Bonn, Theater Bonn, Premiere Rinaldo von Georg Friedrich Händel, IOCO Kritik, 23.11.2014

Bonn, Theater Bonn, Premiere Rinaldo von Georg Friedrich Händel, IOCO Kritik, 23.11.2014
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Theater Bonn

Theater Bonn © Thilo Beu
Theater Bonn © Thilo Beu
Rinaldo: Barock in modernem Gewand
London / Grab Georg Friederich Händel © IOCO
London / Grabmal Georg Friederich Händel inLondon © IOCO

Ein musikalischer Superstar war der junge Georg Friedrich Händel (1685 – 1759) bereits 1711, als er in London mit seiner Oper Rinaldo erneut einen spektakulären Erfolg landete. Berühmt war Händel zwei Jahre zuvor, 1709, in Venedig geworden; mit dem spektakulären Erfolg seiner von Kardinal Grimaldi in Auftrag gegeben Oper Agrippina. Als Folge dieses Erfolges wurde Händel Anfang 1710 zum hoch bezahlten Hofkapellmeister des Kurfürsten Georg Ludwig von Hannover mit der Option, längere Zeit abwesend sein zu dürfen.

Ende 1710 reiste Händel nach London und komponierte dort in gerade einmal zwei Wochen seine Oper Rinaldi. Das im Barock gewohnte „Parodierverfahren“ nutzte er dabei intensiv: Aus seinen bereits bekannten wie erfolgreichen Werken übernahm er Kompositionen wie über 15 großen Arien. Mit zusätzlich ungewöhnlichen Bühneneffekten wurde so auch Rinaldo am 24. Februar 1711 im Queen´s Theatre am Haymarket in London zu einem sensationellen Erfolg. Und sorgte dafür, dass Georg Friedrich Händel seinerzeit in England zu einem Popstar der Musik avancierte. Da sein kurfürstlicher Dienstherr aus Hannover zudem im Oktober 1714 als Georg I. zum König von England gekrönt wurde, stand Händels bleibender Karriere in England nichts mehr im Wege.

BONN / Theater Bonn / Rinaldo © Thilo Beu

Rinaldo ist Oper des Zaubers, der Verwandlungen, der Widersprüche; ein Musical inmitten des Barock. Personen verschwinden, fliegen durch die Luft, werden verzaubert, verwandeln sich: Eine Kunstwelt. Das Entertainment des frühen 18. Jahrhunderts lebt sich aus in Rinaldo. So erfolgreich die Oper zu Händels Zeiten war, so vergessen wurde sie nach dessen Ära. Erst in den letzten Jahrzehnten findet man Rinaldo wieder auf den Spielplänen namhafter Opernhäuser.

Theater Bonn / Almirena, Rinaldo, Armida © Thilo Beu
Theater Bonn / Almirena, Rinaldo, Armida © Thilo Beu

Rinaldo handelt um 1096 in der Zeit des ersten Kreuzzugs. Die Handlung entnahm Librettist Giacomo Rossi dem Epos La Gerusalemme Liberata (Das befreite Jerusalem) des italienischen Dichters Torquato Tasso aus 1574. Die von Goffredo geführten Kreuzfahrer stehen darin kurz vor der Einnahme von Jerusalem. Sollte die Schlacht gewonnen werden hat Goffredo seinem Feldherrn Rinaldo die Hand seiner Tochter Almirena versprochen. Gegenspieler von Goffredo / Rinaldo ist der Saraszenenfürst Argante, welcher in Jerusalem herrscht. Aragantes Geliebte, die Zauberkönigin Armida, will die drohende Niederlage durch feuerspeiende Drachen, Verführungen, Versprechungen verhindern und zur alleinigen Weltherrscherin werden. Doch alle Zaubereien misslingen. Stattdessen dringen, zum Ende der dreistündigen Barockoper, nach zahllosen Verwicklungen, ebenfalls magisch aufgerüstet, Goffredo und seine Truppen in Jerusalem ein. Argante, seine Truppen und Armida werden überwältigt, und, wie zum guten Ende eines jeden Musicals, unter gegenseitigen Beteuerungen begnadigt oder bekehrt.

Theater Bonn / Rinaldo © Thilo Beu
Theater Bonn / Rinaldo © Thilo Beu

Regisseur Jens-Daniel Herzog bricht mit prallen, barocken Rinaldo-Bildern, er sucht die Persiflage. Sein Rinaldo kämpft ohne sichtbare Waffen, meist mit Geschäftsleuten in Büros und auf Flughäfen. Außen- wie Innenansichten eines sterilen, wie modernen großen Hotels bilden die Rinaldo Kulissen auf der Drehbühne des Theater Bonn. Dazu glatte hohe Hauswände mit Aufzugtüren, Rolltreppen, helle Warteräume mit braunen Ledersesseln. Kreuzritter, Saraszenen wie deren Frauen treten sarkastisch, schräg meist in strengen schwarzen Anzügen oder Kleidern mit schwarzen Bürokoffern auf. Die Saraszenen unterscheiden sich von den Kreuzrittern nur durch orientalisch gestrickte Mützen. Die Finesse der Inszenierung liegt in der Choreographie und im Tanz: Die sich häufig drehende Bühne ironisiert geradezu „im Takt“ durch wechselnde gallige Bühnenbilder. Eine perfekte Einstimmung des Ensembles sorgt beständig für neue humorige Akzente. Zur Arie „Winde, Wirbelwinde, leiht meinem Fuß Eure Flügel“ des Rinaldo dreht sich die halbdunkle Bühne minutenlang, während die Darsteller in zahllosen Facetten – von Ramses Sigl packend eingestellt - vermeintlichen Stürmen trotzten. Bagpacker und Trolleys vermitteln im zweiten Akt Aufbruch und Reise. Das Theater Bonn zeigt so keine barocken Blitzgewitter, kein mächtiges Donnergrollen, es fliegen keine Geister über den Bühnenhimmel. Der Rinaldo von Jens-Daniel Herzog ist sarkastisch, kühl, modern. Den scheinbaren Widerspruch von szenischer Sachlichkeit zu deftiger, barocker Musikalität muss der Besucher selbst auflösen. Ein mutiger Regieansatz, der, um es vorweg zu sagen, in Bonn vollauf gelingt: Das Publikum im ausverkauften Theater Bonn bejubelte nach Ende der Rinaldo - Premiere die Regie wie das Ensemble.

Theater Bonn / Rinaldo © Thilo Beu
Theater Bonn / Rinaldo © Thilo Beu

Wolfgang Katschner, ausgewiesener Kenner der bunten Originalklangfarben des Barock, leitet das Beethoven Orchester Bonn, die zentralen Continuo-Spieler Christian Brunnert, Stefan Rath und Clemens Flick wie sein Enselble mit sicherer Hand. Das fast ausschließlich dem Theater Bonn angehörige Ensemble singt auf exzellentem Niveau. Die zentralen Gestalterinnen wie Gegenspielerinnen der Oper, Sumi Hwang (neu im Bonner Ensemble) als Almirena und Malin Hartelius (Gast der Oper Zürich) als dramatische Zauberin Armida besetzen ihre großen Partien mit blühend lyrischen Sopranstimmen und verführerischen Erscheinungen wunderbar. Susanne Blattert bewältigt die schweren Koloraturen des Rinaldo mit sicherem Mezzosopran und gibt der Partie den passenden eigenen Charakter. Auch Goffredo ist mit einer Mezzo besetzt: Kathrin Leidig changiert „stimmig“ mit Rinaldo. Nur zwei große Partien dieser Inszenierung sind männlich besetzt: Georgos Kanaris spielt den bösen Argante mit gut timbrierten Bariton und Jakob Huppmann gibt als einziger Countertenor der Produktion mit seinem Eustazio wahrhaftig barocken Charakter.

Premiere Rinaldo Theater Bonn © IOCO
Premiere Rinaldo Theater Bonn © IOCO

Regisseur Jens-Daniel Herzog bringt mit seinem sarkastisch gestalteten Rinaldo eine eigenwillig moderne Inszenierung auf die Bühne des Theater Bonn. Die Vielfalt barocker Tongebung, orchestrale Virtuosität wird mit moderner Persiflage und packender Personenführung gepaart; nicht mit barocker Bühnenausstattung. Das Publikum im Theater Bonn feierte Inszenierung und Ensemble „ihres“ neuen Rinaldo begeistert.

IOCO / Viktor Jarosch / 26.11.2014

Premiere Rinaldo am 23.11.2014; weitere Vorstellungen Rinaldo am 30.11.2014, 04.12.2014; 06.12.2014; 12.12.2014; 21.12.2014; 27.12.2014; 04.01.2015; 18.01.2015; 30.01.2015.

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