Berlin, Komische Oper, MESSESCHLAGER GISELA - Gerd Natschinkski

KOMISCHE OPER BERLIN: Die Premiere der Operette MESSESCHLAGER GISELA - in einem großen Theaterzelt, mitten in Berlin, direkt vor dem Roten Rathaus: der perfekte Ort für

Berlin, Komische Oper, MESSESCHLAGER GISELA - Gerd Natschinkski
KOMISCHE OPER BERLIN - vor den Roten Rathaus in Berlin @ Rainer Maaß

Komische Oper Berlin - im Zelt vor dem Roten Rathaus - Premiere der ehemals so populären DDR- Operette - MESSESCHLAGER GISELA

von Rainer Maaß

GISELA - Eine musikalische Zeitreise in die DDR

Die Komische Oper Berlin zählt international zu den besten Opernhäusern. Das Repertoire reicht von klassischen Opern bis zu Singspielen und Operetten. Seit Mitte letzten Jahres wird das Stammhaus in der Behrensstraße aufwändig saniert. Jetzt residiert sie für mehrere Jahre im Schillertheater in Charlottenburg. Aber nicht nur dort! Von Zeit zu Zeit schlägt die Komische Oper "ihre Zelte" in einem der Berliner Bezirke auf.

MESSESCHLAGER GISELA - Komische Oper Berlin - youtube Komische Oper Berlin

Bei der Premiere der Operette MESSESCHLAGER GISELA kann man das wörtlich nehmen: Ein großes Theaterzelt hat Premiere. Mitten in Berlin, direkt vor dem Roten Rathaus: der perfekte Ort für eine weitere Premiere. Eine Premiere der besonderen Art: Die Wiedergeburt eines Stücks Musikgeschichte, das 1960, zu DDR-Zeiten, im Berliner Metropol-Theater seine Uraufführung erlebte: MESSESCHLAGER GISELA - gestaltet von Regisseur Axel Ranisch, musikalische Leitung Adam Benzwi.

MESSESCHLAGER GISELA spielt im Modekombinat VEB Berliner Schick: Die Leipziger Messe steht vor der Tür und man braucht unbedingt einen Knüller. Einen Messeschlager. Der unfähige aber höchst selbstbewusste Direktor namens Kuckuck ist panisch. Er will nach Paris zwecks Inspiration. Dass seine angestellte Modegestalterin Gisela Claus längst ein überzeugendes Modell entworfen hat, interessiert ihn nicht. Wie der Titel der Operette schon vermuten lässt, wird Giselas Modell am Ende obsiegen.

MESSESCHLAGER GISELA - im Zelt vor dem ROTEN RATHAUS @ Jan Windszus / Komische Oper Berlin

Aber bis es soweit ist, geht die Post ab. Da die Bühne in der Mitte des Zeltes steht, kann sie von allen Seiten bespielt werden. Und sie wird es. Einmal strömen durch die Zugänge von allen Seiten die missglückten Kreationen von Direktor Kuckuck: Menschen mit Kunststoff-Mänteln, wie aus einer amerikanischen Astronauten Revue entsprungen. Typisch kapitalistische Entgleisungen. Auf der großen Insel in der Mitte des Zelts arbeiten fleißige Schneider an Menschen, die Puppen darstellen. Solides Handwerk. Ein Hauch vom Geschmack der Sechziger Jahre kommt auf, wenn es beim Modekombinat VEB Berliner Schick einen "Tag der offenen Tür" gibt. Die Besucher:innen tragen längst vergessene Frisuren und Hutmodelle. Man denkt an Honecker und weiß sofort, woher der Ampelmännchen Hut stammt.

Es wird viel getanzt, gesungen und gelacht. Und es gibt viel Szenenapplaus. Gisela Claus, die Modegestalterin, ist der ruhende Pol in diesem quirligen Kollektiv. Sie will nicht hervorgehoben werden. Sie scheut die Presse. Sie verliebt, entliebt und verliebt sich zum Happy End in den reuigen Zeitungsmann. Die Sekretärin Marghueritta mit ‚janz viel Sex-Appeal‘ und die ständig rauchende Werkstattleiterin Emma Puhlmann kämpfen um, mit und gegen Direktor Kuckuck, dass es eine Freude ist. Am Ende gewinnt ihn die Werkstattleiterin. Während Marghueritta immerhin den Gütekontrolleur in die Arme schließt. Langeweile stellt sich zu keiner Sekunde ein. Als Herr Kuckuck erfährt, dass die Belegschaft ohne seine Zustimmung das "Modell Gisela" präsentieren wird, stellt er eine eigene Kreation vor.  Das "Modell Melone" fällt aber erwartungsgemäß durch. "Modell Gisela" dagegen wird auf der Messe von den Einkäufern in großen Mengen geordert.

Dass auch ein Kaufhaus in Potsdam gerne 15 Stück bestellen möchte, gab einen extra Lacher. Und alle sind glücklich. Auch die Zuschauer.

MESSESCHLAGER GISELA - im Zelt vor dem ROTEN RATHAUS @ Jan Windszus / Komische Oper Berlin

Gisa Flake als Gisela, Torsten Merten als Direktor Kuckuck, Andreya Schneider als Emma Puhlmann, und dem ganzen Ensemble... pardon dem Kollektiv ist es gelungen, die Zuschauer von Anfang an mitzureißen. Immer wieder gab es Szenenapplaus. Und am Ende großen Beifall.

Messeschlager Gisela wurde am 16. Oktober 1960 im Metropol-Theater Berlin uraufgeführt. 24 weitere DDR-Bühnen nahmen das Stück sofort auf den Spielplan, doch, nach dem Mauerbau am 13. August 1961 wurde das Stück sofort abgesetzt. Der Bezug zum Westen war nicht mehr erwünscht.

Mit diesem Stück wendet sich die Komische Oper einer Operetten-Tradition zu, die dem Publikum weitgehend unbekannt sein dürfte, der sogenannten DDR-Operette. Dabei war die DDR in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts der Staat mit der höchsten Dichte an Häusern mit Musiktheaterensembles weltweit. Oper, Operette und Musical wurden gezielt gefördert. Der Komponist Gert Natschinski (1928-2015) gilt als einer der bedeutendsten Komponisten der DDR. Sicher gibt es dort noch mehr Schätze zu heben.

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