Berlin, Komische Oper, SWEENEY TODD - Stephen Sondheim, IOCO
Das mordende Pärchen hat Erfolg mit diesem Geschäftsmodell. Doch bald stinkt es, im wahrsten Sinne des Wortes, zum Himmel. Es naht das blutige Ende. Viele sind tot, keiner ist happy. Mehr möchte ich nicht verraten.
SWEENEY TODD - The Demon Barber of Fleet Street - Musical-Thriller von Stephen Sondheim nach einem Buch von Hugh Wheeler – Regie: Barrie Kosky - Premiere 17. November 2024
von Rainer Maaß
The Demon Barber of Fleet Street
Wir Menschen sind schon eigenartige Wesen. Da werden auf der Bühne zweieinhalb Stunden lang zig Menschen die Kehlen durchschnitten und die Körper zu Fleischpastete verarbeitet. Und was machen wir danach? Wir springen von den Sitzen und applaudieren heftig. Zum Glück gilt der Applaus nicht nur den Täter:innen. Alle werden gefeiert, die dieses vortreffliche Bühnenspektakel ermöglicht haben. „Das ist genau der Humor von Sweeney Todd“, sagt Regisseur Barrie Kosky „in den schlimmstmöglichen Momenten kann man immer auch lachen.“
Natürlich sollte man nicht allzu zart besaitet sein, wenn man sich auf diesen Musical-Thriller einlässt, den der Komponist selbst eine >Schwarze Operette< nannte. Besser noch, man hat ein Faible für schwarzen Humor.
Worum es in diesem Stück geht? Es geht um viel! Beim Barbier Mr. Todd um die Rache für 15 Jahre Knast; bei seinem Freund Anthony um die wahre Liebe zu Todds Tochter. Und beim notgeilen Richter Turpin um das lechzende Verlangen nach eben dieser Tochter. Nicht zu vergessen die schlitzohriger Mrs. Lovett. Sie ist verliebt in Sweeney Todd und möchte mit ihm nur raus aus diesem Londoner Hungerleider Milieu. Dabei geht sie, wenn es passt, auch über Leichen. Viele Leichen. Gerne auch kleingehackt in Fleischpasteten.
Typisch für das Tempo dieser ungewöhnlichen Oper ist der Barbier-Wettbewerb auf dem Londoner Markplatz. Die ganze Stadt ist auf den Beinen, um Sweeney Todd und den exzentrischen Adolfo Pirelli, seinen Herausforderer, zu erleben. Eine Szene voller Musik. Ein kleines Kunstwerk in sich. Die Menschen feiern Todd als Sieger.
Dass alle Texte in Englisch sind, stört nicht. Langeweile kommt bei diesem Spektakel nicht auf.
Adolfo Pirelli bleibt eine wichtige Person in diesem Stück. Wenn auch nur kurz. Den Versuch, Sweeney Todd zu erpressen, bezahlt er mit frühem Tod. Weil diese Leiche nun irgendwie verschwinden muss, kommt Sweeneys Freundin Mrs. Lovett auf die lukrative Idee, das Fleisch für ihre Pasteten zu verwenden. Und weil Sweeney Todd mittlerweile einen Hass auf die ganze Menschheit ausgedehnt hat, ist der Nachschub gesichert. Köstlich, wenn auch ziemlich makaber ist ein Song in dem Mrs. Lovett und Sweeney Todd die möglichen Geschmacksvarianten ihrer Pasteten besingen. Aber schmecken Richter anders als Priester?
Das mordende Pärchen hat Erfolg mit diesem Geschäftsmodell. Doch bald stinkt es, im wahrsten Sinne des Wortes, zum Himmel. Es naht ein blutiges Ende. Viele sind tot, keiner ist happy. Mehr möchte ich nicht verraten.
Ein großes Kompliment an das Ensemble der Komischen Oper Berlin. Diese schnellen englischen Texte zu singen, war sicher sehr nicht einfach. Alle Hochachtung.
Besonders hervorheben möchte ich Christopher Purves (Sweeney Todd), Dagmar Manzel (Mrs. Lovett), Ivan Tursic (Adolfo Pirelli)
Der langanhaltende Beifall war mehr als verdient.