Lübeck, Theater Lübeck, Galaabend "Unter die Haut", IOCO Kritik, 01.06.2021

Lübeck, Theater Lübeck, Galaabend "Unter die Haut", IOCO Kritik, 01.06.2021
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Theater Lübeck

Theater Lübeck © Olaf Malzahn
Theater Lübeck © Olaf Malzahn

Es geht wieder  - "Unter die Haut"

Ein musikalischer Genuss am Theater Lübeck

von Patrik Klein

Nach monatelangem Schweigen in der Kulturlandschaft mit eingebetteten Ersatzlösungen, die keine wirklichen waren; Streams, live oder aus der Konserve, damit wenigstens die Seele etwas gestreichelt wird und die Beschäftigten an Theatern und Konzerthäusern nicht völlig beschäftigungslos zu Hause sitzen mussten: Nun endlich sinken die Inzidenzen und erste Rückkehr zu normalem kulturellen Leben erscheint in greifbare Nähe zu rücken.

In Schleswig-Holstein sind die Pandemiebelastungen geringer als in anderen Bundesländern, so dass man sich bereits vor Wochen dazu entschied, an Theatern wie in Flensburg, Kiel und Lübeck innerhalb eines Modellprojektes mit entsprechendem Hygienekonzept (geringere Belegung des Zuschauerraumes, Maskenpflicht, Vorlage eines aktuellen negativen Coronatests und genaue personenbezogene Dokumentation der Besucher) Vorstellungen zu erlauben. Das Theater Lübeck veröffentlichte sodann ein buntes Programm aus allen Sparten Oper, Schauspiel, Konzert und Musical vom 15.5.2021 bis 15.6.2021. Etwas enttäuschend dann die Resonanz beim vielleicht noch etwas verunsicherten Publikum. Viele Vorstellungen blieben trotz geringer Zuschauerkapazität wenig frequentiert.

Mit Cole Porters (Musik) und Michael Wallners (Regie) Musical Night & Day, IOCO berichtete; Link HIER!, startete der bunte Reigen an Vorstellungen, die längst verloren geglaubt waren für diese Saison.

Der im vergangenen Jahr bereits aufgeführte unterhaltsame Galaabend Unter die Haut“, eine konzertante, moderierte Musiktheaterproduktion mit Orchester und Ensemblemitgliedern des Hauses fehlte im Modellprojekt nicht. Werke von Giacomo Puccini, Richard Strauss, Peter Tschaikowsky, Georges Bizet, Giuseppe Verdi und Benjamin Britten standen auf dem musikalisch hochkarätigen Programm.

Theater Lübeck / Galaabend des Musiktheaters "Unter die Haut" hier das Ensemble des Abends © Olaf Malzahn
Theater Lübeck / Galaabend des Musiktheaters "Unter die Haut" hier das Ensemble des Abends © Olaf Malzahn

An diesem von IOCO besuchten Abend gelang es in überzeugender Weise mit einer wohltuenden musikalischen Leistung von allen Beteiligten, dem von Live Musik und Theaterfeeling entwöhnten Publikum, ein klangvolles und farbenreiches Opern-Galakonzert auf die Bühne zu zaubern.

Der neue Generalmusikdirektor Stefan Vladar hatte mit seinem Philharmonischen Orchester der Hansestadt Lübeck und mit einer Reihe von Ensemblemitgliedern des Hauses ein musikalisch überaus glückliches Händchen gepaart mit einer bunten Auswahl an emotional geladenen Stücken aus verschiedenen Genres. Bekannte und auch seltener gehörte Klänge drangen an die Ohren und Herzen der gebannten Zuhörer. Moderiert wurde der Abend mit großem Engagement und einer ordentlichen Portion Humor von der Schauspielerin Sara Wortmann und dem Ensemblebariton Steffen Kubach.

Das äußerst gut disponierte Orchester, den nahezu kompletten Bühnenraum einnehmend, packte dann auch bei Brittens "Four Sea Interludes" aus seiner Oper Peter Grimes das ganz große Besteck aus. Die vier Stücke Dawn, Sunday Morning, Moonlight und Storm wurden verteilt auf den knapp neunzigminütigen Abend. Sehr expressiv und klangfüllend, zeichneten die Musiker das Bild des englischen Meeres an der Ostküste – bedrohlich, gewaltig, düster und unberechenbar gefährlich.

Ohne Übergang folgte "Send in the clowns" aus Steven Sondheims Musical A Little Night Music, das Sara Wortmann aus dem Schauspielensemble als Conférencière mikrophonverstärkt mit Swing, voller Emotionen und einer Portion Melancholie vortrug. Noch im Ausklang ihres Vortrages schlichen sich die Sänger*innen des kompletten Ensembles leise, Pappnasen und Karnevalszylinderhut tragend, auf die Bühne, die coronabedingten Glastrennwände vor sich her schiebend, bis sie die Position erreichten, die für einen kompletten Stimmungswechsel in der Musik sorgten: Heiterkeit und gute Laune mit Johann Strauss "Die Fledermaus" und dem "Im Feuerstrom der Reben" standen nun im Raum.

Sara Wortmann und Steffen Kubach ergriffen mit Humor und Anspielungen auf die Pandemie das Wort und stimmten die gebannten Zuhörer auf die musikalische Reise des Abends ein.

Es folgte sogleich große Opern-Theatralik, als Johan Hyunbong Choi mit kraftvollem und warm timbrierten Bariton in der Arie des Escamillo aus Bizets Carmen gemeinsam mit den sieben Damen und Herren aus der Gruppe der Schmuggler mit "Votre toast, je peux vous le rendre" imponierte.

Zum Kabinettstück geriet der Monolog des Ochs "Da lieg ich" aus dem Rosenkavalier von Richard Strauss, den der färöische Bass Rúni Brattaberg mit profunder Tiefe und launiger Spielfreude vortrug. Eine Sektflasche am Boden, mit Glas in der Hand auf einem barocken Sofa sich windend ließ er mit süffisanter Wiener Schmäh die Qualitäten seines Gesangs und seines Spiels aufleben.

Nun stellte der Bariton Gerard Quinn unter Beweis, dass Stimmkraft und Eleganz Attribute sind, die sich nicht ausschließen müssen. Zwar vom Blatt singend, dafür aber mit feinst geführter sicherer Höhe und einem emotionalen Crescendo gab er als Tschaikowskys Jeletzki die Arie "Ya vas lyoublyou" aus Pique Dame zum Besten. Das Publikum dankte mit besonders großem Beifall.

 Theater Lübeck / Galaabend des Musiktheaters "Unter die Haut" © Olaf Malzahn
Theater Lübeck / Galaabend des Musiktheaters "Unter die Haut" © Olaf Malzahn

Sopranistin Maria Fernanda Castillo und der Tenor Yoonki Baek sangen nun mit Glastrennscheiben vor Augen die herzzerreißende Arie "O soave fanciulla" aus Puccinis La Bohème mit allergrößter Leidenschaft und strahlenden Stimmen.

Besonders anrührend und einfühlsam gestaltend gelang Evmorfia Metaxaki dann das "O mio babbino caro" aus Puccinis Gianni Schicchi, wofür das Publikum sich mit begeistertem Applaus bei ihr bedankte.

 Theater Lübeck / Galaabend des Musiktheaters "Unter die Haut" hier Evmorfia Metaxaki, Stefan Vladar und das Philharmonische Orchester © Olaf Malzahn
Theater Lübeck / Galaabend des Musiktheaters "Unter die Haut" hier Evmorfia Metaxaki, Stefan Vladar und das Philharmonische Orchester © Olaf Malzahn

Nun schwang sich Yoonki Baek vom schönen Piano zu strahlenden Belcanto Höhen bei Cavaradossis Arie "E lucevan le stelle" aus Puccinis Oper Tosca.

Ihren großen Auftritt hatte María Fernanda Castillo dann als Leonora aus Verdis La forza del destino . Mit ihrer mehr als raumfüllenden, dunkel timbrierten dramatischen Sopranstimme, einer vorzüglichen Modulation und einer bruchlosen Stimmführung geriet ihr "Pace, pace" zum Highlight. Das Lübecker Publikum geriet mit brandendem Applaus ganz aus dem Häuschen.

Die Schlussfuge aus Verdis Falstaff "Tutto nel mondo e burla" vereint noch einmal alle neun Sänger*innen, darunter auch die vielversprechenden und bislang noch nicht erwähnten Stimmen von Natalyia Bogdanova, Milena Juhl, Virginia Felicitas Ferentschik und Daniel Schliewa aus dem internationalen Opernelitestudio.

Mit der Zugabe, dem Quintett "Selig, wie die Sonne meines Glückes" aus Richard Wagners Die Meistersinger von Nürnberg wurden die Zuhörer mehr als zufrieden entlassen.

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