Berlin, Komische Oper Berlin, Spielplan 2011/12: Homoki geht - auch Felsenstein?, IOCO Aktuell, 30.05.2011
Komische Oper Berlin - Felsenstein am Ende?
Personeller Wechsel: Homoki geht, Kosky kommt
Die Komische Oper Berlin an der Behrenstraße ist mit 1.270 Plätzen das kleinste Opernhaus Berlins. 1892 von dem berühmten Architektenbüro Fellner & Helmer als Metropol-Theater erbaut, machte das Haus bis Kriegsende zumeist mit fetzigen Revuen Furore. Der weite, neo-barocke Zuschauerraum steht unter Denkmalschutz. Die bequemen Sessel bieten seit 2010 moderne, blendfreie Übersetzungsdisplays. Alle Werke werden auf Deutsch gespielt. Mit 180.000 Besucher im Jahr ist die Komische Oper ein bedeutender Berliner Kulturträger. Die Auslastung der Spielzeit 2010/11 läuft etwas besser als in Vorjahren, 67% hofft man zu erreichen. Zuschüsse von € 30,8 Mio leistet der Berliner Senat, die Eigeneinnahmen betragen € 6,6 Mio. Die Komische Oper ist bedeutender Arbeitgeber: Sie trägt Verantwortung für über 400 Mitarbeiter.
Die Historie der Komischen Oper Berlin ist von Regie dominiert. Sie beginnt 1947 mit der Gründung und dem Intendanten Walter Felsenstein, der bis zu seinem Tod 1975 als Intendant und Chefregisseur dem Haus mit kontroversem Regietheater zu internationaler Bekanntheit verhalf . Joachim Herz, Werner Rackwitz, Albert Kost und, heute, Andreas Homoki (2004) folgten Walter Felsenstein auf dem Intendantenstuhl. Homoki ist ebenfalls seit 2002 Chefregisseur des Hauses. Bekannter Vorgänger als Chefregisseur war Harry Kupfer. 2012 wird Andreas Homoki seinen Intendantenstuhl räumen. Spürbar im massiven Schatten der Regie agiert an der Komischen Oper die Musik: Kirill Petrenko verließ 2008 das Haus, Anfang 2010 kündigte der neue GMD Carl St. Clair frustriert nach "künstlerischen Differenzen" (IOCO: mit Homoki) fristlos. Patrick Lange, 29, derzeitiger Chef-Dirigent und international begehrter Senkrechtstarter am Pult geht ebenfalls 2012. Als Nachfolger wurde Henrik Nánási gefunden und designiert. Das Primat der Regie, an der Komischen Oper Berlin ist es seit Jahren sichtbare Realität.
Auslastung von 67% für die laufende Saison
Die Jahrespressekonferenz der Komischen Oper für den Spielplan 2011/12: Präsentiert von einer Führungsmannschaft im Abgang: Andreas Homoki, Intendant und Chefregisseur, und Patrick Lange, Chefdirigent gehen 2012. Barrie Kosky steht seit langem als Nachfolger Homokis und eckiger Chefregisseur fest. Fels im personellen Wandel des Hauses nur die in Wien beheimatete Geschäftsführende Direktorin Susanne Moser. Andreas Homoki präsentierte seine letzte Jahrespressekonferenz routiniert, mit wiederholtem Bezug auf seinen erklärten Übervater Felsenstein und dessen etwas betagtem Dogma "stetiger Erneuerung". Der Spielplan 2011/12 sei geprägt von Aufbruch nicht von Rückschau, so seine wolkige Meta - Metapher. Stolz auf das in den letzten Jahren erreichte erfülle ihn, so Andreas Homoki. Premieren, so Homoki, seien für die Komische Oper sehr wichtig: Die Auslastung neuer Produktionen liege deutlich über denen von Repertoirestücken: Keine Empfehlung für das von Homoki in den vergangenen Jahren aufgebaute Repertoire. Die Auslastung von 67% für die laufende Saison wird als Erfolg gefeiert. In Auslastungszielen ist Homoki wenig anspruchsvoll.
Sehr konkret und bundesweites Vorbild dagegen ist Homokis Engagement für Kinderoper: Mit 3 Opern für Kinder im großen Haus (Mikropolis, Die Schneekönigin und Robin Hood), einem Kinderfestival vom 15. - 19.2.2012, dem Ballett OZ - The Wonderful Wizard setzt die Komische Oper in der musikalischen Erziehung von Kindern und Jugendlichen bundesweite Maßstäbe. Konsequent auch, die Kartenpreise für Kinder bis 16 Jahre sind auf € 8 begrenzt.
228 Vorstellungen, davon 185 Opern und 43 Konzerte oder Sondervorstellungen werden 2011/12 geboten. Daneben 20 Sondervorstellungen mit dem Staatsballett Berlin: Oz - The Wonderful Wizard (11), The Familiar Stranger (7), Ballett-Gala (2). 28 Premieren und Repertoirestücken sind Merkmale eines künstlerisch wie organisatorisch anspruchsvollen Programmes der Komischen Oper. Die Spielzeit 2011/12 beginnt am
18. September 2011mit dem inzwischen traditionellen Spielzeitfest für die ganze Familie.
7 Premieren:- Das schlaue Füchslein; von Leos Janacek; Regie: Andreas Homoki; 2.10.2011
- Mikropolis; von Christian Jost; eine abenteuerliche Insektenoper für Kinder (von Ameisen, Kreuzspinnen, Marienkäfern und anderen Bewohnern eines Rasenstücks inmitten Berlins): Regie Nadja Loschky; als Auftragswerk der Komischen Oper; 30.10.2011
- Carmen; von Georges Bizet; Regie Sebastian Baumgarten; 27.11.2011
- Der Freischütz; von Carl Maria von Weber; Regie Calixto Bieito; 29.1.2012
- Die sieben Todsünden; von Berthold Brecht; Regie Barrie Kosky; 12.2.2012
- Das bronzene Pferd; von Daniel Francis Auber; Regie Frank Hilbrich; 11.3.2012
- Xerxes; von Georg Friedrich Händel; Regie Stefan Herheim; 13.5.2011
Die Regisseure der kommenden Premieren: Meist alte Verdächtige, schon mal dagewesen. Die von Homoki beschworene Experimentierfreude: Nicht wirklich erkennbar. Der festgelegte Blut- und Sex-Regisseur Calixto Bieito macht gerade die Karmelittinen. Sebastian Baumgarten wiederum gelang 2010 eine krachende Im Weißen Rößl, Barrie Kosky´s Rusalka geriet umstritten, Homoki´s Meistersinger.... Der von Intendant Homoki oft propagierte Aufbruch ist in Premieren oder Regie nicht zu erkennen. Maßstäbe setzt die Komischen Oper dagegen in der Jugendarbeit und der Besetzung bei Premieren: Alle Partien werden aus eigenem Ensemble besetzt. Die Komische Oper wird zur hörbaren Talentschmiede für große Partien. Chapeau.
21 Repertoirestücke:
Darunter Im Weißen Rößl, Rigoletto, Rusalka, Lear, Die Schneekönigin, La Traviata, Robin Hood, Hoffmanns Erzählungen, Kiss me, Kate, Der Rosenkavalier, Salome und vieles mehr.
So bietet die Komische Oper Berlin auch 2011/12 großartige Kultur und Musikalischen Reichtum in deutscher Sprache, mit reizvollem Schwerpunkt in der Kinder- und Jugendoper. Eingebunden ist der Spielplan in den gesamt Berlin umfassenden Spielplanraster der Berliner Opernstiftung. Die kulturelle Vielfalt die die Stadt Berlin seinen Bewohnern bietet ist überwältigend. Bringt personeller Wandel neue Kräfte an die Komische Oper? Wird Walter Felsenstein, Übervater von noch-Intendant Homoki, endlich auf Jetztzeit gestutzt ? Werden Besucherzahlen doch bedeutsam ? Es bleibt spannend an der Komischen Oper Berlin.
IOCO / Viktor Jarosch / 30.05.2011
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