Bonn, Theater Bonn, Premiere Giovanna d´Arco von Giuseppe Verdi, IOCO Kritik, 26.10.2014
Der frühe Verdi: Fest des Belcanto - Fest der Sinne
Premiere 26.10.2014; weitere Vorstellungen; 29. Oktober 2014; 8.11.2014; 16.11.2014; 23.11.2014; 27.11.2014; 5.12.2014; 7.12.2014; 11.12.2014; 07.01.2015; 11.01.2015; 17.01.2015
Giuseppe Verdi, 1813 - 1901, komponierte 28 Opern. Die Schaffenskraft des Bauern von Roncole (er nannte sich gern nach dem von französischen Truppen besetzten Dörfchen bei Busseto) war in jungen Jahren hoch. Verdi bezeichnet diese Jahre später als seine „Galeerenjahre“: 20 Opern komponierte er von 1839 bis 1855. Der Grund für diesen Fleiß war irdisch profan: Seine frühen Erfolge sollten ihn nicht auf die Mailänder Scala beschränken. Verdi wollte auch in Rom, Venedig und anderswo erfolgreich sein. So komponierte Verdi in den Jahren 1844, 1845, 1847 und 1849 zwei Uraufführungen pro Jahr. Nur drei Monate nach I due Foscari in Rom fand am 15. Februar 1845 fand die Uraufführung von Giovanna d´Arco an der Mailänder Scala statt. Für die Scala hatte Verdi zuvor schon Oberto, König für einen Tag, Nabucco und Die Lombarden komponiert. Auch Giovanna d´Arco ihres Mailänder Lokalhelden Giuseppe Verdi wurde an der Scala vom Publikum begeistert gefeiert. Verdi bewertete Giovanna d´Arco zu diesem Zeitpunkt als sein reifstes Werk. Tatsächlich findet man in dieser Oper vieles, was den späteren Verdi auszeichnen wird: Kompositorische Farbenpracht, welche, gut auf die Bühne gebracht, Sinne und Gehör des Hörers flutet.
Am Thema der Giovanna d´Arco (Jeanne d´Arc) haben sich viele Dichter und Komponisten versucht: Shakespeare, Schiller, Mark Twain aber auch Tschaikowsky, Honegger, Braunfels und eben Giuseppe Verdi. Und wenn es heißt, Verdis Giovanna d´Arco basiere auf Friedrich Schillers romantischer Tragödie Die Jungfrau von Orleans, so unterscheiden sich die Handlungen beider Werke doch erheblich. Schillers Werk verwebt Motive und Handeln von 21 Charakteren, während Verdi in seinem Werk mit nur 5 Solisten und großem Chor neue kompositorische Ansätze für den Belcanto probt: Die kompositorische Gestaltung innerer Ängste und Konflikte wie Reverenzen an Vincenzo Bellini treiben Verdi. Verschiedene Tonarten der Protagonisten, große Arien und Chöre, instrumentale Differenzierung von Gut (Engel = Frauen + Harfe) und Böse (Dämonen= tiefe Männerstimmen + Harmonium) sollen alles Geschehen versinnlichen. Verdis Librettist Temistocle Solera reduziert die Handlung denn weitgehend auf die Charaktere von Giovanna d´Arco, König Carlo VII und ihres Vater Giacomo und formt zwischen ihnen eine historisch unbelegte Liebe-/ Haß-Beziehungen. Solera sieht so in seinem Libretto nur wenig Nähe zu Friedrich Schillers Werk. Die Plausibilität der Handlung dieser Oper sollte daher, wie in vielen anderen Opern, nicht zu hoch bemessen werden.
Inszenierung und Bühne gestalteten Momme Hinrichs und Torge Moller (fettFilm), indem sie der Handlung und dem Sinnlichen durch Video-Projektionen sichtbare Dynamik und Gestalt verleihen. Mapping, nicht einfaches Zuspielen von Videofilme, lautet die technische Zauberformel der Bonner Produktion. Video-Projektionen verändern fließend das Bühnenbild aus sich selbst heraus, verlieren alles abrupte: Treppen beginnen fast unmerklich zu rollen; Giovanna erschrickt betend vor der Erscheinung ihres eigenen, sichtbar gewordenen Antlitz (Bild), während die sie jagenden Dämonen unsichtbar als Chöre im Hintergrund klingen; blühende Rosenhecken ranken sich den Bühnenvorhang hinauf.....
Schon im Prolog der Oper zeichnet fettfilm in sublimen bewegenden Bildern das Leben der Giovanna. Eine Entrückte, keine Verrückte: Der Tod in lodernden Flammen; ihre jungen Jahre; vor einem Kreuze kniend betend; eine vom Vater betriebene Ehe brüsk abweisend; selbstlos ihrer Bestimmung folgend, Frankreich von den Engländern zu befreien. Nicht männlich-rohes Schlachtgetümmel, rauhe Rezitative oder drehende Bühnen formen diese Inszenierung. Projektionen verwandeln im ersten Bild den Palastaufgang unmerklich weich in einen dunklen Abendwald. Nachdenklichkeit und Ruhe, innere Freuden und blanke Nöte der Protagonisten werden sensibel gezeichnet. Zur feinsinnigen Charakterbeschreibung nutzen Momme Hinrichs und Torge Moller in ihrer Bonner Inszenierung die Ausdrucksformen moderner Technik. So werden keine Schränke oder Wände krachend vom Schnürboden herunter gelassen, Bühnenarbeiter zurren keine Gestelle fest.Mapping, Projektionen stützen Emotionen, Gefühle, Handlung.
Dazu ein prächtiges Orchester, ein starkes Ensemble, ein riesiger wunderbar geführter Chor und diese frühe Oper Verdis, von etablierten Regisseuren gern gemieden, wird im Theater Bonn zu einer Belcanto-Erfahrung der besonderen Art.
Als Man of the Match wird Dirigent Will Humburg nach der Premiere gekürt. Lebendig und präzise führte Humburg das Beethoven Orchester Bonn und schuf eine harmonische Abstimmung mit dem Ensemble und dem Engel, Dämonen und Volk darstellenden, riesigen Chor und Extrachor (Volkmar Olbrich) des Theater Bonn. Die zentrale Sopran-Partie der Giovanna war mit Jacquelyn Wagner überaus wohltuend besetzt: Als große, schlanke Erscheinung gibt sie der von Engeln und Dämonen getriebenen Frau mit lyrisch höhensicherer Stimme und durchgeistigter Darstellung ihren sphärischen, übersinnlichen Charakter. Der Erfolg eines Opernabends gelingt immer nur durch die Harmonie des Ensembles. So auch am Theater Bonn: George Oniani strahlte mit sicher kräftigem Belcanto und darstellerischer Präsenz in der Partie des König Carlo. Maxim Aniskin imponierte als Giacomo, Giovannas Vater, und leuchtete mit gut geformtem Bariton die Zwiespältigkeit seiner Partie darstellerisch gut aus. Die englischen und französischen Offiziere, mit Christian Georg und Martin Tzonev stimmlich stark besetzt, rundeten die starke Ensembleleistung am Premierenabend ab.
Premiere 26.10.2014; weitere Vorstellungen; 29. Oktober 2014; 8.11.2014; 16.11.2014; 23.11.2014; 27.11.2014; 5.12.2014; 7.12.2014; 11.12.2014; 07.01.2015; 11.01.2015; 17.01.2015
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Giuseppe Verdi flutete mit seinem Belcanto-Werk Giovanna d´Arco Sinne und Gehör der Besucher im Theater Bonn. Die moderne Inszenierung von Momme Hinrichs und Torge Moller (fettFilm) blendet zudem sperriges der jungen Verdi-Komposition aus und entwickelte mit prächtig aufgelegtem Ensemble und Orchester eine moderne und szenisch überaus starke Giovanna d´Arco. Das ausverkaufte Theater dankte lautstark. Weitere Kompositionen des jungen Verdi am Theater Bonn wurden angekündigt.
IOCO / Viktor Jarosch / 28.10.2014
---| IOCO Kritik Theater Bonn |---