
W:O:A 2023 – HEAVY METAL KULTFESTIVAL
Wacken 2023 – Headbangen zwischen Matsch und Planungschaos
von Falk Rasokat

W:O:A 2023: Einmal im Jahr, im August, sammeln sich viele zehntausende Menschen in dem kleinen beschaulichen Dorf Wacken in Schleswig-Holstein. Dieses Dorf, so unscheinbar es mit seinen 1.800 Einwohnern auch für den Rest des Jahres sein mag: Wacken im Landkreis Steinburg ist zum Kultort für Heavy-Metal Fans geworden. Hier findet jede erste Augustwoche das sogenannte Wacken Open-Air, das W:O:A, statt.
Und wieder ein Jahr ist verstrichen. Einmal mehr als ein Mal schafft schon eine Tradition. Also berichte ich dieses Jahr wieder von einem der doch größeren Festivals, welches ich wohl am liebsten von allen besuche und besuchen werde.
Der aufmerksame IOCO-Leser hat bereits über das Wacken-Open-Air 2022 gelesen, also sollten „Fachbegriffe“ (wie Metalhead, oder Infield und Holy Ground) dem einen oder anderen noch im Kopfe rumgeistern.
Klassisch fand das diesjährige Wacken-Open-Air in der ersten Augustwoche statt – also vom 02. August bis zum 05. August 2023. Wobei der kluge Metal-Fan natürlich schon am 31. also am Montag anreiste. Ein Umstand, der sich für die frühen Vögel spätestens ab Mittwoch als sehr glücklich definieren lässt.
Trailer – Wacken Open Air 2023 – Official after movie
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Für das W:O:A 2023 wurden 85.000 Tickets verkauft, wobei mit Bands, Schaustellern und Presse wieder etwas mehr als 100.000 Teilnehmer erwartet wurden. Leider konnten aufgrund der Witterungsverhältnisse nur etwa 61.000 Menschen teilnehmen. Das klingt zunächst einmal dramatisch, dennoch sind die Bilder welche teils von den Berichterstattern der Presse in ihren warmen Büros gezeichnet wurden etwas übertrieben. Dazu allerdings später mehr.
2023 fand das Wacken-Open-Air bereits zum 32. Mal statt (wobei es zwei Male wegen einer bekannten Pandemie ausfallen musste). Der große Headliner in 2023 war die Englische Heavy-Metal-Band Iron Maiden. Neben ihr spielten Größen wie Megadeth, Beyond The Black und Trivium. Für bekannte Bands war also schonmal gesorgt, so konnte es nur ein vielversprechendes Festival werden. Auch wurden die Campgrounds dieses Jahr erweitert um mehr angereisten Metalheads einen Ort zum Zelt aufbauen zur Verfügung zu stellen. Die Wetterlage war zumindest zu Beginn absehbar, wodurch zumindest in der Planung schon so einige Maßnahmen zum flüssigen Ablauf des Ganzen geschaffen worden sein sollten. Allerdings wurde auch schon durch die frühe Berichterstattung klar, dass das Festival schon im Aufbau Probleme hatte. Sei es lockerer Boden für die großen Bühnenanlagen oder Matschkuhlen durch welche man nur mit speziellen Gerät Bauteile für eben jene Bühnen anschaffen konnte.
2023 gab es zumindest für die VIPs, Artists und Pressevertreter einen neuen Bereich. Der alte VIP- und Pressebereich wurde zur „Wacken United Area“ ein Ort an dem man entspannen konnte und auch einige Künstler traf. Wodurch METAL-Fans, die ein wenig mehr Geld ausgeben konnten, die einmalige Gelegenheit geboten wurde, mit ihren Idolen an einem Tisch zu sitzen und das ein oder andere Bier zu trinken. Die United-Area bot viele kleine neue Stände, das Pressezelt, einen Catering-Bereich mit hervorragendem Essen und natürlich auch die ein oder anderen Getränkestände.
Die Anreise
Die Anreise fand auch für mich dieses Jahr bereits am Montag statt. Schließlich war eine schwerere Witterung absehbar. Wir fuhren bereits um 5 Uhr morgens in Hamburg los und waren gegen 13 Uhr auf unserem finalen Campingplatz angekommen. Entgegen der allgemeinen Annahme war der Transporter, in welchem wir Zelte, Stühle, Generatoren und natürlich auch das Bier verstaut hatten, nur ein einziges Mal im matschigen Boden stecken geblieben. Ein Umstand, welcher sich allerdings mit genug Mannskraft innerhalb weniger Minuten wieder lösen ließ. Angekommen waren wir zunächst einmal enttäuscht. Normalerweise ist es für die frühen Vögel normal, einen der besseren Campingplätze, direkt am Hauptbereich des Festivals zu bekommen. Diesmal war es allerdings anders. Wir campten etwa 30 Minuten Fußmarsch vom Hauptgelände entfernt. Schnell fiel allerdings auch auf, dass das campen am Hauptgelände schlicht nicht möglich war. Die Wege waren nämlich komplett unbefahrbar geworden. Nicht zuletzt durch den Regenschauer, von welchem wir begrüßt wurden.
Dennoch ließ sich die Truppe gestählter Metalheads, mit welcher ich fuhr, nicht von der Witterung einschüchtern. Schnell stand das Gruppenzelt und die kleineren Zelte folgen im Nu. Für den Generator wurde eine behelfsmäßige Abdeckung gebaut, die diesen vor Regen schützen würde. Die etwa 50cm langen Bodenanker sollten sich ebenfalls noch als nützlich erweisen.
Zum Glück war der Boden unseres Campgrounds noch recht fest, wodurch wir hier wenigstens für den Rest des Festivals trockenen und festen Boden haben sollten.

Das Gelände
Das erste Bier getrunken und die erste Bratwürste im Bauch, zog der Trupp mit festem Schuhwerk los zur Erkundung des Hauptgeländes. Das Hauptgelände war ähnlich gegliedert wie letztes Jahr. Es gab einen Vorbereich, die sogenannte Plaza auf welcher eine Menge Fress- und Getränkestände zu finden waren, wie eine Reihe an Läden, welche T-Shirts verkaufen (diesmal auch Gummistiefel). Da der direkte Eingang zum Hauptgelände allerdings auch der Hauptzufahrtsweg war, war der Boden durch die schweren Maschinen zum Transport von Bühnenequipment, Gerüsten und ähnlichem so sehr aufgeweicht, dass ein Weg von ursprünglich etwa 30 Minuten nun in etwa ein Weg von einer Stunde war. So wartete man durch knietiefen Matsch. Davon ließ man sich allerdings nicht aufhalten.
Hinter der Plaza ist das sogenannte Infield, welches für normale Besucher erst ab Mittwoch geöffnet sein würde. Wir erkundeten es allerdings bereits am Montag und waren überrascht, dass der Aufbau trotz der eher tristen Nachrichten gut vorankam. Die drei großen Hauptbühnen standen bereits und der Bullhead, siehe Foto oben, ragte schon hoch darüber. Auch gab es dieses Jahr wieder den sogenannten Farmers Market auf welchem die Wackenbesucher das nötigste Einkaufen konnten. Hierbei lobend zu erwähnen, ein Sammelsurium an lokalen Erzeugnissen, wie z.B. Milch und Brot.
Diesmal auch wieder dabei, ein großer Wagen der Bundeswehr. Hier wurden kleinere Kettenfahrzeuge zur Schau gestellt und natürlich auch ordentlich Werbung für eine Karriere beim Bund gemacht.
Neben den Hauptbühnen und der United Area befand sich weiter das Sanitäterzelt. Wobei dort im letzten Jahr hauptsächlich Gäste mit Sonnenstich eingeliefert wurde, schien es diesmal eher um verstauchte Knöchel und kleinere Brüche zu gehen. Dazu aber später mehr.
Die Campgrounds
Da das weitere Vorgehen für die ersten zwei Tage des Festivals stets gleich sind, nämlich andere Camps besuchen, Kontakte knüpfen und natürlich eine Menge trinken und Musik hören, war es nun an allerhöchster Zeit die Campground zu erkunden und sich eine ungefähre Route für die nächsten Abende zu planen. Auf den Campgrounds selbst stellte die Witterung keine großen Probleme dar. So war ein abendlicher Erkundungsmarsch auch in leichterem Schuhwerk möglich. Es gibt die alte Sitte, dass man seine besten Freunde einmal im Jahr trifft. Nämlich auf den Ackern des Wacken-Open-Airs. Genau dies traf wieder ein. Menschen mit welchen ich mich im vorherigen Jahre angefreundet hatte liefen mir über den Weg. So wurden hier und dort auch Pläne für den gemeinsamen Besuch einzelner Konzerte ausbaldowert und auch nach guter Sitte, bei Aufbauarbeiten, wie dem befestigen von Zelten und Pavillons geholfen. Im allgemeinen ist es stets wichtig festzuhalten, dass die Besucher des W:O:A wohl die nettesten und hilfsbereitesten Menschen sind, die man auf einem Festival kennenlernen kann. Es gibt hier keine Klassengesellschaft, keinerlei berufliche Unterschiede. Was einen wirklich vereint ist die Liebe zum Heavy-Metal und die Gemeinschaft auf dem Holy-Ground. Ein Umstand der sich jedes Jahr u.A. wieder durch die geringe bis nicht vorhandene Kriminalitätsrate zeigt, was auf anderen Festivals deutlich anders ist. Auch gab es diese Jahr wieder eine Menge anwesende Kinder, die von der Witterung und den teils doch grimmig aussehenden Metalheads eher erfreut schienen. Sie tollten durch die Gegend und konnten in jedem der Besucher einen Freund sehen.
Anreisestop und Frust
Was jenen Besuchern, die bereits am Montag ihr Zelt aufschlugen vielleicht nicht wirklich bewusst war, waren die logistischen und organisatorischen Probleme, welche die Wetterlage um das Festival bedingte. Zufahrtsstraßen waren blockiert, neue PKW konnten höchstens mit einem von etwa 70 Traktoren, welche netterweise durch die Anwohner zur Verfügung gestellt wurden, auf ihren Campingplatz gezogen werden. Dass bedeutete Stau auf der Autobahn, den Landstraßen. Der längste Stau zog sich bis nach Hamburg zum Volksparkstadion, auf dessen Parkplatz schließlich ein Behilfscamp eingerichtet wurde. Weiter wurde in Hohenlokstedt, etwa 15 Kilometer entfernt vom Gelände, ein ganzes Flugfeld als Behilfscamp (namens Hungriger Wolf) eingerichtet. Dort konnten die Gäste auch schon ihre Tickets einlösen und ihre Zugangsbändchen abholen. Der Umstand war nicht optimal, dennoch schmälerte das die Motivation der dort campenden nicht wirklich, da auch Shuttlebusse eingerichtet wurden, welche diese zum Hautpgelände für den Rest des Festivals bringen würden. Doch schließlich war auch dort die Kapazitätsgrenze erreicht. Gemeinsam mit der Gemeinde wurde beschlossen, einen Einlassstopp für alle neuen Besucher zu verhängen. Im Kern bedeutet das, von 85.000 verkauften Tickets werden nur etwa 61.000 eingelöst. Ein schwerer Schlag für jene, die weit für Ihr Lieblingsereignis des Jahres gereist sind, wie ein schwerer Schlag für die Veranstalter. Teils aus dem Ausland angeflogene Metalheads waren nun in Hamburg gestrandet, wobei ihr Rückflug erst am Sonntag stattfinden sollte. Das Versprechen, die Tickets zurückzuerstatten war natürlich ein Trostpflaster, doch wären die meisten doch lieber da gewesen.
Der Frust über den Anreisestopp machte sich auch auf dem Campground direkt auf dem Gelände merkbar. Teils konnten Freunde nicht anreisen, genauso wusste man, dass es dieses Jahr wohl sehr viel leerer bei den Konzerten sein würde. Hinzu kam natürlich die Angst, dass man das komplette Event absagen könnte. Zum Glück ist dies nicht geschehen und alles Weitere lief wie geplant.

Und los gehts!
Die ersten zwei Tage überstanden, öffnete das Infield am Mittwoch seine Tore. Woraufhin die Massen endlich anfangen konnten die Auftritte ihrer Lieblingsbands zu besuchen. Hierbei natürlich auch immer wieder als festliche Eröffnung die Wacken-Firefighters. Die Wacken-Firefighters sind die Marschkapelle der ansässigen Feuerwehren. Jedes Jahr ist es ihnen überlassen, feierlich das Festival zu eröffnen. Man mag nun denken, dass sich Blasmusik und Metalheads nicht vereinen lassen. Doch alleine das Gröhlen der Melodie des Böhmischen Traums von tausenden schwarz gekleideten Gestalten muss einen doch vom Gegenteil überzeugen.
So matschig es 2023 auch vor den Bühnen war, so war die Witterung auch ein Vorteil. Schließlich musste man sich zwei Mal überlegen, ob man wirklich zurück in sein Camp wollte um die Pause zwischen zwei Bands zu überbrücken, oder ob man einfach dem Marsch durch die Tiefen vorbeugte und dort blieb. Ich zumindest entschied mich die weiteren Tage für Option zwei.
Endlich begann nun also der Hauptteil des ganzen W:O:A. Bedenken über Matsch, Witterung, Einreisestopps waren nun woanders. Die Metalheads, welche es auf das Gelände geschafft hatten, ließen sich nicht einschüchtern oder unterkriegen. Die Stimmung war gelinde gesagt bombastisch. Auch die Planung konnte eingehalten werden. So spielten die meisten Bands zeitig. Leider wurden ein paar kleinere Gruppe kurzfristig abgesagt. Trotzdem liefen die Lautsprecher auf anschlag, die Menschen tanzten und sangen. Und solange man nicht länger als 5 Minuten auf einmal stand, lief man auch nicht Gefahr stecken zu bleiben und dabei vielleicht seine Stiefel zu verlieren.
Der “Holy Ground” als letzte Ruhestätte
Eines der größeren und wohl auch geschichtsträchtigen Ereignisse war die Beisetzung der Asche der Heavy-Metal Legende Lemmy Kilmister, dem bekannten Frontsänger der Band Motörhead am Mittwoch. Als eine Ikone der Metalmusik war es für fast jeden der Besucher eine Pflichtveranstaltung, diesem Event beizuwohnen. Zunächst fand eine Parade unter dem Motto „Lemmy Forever“ durch das dorf, an welcher auch zwei weitere Motörhead-Mitglieder teilnahmen. Lemmy war schon vorher auf dem Festival mit einer Hommage und einer Schweigeminute geehrt worden. Doch diesmal war es noch imposanter. Ihm zu Ehren wurde eine Gedenkstätte im Landgasthof Wacken errichtet. Eine Art Schrein, um genau zu sein. Dieser wurde der Garderobe des Künstlers nachempfunden. Weiter wurden teile seiner Asche im Matsch des Festivalgeländes verstreut. So oft, wie die Gruppe auf dem W:O:A schon spielte, eine würdige Ruhestätte, sodass Lemmy für immer ein Teil des Holy Ground sein wird. Eine Würdigung, die dem Sänger sicherlich sehr gefallen hätte.
Drohnen
Neu dieses Jahr waren die Drohnen. Man mag sich zuerst fragen, was das bedeuten soll. Es ist im Grunde relativ einfach: Um für ein neues spannendes Extra bei einzelnen Auftritten zu sorgen, flogen eine große Menge Drohnen durch die Luft. Diese konnten dabei in verschiedensten Farben leuchten. Was bestimmt dem Köpfchen mehrerer kompetenter Programmierer zu verdanken ist, sind die großen dreidimensionalen Logos, Bandnamen, Totenschädel oder auch Drachen, welche sich hinter der Faster-Stage erhoben. Diese boten ein zusätzliches Spektakel zu den eh schon recht faszinierenden Bühnenshows. Man kann dies nicht wirklich beschreiben, aber es war unglaublich schön und ist definitiv weiterzuempfehlen.
Trailer – Wacken Open Air 2023 – Outro
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Zusammenfassung
Das Wacken-Open-Air 2023, war auf jeden Fall das spannendste und ereignisreichste Festival an dem ich je teilnehmen durfte. Nicht nur technisch, in Form z.B. der eben beschriebenen Drohnenschauspiele, oder auch musikalisch mit hochkarätigen Bands wie Iron Maiden, sondern auch vom Drumherum hat man so einiges erleben können. Sei es geplant oder ungeplant gewesen. Hier merkte man einmal um so mehr, dass die doch recht enge Gemeinschaft an Metalheads, eine Gemeinschaft der Freundschaft ist. Auch die Hilfe der Dorfbewohner und die Unterstützung verschiedenster Ehrenämtler wurde dieses Jahr sehr sichtbar.
Wacken 2023 war definitiv kein Desaster (für den Gast, der es auf das Gelände schaffte). Was funktioniert hat, hat sehr gut funktioniert. Der Veranstalter und Gast zeigte, wie gut und effizient er sich auf kurzfristige Änderung einstellen konnte, um das Festival überhaupt zu ermöglichen. Traurig war es für jene, die den Holy-Ground nicht betreten konnten. Als Trostpflaster konnte ihnen schließlich noch ihr Ticket erstattet werden und sie erhielten die Möglichkeit, bereits einen Tag früher Tickets für nächstes Jahr zu kaufen (was den Stress einer maximal überlasteten Webseite lindert). Dies ersetzt natürlich nicht sonstige Unkosten wie Flug, Fahrt und im besonderen natürlich den Frust, dennoch muss es geschätzt werden, dass sich wenigstens um jene Pechvögel gekümmert wurde, so gut man eben konnte. Auf den meisten Festivals wäre eine Erstattung höchstens durch Zivilklage möglich gewesen.
Die Wetterlage war sonst keinerlei große Einschränkung für den einfachen Gast. Natürlich war es für Menschen mit Gehbehinderungen recht unmöglich durch den Matsch zu kommen. Selbst hier bildeten sich allerdings oft Gruppen, die durch pure Mannkraft z.B. Rollstuhlfahrer vor die Bühnen brachten.
Auch Wacken 2023 steht so, erneut, für ein gelungenes Festival! Es hat wieder unglaublichen Spaß gebracht und ist auch 2024 natürlich wieder unser Pflichtprogramm.