Bonn, Theater Bonn, Premiere Lucia di Lammermoor von Gaetano Donizetti, IOCO Kritik, 05.11.2016

Bonn, Theater Bonn, Premiere Lucia di Lammermoor von Gaetano Donizetti, IOCO Kritik, 05.11.2016
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Theater Bonn

Theater Bonn © Thilo Beu
Theater Bonn © Thilo Beu

Klangrausch zwischen Euphorie und Wahnsinn

Premiere Lucia di Lammermoor im Theater Bonn

Lucia di Lammermoor, das reife musikdramatische Werk von Gaetano Donizetti (1797 – 1848) wurde am 26.9.1835 wurde im größten Opernhaus Italiens, dem prestigeträchtigen Teatro San Carlo zu Neapel, uraufgeführt. Nur Monate zuvor, ebenfalls 1835 im Teatro San Carlo, gelang Vincenco Bellini mit seiner großen Oper Norma der ersehnte Durchbruch. Der Belcanto, das Ausschmücken von Gesang durch gebundene wie gehaltene Melodien oder Koloraturen, hatte 1835 mit Norma und Lucia di Lammermoor im Teatro San Carlo von Neapel seinen Höhepunkt erreicht.

Dabei entstammt Donizetti einer sehr armen Familie aus Bergamo: Vater Pförtner, Mutter Näherin. Sein musikalisches Leben begann mit sechs Jahren in einer Chorschule. 71 Opern schrieb Donizetti; heute in aller Welt populär: Liebestrank, Lucia di Lammermoor, Regimentstochter, Don Paquale, Viva la Mamma.

Theater Bonn / Lucia di Lammermoor © Thilo Beu
Theater Bonn / Lucia di Lammermoor © Thilo Beu

Die Quelle von Lucia di Lammermoor entstammt der Erzählung The Bride of Lammermoor von Sir Walter Scott (1771 - 1832) aus schottischen Hochmooren, italienisiert und personalisiert von Salvatore Cammarano und Gaetano Donizetti: Die Liebe der Lucia zu Edgardo, dem Todfeind ihres Bruders; ihre Weigerung, einer der Familie wirtschaftlich besser passenden Ehe mit Arturo zuzustimmen. Gefangen im düsteren Labyrinth von Fehden, Feinden, Familie und Liebe verfällt Lucia am Ende dem Wahnsinn. Donizetti gibt der schon damals in anderen Opern verarbeiteten Scott - Vorlage eigenen Charakter. Mit Beginn der Oper legt er auf Lucia den Schatten des Todes. Nicht  eine reale Katastrophe sondern ihre somnambule seelische Gefühlswelt, in welcher sie das handelnde Umfeld als unwirklich wahrnimmt, führt ins Verderben. Die abgründige  Zerrissenheit in farbiger Intrumentation und geordnetem Wohlklang des italienischen Belcanto wieder zu geben ist  Vorgabe heutiger Lucia - Produktionen.

Die Lucia di Lammermoor - Produktion stammt von der English National Opera in London, von deren englisches Team um David Alden (Ian Rutherford, Adam Silverman, Andy Cutbush und Charles Edwards) die Inszenierung in Bonn einstudierte. Das Bühnenbild ist unauffällig klassisch, meidet abwegig moderne Interpretationen: Ein weitgehend leerer, großer teilbarer Raum, mit hohen, weiß-verwaschenen Holzwänden und wenig Ausstattung. Ein Gitterbett für Lucia deutet Gefangenheit an, meist dunkle gehaltene Kostüme; alles finanzielle Nöte und Streit der Protagonisten signalisierend. Traumatische Stimmung des Psychodramas erzeugen Dämmerlicht und Schattenrisse. Gute Personenführung integriert den riesigen Chor präzise in die komplexe Handlung und gibt den Solisten notwendigen Raum..

Theater Bonn / Lucia di Lammermoor - Vermählung im Wahnsinn © Thilo Beu
Theater Bonn / Lucia di Lammermoor - Vermählung im Wahnsinn © Thilo Beu

Wirklich getragen wird dies "Fest des Belcanto", jedoch von den Stimmen. Kompliment hier dem Theater Bonn, denn die Solisten der Produktion stammen weitgehend aus eigenen Reihen. Felipe Rojas Velozo lebt in seiner Partie als Edgardo wahres italienisches Belcanto: Wohltimbriert, bruchlos in höchsten Höhen mit strahlend lyrischer Stimme wie mit großer Leidenschaft verzaubert er bis zu seinem Finalepilog im dritten Akt; wenn auch sein karierter Kilt zu romantischen Schwelgereien ernüchternd wirkt. Giorgos Kanaris zeichnet den rücksichtlosen Enrico mit gut phrasiertem Kavaliersbariton. Martin Tzonev zeigt mit solidem Bassbariton den konspirativen Pfarrer Raimondo und oft missbrauchtes Kirchenverständnis vergangener Jahre. Christian Georg überzeugten als Arturo wie auch Johannes Mertes als Normanno mit sicherem Tenor.

Theater Bonn / Lucia di Lammermoor-Wahnsinnsarie © Thilo Beu
Theater Bonn / Lucia di Lammermoor-Wahnsinnsarie © Thilo Beu

In der zentralen Partie der Lucia hatte Julia Novikova, erfahrene Sopranistin und ehemaliges Bonner Ensemblemitglied ihr Rollendebüt. Sicher schon zur ersten Arie „Regnava nel Silenzio“, ebenmäßig in allen Tönen, mit stimmlicher Süße beherrscht Novikova die Partie, wenn auch das Verwirrte, das Umnachtete der Lucia, besonders in der großen Wahnsinnsarie noch zu lyrisch, zu blaß blieb.

Dirigent Jacques Lacombes führte das Bonner Beethoven Orchester, wie vom Komponisten gewollt mit präzise ausschattierten Farben und auffällig weichem Legato. Lacombe läßt die Stimmen des Ensembles klingen, das Orchester deckt Sänger nie zu. Selbst die Bläser zeichnen in Bonn genussvoll wie  selbstlos wohlige Bilder des Belcanto. Mit Beginn deutet düsterer Paukenwirbel die Stimmung aufkommender Tragik; ein seltenes Instrument, die Glasharmonika, belebt in Bonn den stimmlichen wie instrumentalen Klangrausch zwischen Euphorie, Abgründen und Wahnsinn.

Die große Melodienoper des Belcanto, Lucia di Lammermoor, bringt Intendant Bernhard Helmich in Kooperation mit der English National Opera und weitgehend eigenem Ensemble erfolgreich wieder an das Theater Bonn. Das Publikum dankte laut bis der Vorhang endgültig fiel. IOCO / Viktor Jarosch / 05.11.2016

Lucia di Lammermoor an Theater Bonn, weitere Termine: 10.11.2016, 18.11.2016, 02.12.2016, 10.12.2016, 28.12.2016, 15.01.2016, 20.01.2016.

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