
Herzog Blaubarts Burg – Béla Bartók
Poetisches Seelendrama – Klangfarben in ungarischer Volksmusiktradition
von Hilli Hassemer
Drastischer, dichter, subtiler hat man die Oper Herzog Blaubarts Burg von Béla Bartók selten erlebt. Eine Stunde, in welcher sich ein gewaltiges Beziehungsdrama mit seinen Abgründen vor uns entfaltet und keinen unberührt entlässt. Béla Bartóks einzige Oper, 1918 uraufgeführt, behandelt die von Charles Perrault 1697 maßgeblich geprägte Sage um Herzog Blaubart, welcher in den Räumen seiner Burg fünf Frauen ermordete, versteckte. Judith hat, im Glauben Blaubart zu lieben, Eltern und Verlobten verlassen; sie dringt in Blaubarts Burg ein, einem inneren Drang folgend, um Licht in die Dunkelheit der Gerüchte um Herzog Blaubarts Burg bringen zu wollen.
Herzog Blaubarts Burg – an der Deutschen Oper am Rhein
youtube Trailer Deutsche Oper am Rhein
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Demis Volpi, Regie und Choreographie, vereint in seiner spartenübergreifenden Produktion erstmals Tanz und Gesang, entwickelt das Drama in einem wohltuend reduzierten Bühnenbild: ein Schwarzer Vorhang, der den gesamten Bühnenraum umspannt. Blaubart sitzt an einem Tisch, auf dem eine kleine Spielzeugburg (Foto unten) steht. Er scheint daran zu basteln und nimmt kaum Notiz von Judith, die verloren wirkend in dem gewaltigen Schwarz die Bühne, die Burg betritt, mit Ihrem Koffer, mit ihren Erlösungsideen.
Blaubart und Judith, beide Akteure, verharren während der gesamten Aufführung in ihrer distanzierenden Isolation; singen, spielen aneinander vorbei. Der Zuschauer sehnt sich vergeblich danach, dass nur einmal die Blicke der beiden sich treffen, vertiefen. Judith erbittet sich die Schlüssel zu den verschlossenen Räumen der Burg; widerwillig, nach und nach gibt Blaubart ihr diese. So offenbaren sich dann der fordernden Judith die dunklen Geheimnisse der einzelnen Räume der Burg.
Bühnenbildnerisch von Markus Meyer bestechend gelöst: mit minimalistischen LED Leuchtelementen, die von der einer Zwischendecke schweben und den Eingang der jeweiligen Räume symbolisieren. Die reduzierte Bühnengestaltung bietet dem Zuschauer Raum, seine Phantasien walten zu lassen. Raum aber auch für die eindringliche Musik Bela Bartoks, die sich hier wundersam mit der Handlung verwebt, das psychologische Drama in großer dunkler Sinnlichkeit vertieft. Die von Eberhard Klose bearbeitete Fassung verschlankte das Orchester, reduzierte u.a. die Streicher, setzte jedoch unter Hinzunahme von Holzbläsern auf die dunkle abgründige Klangfarbe des Stückes. Die Wirkung bleibt nicht aus: Inneres Schaudern und Mitbeben, auf diesen emotionalen Klängen, die ganze Aufführung lang.

Was sich hinter den Türen verbirgt entfaltet sich nun vor Judith: Fünf Tänzer, Otto Jendrek, Evan L’HIrondelle, Futaba Ishizaki, Sara Giovanelli und Mariana Drias stellen in der Abfolge die Inhalte der einzelnen Räume dar. In phantastische Kostüme gezwängt, die auf den ersten Blick schön, auf den zweiten jedoch einengend, bandagierend und verstörend wirkend, tanzen sie in grotesken, fast parodiehaft wirkenden Bewegungsfetzen vor der immer kleinmütiger, verzweifelt, ja wahnhaft wirkenden Judith.
Dazu gibt es helle, sehr poetische Momente in dieser Inszenierung: der Blütentanz, die hellen lichtflockenhaften Tränen des weißen Weihers, ein blauer Ballon schwebt wie ein anderer Stern umher…aber sie betonen so auch die Obskurität des Geschehens.
Verzweiflung und Kleinmut verstärkend, senkt sich die Bühnendecke unmerklich immer mehr herab, bis sie Blaubart und Judith fast erdrückt. So kommt es zum eisigen Finale, zur Offenbarung von Blaubarts tiefstem Abgrund, subtilsten Geheimnis. Diese Szene erschüttert, berührt besonders und lässt den Besucher bis ins Mark gefrieren. “Verschone mich mit Deiner Lösung, sie wär der Tod für mein Problem“: So lässt Blaubart Judith an seinen Abgründen scheitern; Judith erstarrt in einem stummen Schrei.
Bogdan Talos als Blaubart und Dorottya Láng als Judith singen in ungarischer Sprache, tonal mit Bartoks Musik wunderbar harmonierend. Beiden Stimmen wird große Klangfülle abverlangt, oft muss auch in sehr hoher und sehr tiefer Stimmlage gesungen werden. Talos und Làng meistern diese Herausforderungen mit Bravour. Großartig dazu auch die Düsseldorfer Symphoniker, unter Axel Kober, endlich wieder zu hören, und wie!
Demis Volpi zeigt in seiner Inzenierung, wie subtile, kraftvolle und ungeschwätzige Oper geht. Ein Muss, sie zu erleben. Das Publikum dankte mit großem Beifall.
Herzog Blaubarts Burg an der Deutschen Oper am Rhein; die nächsten Termine 17.9.; 19.9.; 02.10.;
—| IOCO Kritik Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf |—