische Romantik, die Rätsel der Turandot, ein Rausch von Klängen und Farben ergriffen das Innerste der Turandot - Besucher.
Turandocht heißt ein altes persisches Märchen. Es berichtet von der wunderschönen, engelsgleichen Prinzessin Turandocht, die jeden Prinzen verzaubert, aber keinen Mann möchte. Giacomo Puccini (1858 – 1924) übernahm diese Handlung in seine letzte, unvollendete Oper Turandot, welche 1926 unter Arturo Toscanini in der Mailänder Scala uraufgeführt wurde.
Marco Auturo Marelli, Regisseur und Bühnenbildner ließ auf der Bregenzer Seebühne in riesiger Drachenform einen Teil der chinesischen Mauer entstehen: 72 Meter breit, bis zu 29 Meter hoch, 335 Tonnen schwer bricht diese Mauer zu den ersten Takten der Musik in der Mitte auf und nimmt die Zuschauer mit in das chinesische Reich der Prinzessin Turandot. Auf der Seebühne werden zahlreiche, zwei Meter grosse Tonkrieger sichtbar, der berühmten Terrakotta Armee des ersten chinesischen Kaisers nachempfunden; 61 solcher Krieger verteilen sich auf dem Wasser vor der Bühne. Dazu faszinieren Akrobaten, Feuerkünstler, eine beleuchtete Barke für Turandot und eine aufklappbare Drehbühne, auf der LED Masken die Gefühle der Turandot in leuchtenden Farben spiegeln. So machen das Seeambiente, Bühnenbild und farbenreiche Illuminationen die Turandot Aufführung auf der Seebühne Bregenz zu einem illustren Kulturereignis.
Im Märchen zahlt jeder gescheiterte Prinz mit seinem Leben für sein Versagen im werben um die Prinzessin Turandot. Auch die grausame Zahl von bereits 27 toten gescheiterten Prinzen können den allseits unbekannten Prinzen Calaf, nicht davon abhalten, Turandot zu erobern. In ihrer zentralen Arie In questa reggia (In diesem Schloß) erklärt Turandot die Gründe ihrer Abneigung gegen Männer und Liebe, von Katrin Kapplusch souverän wie mit der gelegentlich geforderten Schärfe gesungen: Ihre Ahnin Lou Ling war von einem Mann misshandelt und getötet worden, der Schrei ihrer Ahnin umklammert noch immer das zu Eis gewordene Herz der Turandot. Arnold Rawls löst als Calaf mit sicherer, warmer Tenorstimme alle ihm gestellten Rätsel. Turandot verfällt in nun Panik, will sich nicht in die Heirat mit Calaf fügen. Aber der heilige Schwur, den zum Mann zu nehmen, der das Unmögliche schafft, ist nicht zu brechen. Da hilft auch kein Flehen bei Altoum, Sohn des Himmels, von Christophe Mortagne blendend dargestellt. Calaf will will Liebe der Turandot, will sie erobern und gibt nun ihr in der Form eines Rätsels die Chance sich zu befreien. "Finde meinen Namen während dieser Nacht, dafür bin ich bereit zu sterben", so Calafs weltberühmte Arie Nessun dorma, welche auch am Bregenzer See zu einem Höhepunkt des Abends wird: Arnold Rawls singt lyrisch timbriert in die Nacht hinein, vor der drachenförmigen chinesischen Mauer, das großartige Bühnenbild mit tiefen Farben ergreifend illuminierend.
Paolo Carignani lenkte vom Festspielhaus die Wiener Symphoniker ruhig doch mit großem Forte die Massenszenen kräftig untermalend,wie mit filigran vorgetragenen Soli die Spannung auf der Seebühne hoch haltend. Szenenapplaus gab es für Yitian Luan in der großen Partie der Sklavin Liu, die mit herrlich höhensicherer Stimme hingebungsvoll leidend ihre Liebe zu Calaf ihren Opfertod (Tanto amore segreto) besingt. Gefeiert wurde eine letztendlich glückliche Turandot, ein großes Opern-Spektakel.
Bei Licht, Feuer und Wasserfontänen dankten 7000 Besucher für das ergreifende Gesamtkunstwerk Turandot auf der Seebühne Bregenz. IOCO / D. Zimmermann / 30.07.2016